VfB Stuttgart – SC Freiburg 2:0

Der VfB Stuttgart besiegt den SC Freiburg nicht unverdient, weil ihre Form der engen Offensivpräsenz die brenzligeren Situationen heraufbeschwören konnte.

Nach dem aufreibenden Match gegen Dortmund begannen die Canstätter mit einer Veränderung – Niedermeier fehlte gesperrt, Schwaab rückte nach innen und Sakai kam als Rechtsverteidiger neu ins Team. Die Gäste mussten Schuster durch Fernandes und Krmas durch Höhn ersetzen, konnten ansonsten aber auf das erfolgreiche Grundsystem der letzten Wochen bauen. Vor heimischer Kulisse dominierten die mittlerweile unter Stevens verbesserten Stuttgarter mit über 60 Prozent Ballbesitz, aber auch die Freiburger kamen in dieser eigentlich sehr intensiven Partie zu vielen Aufbauszenen. Beiden war dabei gemeinsam, dass sie daraus lange Zeit kaum Chancen kreieren konnten.

Freiburgs Probleme mit ihren einrückenden Bewegungen

vfb-scf-2014Die Hausherren wählten eine grundsätzlich mannorientierte Spielweise im Mittelfeld, bei der Fernandes und Darida vom herausrückenden Gentner sowie von Didavi verfolgt werden sollten. Dabei agierten sie in der Ausführung dieses Mittels geschickt und balancierten auch die Bereiche dahinter – angeführt vom absichernden und umsichtigen Gruezo – meistens recht effektiv, so dass Freiburg nur selten Lücken zwischen den verfolgenden Bewegungen vorfand. Problematisch wurde es für die Stuttgarter vor der Pause einzig bei ihrem teilweise etwas zu radikalen Aufrücken in 4-4-2-haftere Phasen höheren Pressings, da Didavi hier recht klar, aber gegen die Freiburger Aufbaustrukturen meistens ineffektiv herausschieben musste und die Organisation des VfB in seinem Rücken ein wenig verloren ging.

Anfangs waren dies die einzigen Ausnahmen, bei denen Freiburg mal zu Gelegenheiten für vertikale Direktpässe in vordere Freiräume kam. Dabei mussten sie aber fast immer die einrückenden Außenspieler Klaus und Schmid, der sich balancierter positionierte als sein diesmal etwas zu wilder Kollege, als Abnehmer wählen, weil das Sturmduo phasenweise ungewohnt chaotisch wurde. Bei diesen stark auf die Dynamik angewiesenen Zuspielen hatten Klaus oder Schmid somit nur wenige Optionen, so dass gegen die sich zusammenziehenden Stuttgartern sehr viel von den individuellen Ballmitnahmen der beiden abhing – recht wechselhafte Voraussetzungen für das Offensivspiel. Ihre erhofften Rechtsüberladungen mit den herauskippenden Sechsern und den herausschiebenden Angreifern konnten daher kaum bedient werden und entfalteten nicht die Wirkung der letzten Wochen. Gelegentlich konnten die Breisgauer aus diesen Szenen über die hohen Außenverteidiger dann wieder nach außen weichen, ließen sich dann aber bei den ruhigeren Offensivaktionen im letzten Drittel etwas zu sehr auf klare Flügelaktionen ein, die allein durch gelegentliche Unterstützung von Darida Gefahr ausstrahlten.

Stuttgarter Momente gegen starkes Pressing

Im Pressing war der Sport-Club deutlich stärker als im Angriffsspiel – mit ihrem 4-4-2 agierten sie gegen den Ball engagiert, attackierten bei versuchten Übergängen in den Mittelfeldbereich und verhinderten häufig das Vorwärtsspiel der VfB-Innenverteidiger. Diesen stellte man nur passiv mit leicht angedeutetem Zugriff die Optionen zu und ließ sie in der hinteren Reihe ungestört zirkulieren, wo sich folglich der Ballbesitz des Heimteams sammelte – nach vorne kamen sie aber nicht. Im grundsätzlich sehr engen und disziplinierten Sechseck der Freiburger Formation war Gruezo zu oft alleine gelassen, weil die recht hochstehende Stuttgarter Offensive phasenweise zu große Abstände nach vorne und nur eine wechselhafte Mittelfeldbesetzung zeigte, und musste in diesen Szenen schon sein gesamtes Können aufbieten.

Daher fiel der Ecuadorianer zunehmend zu den Innenverteidigern zurück, während auch Gentner oder sogar Didavi sich gelegentlich nach hinten bewegten. Auch wenn diese Rückstöße nicht immer gut genug strukturiert wirkten, konnte dadurch doch die Freiburger Defensive etwas entzerrt werden, so dass die Schwächen der losen Mannorientierungen des Streich-Teams vereinzelt durchschienen und ersichtlich wurden. Beispielsweise trug Sakai mit einigen guten indirekten Bewegungen dazu bei, dass die Halbräume etwas mehr geöffnet wurden. Wenn die Stuttgarter diese raumschaffenden Versuche mit etwas Improvisation gut durchgeführt bekamen, konnten sie Didavi oder einen der unter Stevens sehr eng agierenden Außenstürmer bedienen und entwickelten auf diesem Wege zumindest ein paar Szenen. Weil sie die eine oder andere technisch starke Überladung mit Diagonalläufen, Weiterleitungen und aggressivem Direktspiel starteten, waren sie beim Ausnutzen der gelegentlichen Räume etwas produktiver als die Freiburger und somit auch minimal gefährlicher – trotzdem standen für beide zur Pause nur jeweils vier Abschlussversuche zu Buche.

Lange Bälle, offenes Spiel und die leichter einzubringende Präsenz

In der zweiten Halbzeit wurde die Begegnung dann offener, so dass in der Konsequenz gerade in der Endphase mehr Szenen auf beiden Seiten entstanden. Ein wichtiger Grund für diese Veränderung lag in der Umstellung der Stuttgarter Pressingweise – die Schwaben attackierten deutlich früher und führten ihr hochgeschobenes 4-4-2 dabei konsequenter aus, da sie es nicht improvisiert aus dem mannorientierten 4-1-2-3 heraus umformten, sondern eigenständig aufzogen. Hinter Ibisevic und Didavi (später Werner und Maxim) rückte dabei Gerner mannorientiert auf den jeweils zurückfallenden Freiburger Sechser ins 4-1-3-2 mit und die hinteren Kollegen reagierten recht balanciert – man schob also mannorientiert nach anstatt aus diesen herausgehend nachzurücken. So wurde Baumann vermehrt zu lang geschlagenen Bällen gezwungen.

Gelegentlich entstanden daraus aber trotzdem noch kleinere Lücken für die Freiburger oder Möglichkeiten nach den Abprallern. Wenngleich diese etwaigen Löcher anders als bei den Bremern vor einigen Wochen nicht ganz so auffällig wurden, hatte der Gast aus dem Schwarzwald nun aber vermehrt Abschlüsse zu verzeichnen. Auf der anderen Seite intensivierten sie selbst ebenfalls ihr Pressing und attackierten den Stuttgarter Aufbau aggressiver, so dass auch Ulreich zu einer ganzen Reihe an langen Bällen greifen musste. Der VfB kam kaum noch zu seinem ruhigen Aufbauspiel – so spielte Gruezo nach der Pause nur noch vier Pässe – und definierte sich stärker über offene Szenen oder zweite Bälle. Insgesamt trugen alle diese Aspekte – Freiburgs Pressing und Stuttgarts mit langen Bällen oder Unkompaktheiten als Ergebnis – zu einem offeneren Spiel bei, das nun vermehrt Torchancen produzierte.

Dabei hatten die Mannen von Christian Streich quantitativ mehr Szenen und verbuchten letztlich fast 20 Abschlüsse. Gerade in der Endphase wurden sie durch das Zentrum effektiver, wo der für Guédé eingewechselte Kerk einige gute Momente hatte. Es waren allerdings die Hausherren, die zwanzig Minuten vor Ende den Siegtreffer machten und dabei über ihre Offensivpräsenz zum Erfolg kamen. In gewisser Weise begünstigte sie die verstärkte Eröffnung mit langen Bällen etwas mehr, da sie diese Szenen besser für sich nutzen konnten. Durch den offeneren Spielcharakter fiel ihnen das Aufrücken ins Angriffsdrittel leichter, weshalb die Präsenz ihrer Sturmabteilung und die enge Dribblingspielweise Traorés zunehmend wirkungsvoller umgesetzt werden konnten. Letzterer hatte mit seinen eng eingeschobenen Läufen und anschließenden Hereingaben bereits zuvor einige brenzlige Momente mit nur wackelig möglichen Klärungen der Freiburger Innenverteidiger provoziert und legte nun nach einem Schnellangriff den Ball im Strafraum auf den einschiebenden Maxim quer – die Führung zwanzig Minuten vor Schluss.

Fazit (zur Chancenquantität)

Als Harnik nach einer Ecke kurz vor Ende auf 2:0 erhöht hatte, war klar: Diese schwierig zu verteidigende, aktuell in neuem Gewand forcierte Eigenheit machte letztlich den Unterschied in einem seltsamen, intensiven, anfangs sehr engen, später aber offeneren Match – den Unterschied durch Offensivpräsenz und eine gewisse Form der Chancenquantität, wenngleich eigentlich Freiburg mit ihrer höheren Zahl an Abschlüssen über diese Schiene kam. Allerdings war ihre Chancenquantität anders angelegt und konnte die eigenen Aktionen diesmal aufgrund kleinerer Balance- und Organisationsprobleme in den entscheidenden Momenten nicht brenzlig genug durchbringen. Freiburg hatte Chancenquantität über die Abschlussfrequenz selbst, der VfB hatte Chancenquantität über eine besondere Form der Präsenz – Letzteres kam in dem offener werdenden Match letztlich mehr zu Geltung und brachte somit den entscheidenden, effektiven Unterschied.

Sofalaie 7. April 2014 um 14:24

Danke für den Artikel; toll geschrieben und auf den Punkt gebracht. Inhaltlich kann man da gar nicht mehr viel zu sagen.

Allerdings: Cannstatter bitte mit Doppel-n und ohne ä. =)

Antworten

PS 7. April 2014 um 14:42

Dem möchte ich mich anschließen. Vielen Dank dafür!
Konnte es zwar leider nicht live sehen, aber so ist das eigentlich besser;).

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu PS Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*