SC Freiburg – Bayer 04 Leverkusen 3:2

Freiburg gewinnt zum Rückrundenauftakt gegen den Tabellenzweiten. Dabei haben sie mit ihrer Anpassung an den Gegner etwas Probleme, können aber mit einer starken Schlussphase das Spiel noch drehen.

Christian Streichs neuer Pragmatismus

Noch letztes Jahr sprach Christian Streich sogar vor wichtigen Pokalspielen und hypothetischen Spielen gegen den FC Bayern davon, dass man den Ball „habbe wolle“. Freiburg versuchte sich den Ball früh und hoch zurückzuholen, um mit ihm dann schnell anzugreifen. In dieser Saison wird weniger intensiv gespielt; das Spiel gegen die Leverkusener war ein Paradebeispiel dafür.

Normalerweise würde man sich eine Partie erwarten, in der Freiburg sehr hoch agiert, viel Risiko geht und Leverkusen sich auf das Umschaltspiel konzentriert. Insbesondere vor heimischem Publikum wäre dieses Szenario denkbar gewesen. Stattdessen fokussierten sich die Gastgeber eher auf eine tiefere und stabilere Spielweise, die wohl als Gegenmaßnahme zu den hervorragenden Konterfähigkeiten Leverkusens zu verstehen ist.

Freiburg spielte dabei in einem tiefen Mittelfeldpressing, ließ die Innenverteidiger aufbauen und versuchte Leverkusen in die Höhe zu locken. Mittelstürmer Mehmedi hielt sich eng ans Mittelfeld und rückte dann immer wieder heraus, um einen der Innenverteidiger bogenartig anzulaufen und ihn von seinem Partner zu isolieren. Gleichzeitig sollte mit der zuvor tiefen Positionierung ein Abkippen von Leverkusens Sechsern verhindert beziehungsweise nicht provoziert werden.

Hinter dem Mittelstürmer formierten sich die Freiburger in einem kompakten Block, die Abwehrlinie war allerdings nicht besonders hoch. Auch dies deutet auf eine bewusste Reaktion auf die Leverkusener Spielweise hin. Dazu kamen noch ein paar andere interessante taktische Aspekte.

Mannorientierungen und Hybridformation

Grundformationen; Leverkusen offensiv

Grundformationen; Leverkusen offensiv

Hinter dem Mittelstürmer gab es nämlich keine durchgängig genutzte Formation. Manchmal pressten die Freiburger in einem 4-2-3-1, manchmal wurde es aber ein 4-1-4-1. Dies lag an der Rolle des halblinken Sechsers, der nach vorne herausrückte; innerhalb dieser 4-1-4-1-Formation gab es viele situative zonale Mannorientierungen, mit denen man die Anspielstationen der Innenverteidiger Bayers ins Mittelfeld versperren wollte. An sich funktionierte dies ganz gut.

Oftmals konnten sich Toprak und Reinartz nur den Ball hinten zuschieben oder spielten längere flache Pässe in den Zwischenlinienraum, die dann aber nur selten zu Angriffen führten. Hier rückten die Innenverteidiger Freiburgs gut heraus und die Achter und Sechser kamen zurück, weswegen sich die Fehlpassquote Leverkusens in diesen Räumen erhöhte. Allerdings fanden die Leverkusener bald gute Antworten auf diese Spielweise Freiburgs, insbesondere auf die mannorientierten Verfolgungen.

Leverkusen mit der spielerischen Variante des Kick and Rush

Kurzpassstafetten durch die engen Räume und die Manndeckungen hindurch waren natürlich nicht der Lösungsweg der Leverkusener. Sie versuchten stattdessen sehr stabil aufzubauen und sich aus den Mannorientierungen zu befreien. Dafür ließen sich Can und Bender immer wieder weit zurück in die defensiven Halbräume fallen. Dadurch waren sie nicht mehr manngedeckt, denn die Achter konnten sie nicht so weit verfolgen, ohne größere Räume zu öffnen.

Neben dem Zurückfallen Cans und Benders gab es auch noch überaus viel Bewegung davor. Son rückte von links extrem weit in die Mitte ein, bot sich im Zwischenlinienraum an und versuchte die Aufmerksamkeit der gegnerischen Achter auf sich zu lenken. Selbst Kießling ließ sich vereinzelt nach hinten fallen und positionierte sich für Ablagen im Zwischenlinienraum. Aber nicht nur diese Bewegungen und ausweichende Bewegung der Achter auf den Flügel wurden genutzt, sondern auch viele lange Bälle. Die Logik dahinter war klar.

Freiburgs passive Spielweise an vorderster Front und die tiefe Positionierung generell sollte nicht rein mit Flachpässen bespielt werden, sondern Bayer versuchte über lange Bälle in die gegnerische Formation zu kommen. Mit Kießling haben sie dafür einen der besten Mittelstürmer für eine solche Spielweise, zusätzlich suchte Son immer wieder seine Nähe und überlud die Mitte. Dieses Überladen hatte einen weiteren Vorteil.

Leverkusens Gegenpressing und Pressing gegen Freiburgs Angriffe

Dieses Überladen und die generell gute Staffelung bei zweiten Bällen erhöhte Effektivität der Arbeit gegen den Ball nach Ballverlusten. Mehrmals konnte sich Leverkusen direkt nach langen Bällen sofort den Ball wieder holen und einen Schnellangriff versuchen. Interessant war hierbei auch, dass sich die Außenverteidiger etwas tiefer hielten als wie bisher üblich. Sie sicherten einige Male sehr oft für die Achter ab, welche ihrerseits nach den langen und oftmals diagonalen Bällen in Richtung Seite zogen und dort ihre Mitspieler unterstützten, während Donati und Boenisch absicherten.

Dies steigerte die Stabilität des Gegenpressings, Freiburg konnte nur selten nach den Balleroberungen schnell kontern. Im Pressing zeigte sich Leverkusen ebenfalls durchaus sehenswert; sie spielten nun wieder stärker in ihrem 4-3-3-0 und engeren Flügelstürmern, was nicht oftmals zu einem 4-5-1 wurde.

Grundformationen; Freiburg offensiv

Grundformationen; Freiburg offensiv

Jedoch konnte Freiburg einige Male dennoch zu guten Angriffsbewegungen kommen. Hauptgrund war dabei Mehmedi sowie die entstehenden Synergien seiner Läufe. Der Mittelstürmer interpretierte seine Rolle ähnlich wie früher Max Kruse; er bewegte sich viel nach hinten und auf die Flügel, insbesondere auf die linke Seite wich er mehrmals aus. Dadurch bot er sich sehr oft für seine Mitspieler an und konnte die Flügelräume überladen, was gegen das Leverkusener 4-3-3 einige Male zu schnellen Raumgewinnen führte. In der Mitte verloren sich die Freiburger zwar meistens, da die Räume zu eng und die Kombinationen zu schnell wurden, zeigten dafür aber gelegentlich schnelle Kombinationen von der Seite in die Mitte, obgleich die nur selten abgeschlossen werden konnten.

Letzteres war auch das Hauptproblem Freiburgs. Sie kamen zwar dann gut über die Außen oder spielten ebenfalls lange Bälle mit gutem Nachrücken des Mittelfelds, ihnen mangelte es aber an der Durchschlagskraft in diesen Situationen. Ginter und Gelson bauten viel aus den Halbräumen auf, Sorg, der für Pilar eingewechselte Klaus und Mehmedi komplettierten diese Kombinationen auf links, Leverkusen stand in den strategisch wichtigen Räumen nach wie vor stabil. Vielfach musste Freiburg flanken und gewann die dann entstehenden Kopfballduelle kaum. Doch das sollte sich in der Schlussphase aber ändern.

Die letzte halbe Stunde

Besonders in der letzten halben Stunde veränderte sich das Spiel. Freiburg hatte nun erstmals mehr vom Spiel, hielt in allen Spielphasen gut mit und band Mehmedi besser ein, aber kamen zu Beginn dieser letzten halben Stunde nur zu wenigen guten Abschlüssen. Darida und der ballferne Flügelstürmer sowie situativ einer der Sechser besetzten die zentralen Angriffsräume bei Mehmedis Ausweichen, erhielten allerdings kaum verwertbare Anspiele. Nach Schnellkombinationen in der Mitte hinter die Abwehr hatte Freiburg dann zusätzlich zu den taktischen Problemen noch etwas Pech mit dem Abseits.

In dieser Phase verlegten sich die Leverkusener auch stärker auf das Konterspiel, brachten Derdiyok für Kießling und positionierten sich kollektiv tiefer. Anstatt aber gefährlich zu werden, wirkten sie harmloser als zuvor und es war teilweise lediglich Derdiyok alleine, der die Abwehr Freiburgs beschäftigte, aber seine Aktionen kaum ordentlich abschließen konnte.

Freiburg wurde nun stärker, als Leverkusen wieder höher spielen wollte. Erst in den letzten 15 Minuten taten sich jene Räume auf, die Freiburg nutzen konnte und wollte. Ihre starke Spielweise der zweiten Halbzeit und besonders in der letzten halben Stunde münzte sich erst in der Schlussphase in Chancen um, welche sie jedoch erst in der 90. Minute nutzen konnten. So kam es zum Freiburger Sieg, welches wohl bei Betrachtung der letzten 15-20 Minuten als verdient gesehen werden dürfte. Bei Betrachtung des gesamten Spiels fühlen die Leverkusener aber womöglich anders.

Fazit

Christian Streichs Freiburger wechseln von leicht misslungenem Pragmatismus zu Freiburger Intensivfußball in der Schlussphase und drehen das Spiel gegen favorisierte Leverkusener. Diese verloren einmal mehr gegen eine Mannschaft aus dem Tabellenkeller und konnten eine gute Anfangsphase nicht krönen, sondern gaben das Spiel aus der Hand.

Hansdampf 28. Januar 2014 um 10:28

Hat mich ebenfalls gefreut, hier mal wieder eine Analyse über Freiburg zu lesen! Bin gespannt, wie es mit den angesprochenen taktischen Umstellungen von Streich im Rest der Saison weitergeht.

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fs984 26. Januar 2014 um 01:38

Vielen Dank für diese sehr detaillierte und gute Analyse des Spiels!

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Ma 27. Januar 2014 um 19:21

Dem kann ich mich anschließen: schöne Analyse und großartig geschrieben.

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