Periodisierungstechniken: Diskussion der DFB-Inhaltskonzeption

In diesem letzten Teil setzen wir uns mit den inhaltlichen Periodisierungen des DFB auseinander. Wir sehen uns dabei an, wie der DFB die Periodisierung des Mesozyklus (Trainingswoche), des Trainings im Saisonverlauf (Makrozyklus) und die Jugendausbildung über die Jahre hinweg empfiehlt. Dabei starten wir mit der Entstehung dieser Konzeption.

Der geistige Vater: Gero Bisanz

Um die Wichtigkeit und die Arbeit von Gero Bisanz bei der DFB-Konzeption zur Trainerausbildung und somit auch zur Jugendausbildung klar zu machen, zitieren wir nur Folgendes:

Gero Bisanz hat die Trainer-Ausbildung beim DFB mitgestaltet und geprägt. Von 1971 bis 2000 war der erste Trainer der deutschen Frauen-Nationalmannschaft als Chefausbilder tätig.

Bisanz war 1971 in die Fußstapfen von Hennes Weisweiler und Sepp Herberger getreten, sein Nachfolger wurde Erich Rutemöller nach ganzen 29 Jahren als Chefausbilder. Bis heute gilt dabei das aktuell in der 2. Auflage von 2010 vorliegende Buch von Bisanz und Gunnar Gerisch mit dem Titel „Fußball: Kondition, Technik, Taktik und Coaching“ als Standardlektüre des DFB. Dieser Schmöker mit über 560 Seiten beschäftigt sich mit mehr oder weniger allem, was dem Autor eingefallen ist – Taktik, Technik, Coaching, Trainingswissenschaft. Alles ist drin, wenn auch nicht optimal ausgeführt.

Bezüglich Periodisierung gibt es dazu in dieser Doktorarbeit von Pedro Gonzalez schöne Zitate auf Seite 174 zur Kritik an der Periodisierung des DFB und auch des Bisanz-Buchs. Er zitiert dabei Jonath & Kempel aus dem Jahr 1994, welche nicht von einer wirklichen Periodisierung sprechen, sondern über die Unmöglichkeit einer ordentlichen Periodisierung.

Auch Bisanz wird kritisiert. Er konzentriert sich zwar nicht ausschließlich, aber vorrangig auf die Mesozyklen. Gonzalez nutzt dabei folgendes Zitat:

„Für das Training während der beiden Hauptperioden (Vor- und Rückrunde der Punktspiele) gelten bestimmte Grundsätze: Am Anfang der Woche werden schwerpunktmäßig die anaerobe Ausdauer und die Verbesserung der Kraft geschult, am Ende der Woche die Schnelligkeit und die Gewandtheit. Das Training des Stehvermögens und der Schnelligkeit werden einmal pro Woche eingeplant; (…) Bei einer optimalen Abstimmung von Belastung und Erholung erreicht man neben dem Effekt der Stabilisierung der Technik auch den eines guten konditionellen Zustandes.“

Wir wollen jetzt die Methodik von Gero Bisanz genauer unter die Lupe nehmen. Dabei beginnen wir mit den dazugehörigen Trainingsprinzipien, die wir stichwortartig auflisten und kurz erklären möchten.

Bisanz‘ sechs große Trainingsprinzipien

Das Prinzip des konstanten Belastungsanstiegs (Progressive Loading):

Damit ist gemeint, dass die Trainingsbelastung dem Leistungsniveau der Spieler entsprechen muss und entsprechend deren erhöhtem Niveau dank der vorherigen Leistungsverbesserung ebenfalls größer werden muss. Eine Mehrbelastung soll dann den stärkeren Organismus aggressiver attackieren, damit er sich anpassen und somit verbessern muss. Bisanz empfiehlt eine stufenförmige Erhöhung anstatt einer konstanten Steigerung der Belastung. Eine genaue Empfehlung bezüglich der Dauer einer Stufe gibt es allerdings nicht.

Das Prinzip der Superkompensation:

Hier geht es um die Anpassung des Körpers an Belastung. Dieses Prinzip geht davon aus, dass das aktuelle Leistungsniveau durch Belastung gesenkt wird, sich aber nach der Erholung auf ein höheres Ausgangsniveau hebt. Diese Steigerung wird als Superkompensation bezeichnet. Der neue Belastungsreiz soll dann genau in dieses erhöhte Grundniveau kommen.

Das Prinzip der Ausgewogenheit von Belastung und Erholung:

Dieses Prinzip bezieht sich auf die Phasen des Superkompensationsprinzips. Es soll eine ordentliche Mischung zwischen Belastung und Erholung geben, damit der Körper nicht überfordert wird. Zur Erholung wird eine aktive Regeneration empfohlen, indem leichte Spielformen gemacht werden oder Dinge wie Radfahren, Spazieren oder ähnliches gemacht werden

Das Prinzip der optimalen Relation von Trainings- und Wettkampfbelastung und Trainingshäufigkeit:

Dieser Aspekt befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen Trainingshäufigkeit, -intensität und -dauer. Diese sollen sich in Einklang befinden, wobei die Trainingshäufigkeit als wichtigster Faktor gilt, während die Intensität und Dauer effektiver variiert werden können. Als Grundsatz gilt, dass Übungen mit hoher Intensität eher kürzer durchgeführt werden, während längere Übungen eher eine niedrige Intensität besitzen.

Das Prinzip der Individualität und Differenzierung:

Die Trainingsbelastung soll natürlich auch auf die Bedürfnisse einzelner Akteure abgestimmt werden. Werden jeweilige Symptome entdeckt, welche Bisanz auch aufzählt (u.a. auch psychologische Merkmale, die auf bestimmte Ermüdungserscheinungen hindeuten), dann soll die Trainingsbelastung verringert werden.

Das Prinzip des ganzjährigen Trainings und der Periodisierung:

Abgesehen von einer Pause im Sommer soll über das gesamte Jahr hinweg trainiert werden. Allerdings soll auf die Einhaltung der Pausen und Erholungsmöglichkeiten genau geachtet werden. Die Periodisierung bezieht sich dann auf den vorgegebenen Spielplan, womit wir schon zum nächsten Thema kommen, welches wir anhand eines Beispiels aus dem Buch kurz zusammenfassen werden.

Die empfohlene Periodisierung im Saisonverlauf im Erwachsenensport nach DFB-Konzeption

Die Vorbereitungsperiode:

In der Vorbereitung sollen die jeweiligen Fundamente bei Physis, Psyche, Taktik und Teambuildung gelegt werden. Generell sollen die Spieler einfach in allen Belangen weiterentwickelt werden, durch den frei planbaren Zeitablauf und mehr Verfügbarkeit von Zeit soll alles angegangen werden. Interessant ist, dass Bisanz hier bei Amateuren empfiehlt, die Arbeit in puncto Ausdauer mit Technik und Taktik zu verbinden, dies aber bei den Profis – entgegen der taktischen Periodisierung – als nicht notwendig erachtet. Ursache dafür scheint die zeitliche Komponente zu sein, welche bei den Profis ja kein Problem darstellen sollte. Diese Periode erstreckt sich auf 4-6 Wochen vor Saisonbeginn.

Ein Beispiel für eine Vorbereitungsperiode findet man hier.

Die Hinrunde (1. Hauptperiode):

Bisanz empfiehlt eine weitere Verbesserung der Fähigkeiten der Spieler. Das Training ist lediglich weniger intensiv und befasst sich mit den im Spiel festgestellten Problemaspekten.

Die Zwischenperiode:

Diese Phase liegt im Dezember und Januar, sie dient zur Regeneration und anschließenden Vorbereitung auf die Rückrunde. Auf konkrete Inhalte wird nicht wirklich eingegangen, einzig die wirtschaftlichen Begebenheiten, das Wetter und der Hallenfußball werden kurz erwähnt; so gibt es Freundschaftsspiele für Geld, oftmals keine Möglichkeiten zum ordentlichen Training draußen, Hallenturniere und ähnliches.

Die Rückrunde (2. Hauptperiode):

Im Endeffekt ist dies das gleiche wie bei der Hinrunde.

Die Übergangsperiode:

Die Spieler gehen in den wohlverdienten Urlaub. Spieler sollen sich auskurieren und dann in freier Arbeit oder durch Hausübungen sich selbst bis Trainingsbeginn einigermaßen fithalten.

Tabelle der Periodisierung aus Bisanz' Buch, Seite 61

Tabelle der Periodisierung aus Bisanz‘ Buch, Seite 61

Zu diesen jeweiligen Perioden gibt es bei Bisanz natürlich auch einige Empfehlungen und Trainingsübungen. Doch wie wir schon im Verlauf der letzten Artikeln zu diesem Thema gesehen haben, lässt sich nicht nur eine Saison periodisieren, sondern auch die langfristige Spielerentwicklung. Wieder sehen wir uns die Konzeption des DFB dazu an.

Periodisierung der Jugendausbildung

Bisanz unterteilt die Jugendausbildung in eine zehnjährige Ausbildungsphase. Begonnen wird dabei bei den Bambinis (U7, G-Junioren) und geht dann bis zur U16-U18. Dabei wird das Training auf die Entwicklungsphasen der Kinder in drei Abschnitte unterteilt.

Abschnitt 1: Das Grundlagentraining

Der erste Abschnitt geht von den Bambini bis zur U10. Im Fokus liegt dabei Bewegungs- und Spielschulung, Motorik, Koordination, Entwicklung der Grundlagen und das Kennenlernen des Umgangs mit dem Ball. Insbesondere bei den Bambini geht es noch sehr stark um die Motorik, danach orientiert man sich schon stärker in Richtung individual- und sogar gruppentaktischen Handelns in der Endphase dieses Abschnitts.

Kernziele (sh. Seite 295):

• Spielfreude fördern (die Motivation zum Fußballspiel verstärken)

• Konditionelle, technische und spielgestaltende Grundlagen ausbilden

• Teamgeist, Partnerschaft und Wettkampffähigkeit anbahnen

• Persönlichkeitsentwicklung unterstützen

Abschnitt 2: Das Aufbautraining

Ab diesem Abschnitt geht es bis zum 14. Lebensjahr um die positionelle Ausbildung im 11 gegen 11, die technik-taktischen Fähigkeiten und deren Anwendung. Kernziele sind laut Bisanz (auf Seite 295):

• Verbesserung der physischen und psychischen Leistungsgrundlagen

• Ausformung des technischen Bewegungsrepertoires

• Erweiterung der taktischen Handlungsmöglichkeiten

Abschnitt 3: Das Leistungstraining

Ab 14 beginnt diese letzte Phase. In diesem Bereich geht es um die Perfektionierung des Fußballers, die Erweiterung seiner Möglichkeiten technischer und taktischer Natur sowie die Heranführung an den Erwachsenenfußball. Letzteres wird stärker im Zeitraum von 16 bis 18 Jahren praktiziert, besonders wenn eine Adaption an den Profibetrieb nötig wird.

Ebenfalls aus Bisanz Buch zu Fußball, Seite 294.

Ebenfalls aus Bisanz Buch zu Fußball, Seite 294.

Kernziele:

• Kopplung und Variation der konditionellen und technischen Leistungskomponenten unter Wettspielansprüchen

• Flexibles, situationsgerechtes und kreatives taktisches Spiel-Handeln nach dem Grundsatz der Effektivität

Diese drei Abschnitte basieren übrigens auf dem „Vier-Phasen-Modell“, welches wohl vom 3-Phasen-Modell des motorischen Lernens von Meindl und Schnabel abgeleitet wurde [1].

Bei diesem Modell der vier Phasen besteht die erste Phase aus der Fundamentalphase. Hier lernt man die Spielregeln und die Spielidee kennen, lernt Bewegungen und ihre Struktur. In der zweiten Phase, der Aufbau- und Formungsphase, werden diese Aspekte vertieft und detaillierter erfasst. Dazu kommen erste gruppen- und individualtaktische Aspekte. In der Festigungs- und Vervollkommnungsphase soll dies umgesetzt werden, es wird eine stärkere Leistungs- und Zielorientierung eingebracht, die bisher erlernten Fähigkeiten sollen gefestigt werden. In der Hochleistungs- und Perfektionsphase geht es um, tja, Hochleistung und Perfektion.

Bisanz formuliert dann auch die Lernziele, welche sich nach eigener Aussage auf die drei Bezugsebenen emotional-erlebnisorientiert, zweckrational-leistungsorientiert und sozial-interaktionsorientiert beziehen. Dazu gibt es dann auch viele Trainingsübungen, was wir in diesem Artikel aber nicht näher schildern möchten.

Stattdessen blicken wir kurz noch auf neuere Empfehlungen.

Der DFB in den letzten Jahren

Bisanz‘ Abschied fällt natürlich nicht mehr unter die neue Nachwuchskonzeption des DFB, welche ja schon Früchte getragen hat. Wir haben dazu schon eine der Änderungen diskutiert („U13-Reform: Sammer liegt goldrichtig“). Solche Änderungen gab es zuhauf, u.a. mit Veränderungen der Regeln, veränderten Vorgaben an die Trainer und natürlich auch Ermöglichung von mehr Spielformen im Vereinsleben und außerhalb. Der DFB hat nun auch eine detaillierte Periodisierung der Ausbildung.

DFB Ausbildungsstufen

DFB Ausbildungsstufen

Außerdem unterteilt der DFB das Spiel nun auch in seine Spielphasen, die lauten hier allerdings Angriff, Abwehr und Umschaltphasen.

Zusätzlich legt der DFB eine Entwicklung der Fähigkeiten in der Reihenfolge Individualtaktik, Gruppentaktik und Mannschaftstaktik nahe. Ansonsten gibt es nur wenige frei zugängliche Informationen, welche genauere Auskunft über die theoretischen Hintergründe geben.  Dazu sei aber auch gesagt, dass der DFB dies variabel sieht und den Vereinen bzw. den Trainern viele Freiheiten überlässt. Sie geben zum Beispiel in dieser PDF Eckpfeiler zur Saisonvorbereitung.

Ein Grundgerüst des Trainingsmodells gibt es hier:

DFB-Trainingsmodell

DFB-Trainingsmodell

Die präziseste und detailreichste zugängliche Präsentation des Nachwuchskonzepts findet sich hier und zeigt, dass der DFB sehr penibel auf einen breit gefächerten Ansatz achtet. Die jeweiligen Trainingsziele kann man dieser Grafik entnehmen:

Leistungsaufbauplan des DFB im Überblick

Leistungsaufbauplan des DFB im Überblick

Ob dieser jedoch innerhalb der Übungen zusammen trainiert wird, ist unklar. Klar hingegen ist jedoch, dass der DFB auch großen Wert auf Spielformen und viel Training mit Ball legt, wodurch es zumindest ansatzweise Überschneidungen zur taktischen Periodisierung und zum ganzheitlichen Ansatz nach Happel, Shankley und van Gaal geben sollte. Ein Konzept ist aber klar vorhanden, auch mit jeweiligen Gewichtungen des Inhalts und Leitlinien an die Trainer.

Ob diese jedoch innerhalb der Übungen zusammen trainiert werden ist unklar. Klar hingegen ist jedoch, dass der DFB auch großen Wert auf Spielformen und viel Training mit dem Ball legt, wodurch es zumindest ansatzweise Überschneidungen zur taktischen Periodisierung und zum ganzheitlichen Ansatz nach Ernst Happel, Bill Shankly und Louis van Gaal geben sollte. Ein Konzept ist aber klar vorhanden, auch mit jeweiligen Gewichtungen des Inhalts und Leitlinien an die Trainer.

Unser Leser TW hat mir hierzu auch einen schönen Link und weitere Informationen spendiert. So findet sich auf den Seiten der Nationalmannschaft unter dem Punkt „Trainieren wie wir“ durchaus Lesenswertes. Und im Buch von Reimöller & Voggenreiter „Erfolgreiches Angreifen“ gibt es 25 Seiten zum Taktiktraining (Seiten 50-75). Dort gibt es auch eine Schautafel zur Periodisierung der Offensivtaktischen Inhalte während der Jugendausbildung (S. 60,61). Diese basiert auf Brüggemanns „Fußballhandbuch Bd. 2: Kinder- und Jugendtraining“. Auf Seite 70 ist noch eine nette Grafik zum Taktiktraining in der Saisonphase, dieses Kreisdiagramm zeigt folgende Aspekte:

  • Spielanalyse des Trainers
  • Schwächen erkennen
  • Spielsituation reduzieren
  • Gewünschtes Verhalten, Alternativen, Entscheidungen in Übungen erlernen
  • Gewünschtes Verhalten, Alternativen, Entscheidungen stabilisieren
  • Trainiertes im Spiel anwenden

Bei der B-Lizenz besteht ein wichtiger Schwerpunkt darin, Fehler bzw. gewünschte Verhaltensweisen zu erkennen, Spielformen zu entwickeln und von der Komplexität im Training zu steigern.

Eine Ergänzung: Das Modell von Raymond Verheijen

Nach seiner Zeit bei den Bayern als Berater und Fitnesstrainer bei Teams wie Manchester United, Manchester City und dem FC Barcelona hat Verheijen auch Anklang beim DFB gefunden. Darum möchte ich kurz noch seine Periodisierungsweise erläutern, bei Interesse und falls ich ordentliche Recherche betreiben kann, werde ich mich eventuell näher mit Verheijen beschäftigen.

Der Niederländer spricht von einer „langsamen Periodisierung“ und einer stabilen Fitness durch lange Arbeitszeit an der Fitness. Verheijen spricht dabei auch davon, dass es vier Komponenten gibt: Technik, Taktik, Physis und Mentalität. Diese vier Komponenten sollen in Spielformen nach einem ganzheitlichen Ansatz trainiert werden. In gewisser Weise ist dies quasi die niederländische Version der taktischen Periodisierung, obgleich die Taktik nicht diesen alles überstrahlenden Stellenwert einnimmt.

Dafür hat Verheijen in puncto Physis noch etwas mehr Fokus. Er spricht davon, dass Spieler in Spielformen am besten trainieren, weil die Belastung wie beim Spiel ist und weil die Spieler in Spielformen sich mehr anstrengen und dadurch mehr ermüden. Außerdem sagt er, dass Fitness nicht in einigen Wochen trainiert wird, sondern über die gesamte Karriere hinweg stetig gesteigert werden soll. Eine gänzliche Überlastung des Körpers zu Saisonbeginn schade nur, stattdessen soll zu Beginn mit einer Heranführung begonnen werden, wobei das Niveau stetig gesteigert wird. Im Laufe der Saison wird dann die Intensität gesteigert und das Volumen gesenkt, danach wird es wieder umgekehrt und am Ende der Saison gibt es ein Ausklingen-lassen in den Urlaub.

Die Idee ist eben, dass Spieler gegen Saisonende „fitter“ sind, aber vermehrt Pausen brauchen.

Pro Woche gibt es insgesamt maximal eine Einheit reine Kondition; diese wird aber als „Fußballkondition“ bezeichnet und findet in einer Spielform mit Ball statt. Dies ist für Verheijen entscheidend, denn er unterscheidet vier konditionelle Fähigkeiten eines Fußballers: Maximale Explosivität, Erholung zwischen zwei Aktionen, Explosivitätsausdauer und Erholung zwischen zwei Aktionen zu Spielende.

Diese vier Aspekte werden durchgehend trainiert. Vielfach wird sein Konzept kritisch beäugt, aber er hatte u.a. mit Guus Hiddink und den sehr laufstarken Koreanern, Russen und Australiern große Erfolge. Und natürlich gibt es bei Verheijen auch Makro-, Meso-, Tages- und Mikrozyklen. Dazu gibt es dann positionsrelevante Trainingsarbeit (auch im physischen Sinne), die nach Analyse von zahlreichen Spielen, Aktionen, Zeitintervallen und Leistungsklassen zusammengestellt wurden. Training ohne Ball gibt es auch: Nach Spielen zur Regeneration.

Horst Allmann kritisierte Verheijens „langsame Periodisierung“ aber auch dahingehend, dass die These Fußballer seien zu Saisonende intensiver zu trainieren als zu Saisonbeginn nicht zweckdienlich sei. Allmann argumentiert – übrigens wie ich von ihm unabhängig – für eine wellenförmige anstatt einer klassischen Periodisierung.

Für alle Interessierten: Verheijen, der gerne über Trainer öffentlich lästert, kann übrigens auch auf seinem Profil bei Twitter gefolgt werden. Er hat auch eine eigene Internetseite für seine Firma.

Eine Zusammenfassung eines seiner Seminare gibt es hier.

Eine alternative Ergänzung: Das Modell von Horst Wein

Neben dem DFB bzw. Gero Bisanz gibt es noch einen weiteren Deutschen, der maßgeblich an der Konzeption eines breitflächigen Ausbildungsmodells ist. Sein Name ist Horst Wein und er arbeitet nicht für den deutschen, sondern für den spanischen Fußballbund.

Sein Entwicklungsmodell stellt er bei Youtube gleich selbst vor.

Ich habe noch zusätzlich kurz die Periodisierung in seinem Buch „Spielintelligenz im Fußball – kindgemäß trainieren“ zusammengefasst. Weins fünfstufiges Entwicklungsmodell basiert im Endeffekt auf einem ganzheitlichen Trainingsansatz mit sehr vielen Spielformen, welche entsprechend der Reihung von „Individualtaktik-Gruppentaktik-Mannschaftstaktik“ trainiert werden.

Zuerst werden in der Ballschule die individualtaktischen Fähigkeiten kurz trainiert, daraufhin wird mit zum Beispiel 3-gegen-3, 5-gegen-5, 8-gegen-8 die jeweilige Komplexität der Gruppentaktik erhöht, bis eine Simulation mannschaftstaktischer Aspekte erreicht wird. Innerhalb der jeweiligen Phase im fünfstufigen Entwicklungsmodell wird aber durch Variation der Regeln die Komplexität erhöht.

Periodisierung in der Jugend nach Horst Wein

Periodisierung in der Jugend nach Horst Wein

Dies entspricht in gewisser Weise dem Vorgehen des Coerver-Modells, wobei es hier deutlich stärker um implizites Lernen geht, wo der Spieler auch taktisch deutlich fokussierter und früher ausgebildet wird. Außerdem sollen die Spieler in ihrer Spielintelligenz ausgebildet werden; ein Aspekt, der beim Coerver-Training etwas zu kurz kommt.

Übrigens: Der DFB geht einen ähnlichen Weg wie Horst Wein seit den Reformen, aber Wein legt einen noch größeren Fokus auf Spielintelligenz und Spaß beim Spiel., Dafür periodisiert er in gewisser Weise nur die Regeln und Art der Spielformen.

Für alle Interessierten: Horst Weins Seminar kann man hier wohl kostengünstig bestellen. Ein kleines P.S.: Die Seite  des werten Herrn Hasenpflug Abwehrkette.de ist ebenfalls sehr interessant.

Fazit

Fazit

Das Konzept des DFB in der Jugendarbeit scheint sehr gut zu sein, es wirkt sehr gut strukturiert, lässt Freiheiten, aber konzentriert sich dennoch auf einen hohen Ballfokus, Spielformen und eine adäquate altersgerechte Entwicklung. In der Periodisierung über die Saison selbst findet man aber kaum etwas. Es scheint zwar, dass Raymond Verheijen hier einige Anstöße gegeben hat, u.a. mit einer Intensivierung der Mesozyklen in der Wochenmitte, hoher Intensität und schnellen Erholungsphasen, 6-Wochen-Zyklen und bestimmten Raumdimensionen zur Kontrolle durch einen Spieler (50m² pro Spieler), wirklich Nennenswertes findet man aber leider nicht frei zugänglich.

Es können lediglich die Zeitschrift Fußballtraining und die Bücher der DFB-Trainer als kostenpflichtige Informationsquellen genannt werden.

Bisanz argumentiert im Prinzip übrigens auch für eine eher klassische Periodisierung, wobei obiges loses Konzept leider nicht wirklich als ernstzunehmende Periodisierung im Saisonverlauf bezeichnet werden kann.

Maik Halemaier schrieb übrigens in dieser Zeitschrift „fussball training“ über eine Art Blockperiodisierung der Inhalte und teilte diese in drei Praxisblöcke ein. Dies ist ein weiteres Indiz, dass der DFB hier freie Hand für zahlreiche Meinungen lässt; das empfinde ich als durchaus positiv.

 

Literaturverzeichnis:

Meinel, K. & Schnabel,G. (1998). Bewegungslehre – Sportmotorik, Seiten 160-194. Berlin: Sportverlag.

Bisanz, G. & Gerrisch, G. (2010). Fußball: Kondition, Technik, Taktik und Coaching.

 

Bücher des DFB:

Peter, R. & Barez, A. (2012): Verteidigen mit System: Von der Spielanalyse zur Trainingsform. 

Reimöller, D. & Voggenreiter, T. (2006). Erfolgreiches Angreifen: Moderne Spielsysteme – vom Spielaufbau bis zum Torerfolg.

Fabi 22. Juli 2015 um 14:22

Wo seht ihr denn noch Schwächen bzw. Verbesserungsmöglichkeiten im Konzept des DFB?

Antworten

vangaalsnase 22. Juli 2015 um 15:36

Die Konzeption des DFB ist eigentlich ok, aber die Umsetzung ist unsauber bis widersprüchlich. Der DFB sagt zwar immer, dass er im Kindesalter den Spaß am Spiel und ein breites Bewegungslernen ermöglichen will (was unbedingt zu empfehlen ist); tatsächlich aber wird bei den Kindern eingeschliffen, was das Zeug hält. Es wird wenig gespielt, aber viel in simplen Formen geübt. Außerdem werden beim DFB Technik und Taktik ziemlich getrennt voneinander betrachtet.

Das nächste Problem ist die zu langsame Reaktion auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Bspw. wird zu wenig Rücksicht darauf genommen, welchen Einfluss die Hirnentwicklung auf das Lernen nimmt. Dahingehend hat es im vergangenen Jahrzehnt sehr viele Erkenntnisse gegeben, die weitestgehend am DFB vorbeigegangen sind (hervorzuheben sind die Herrschaften Jean Cote, Joseph Baker, Bruce Abernethy und Daniel Memmert).
In diesem Zusammenhang ist es auch fatal vom „goldenen Lernalter“ zu sprechen. Das gibt es per se nicht. Man ist in jedem Alter lernfähig. Allerdings ändert sich je nach Alter die Art und Weise, wie sich bestimmte Aspekte ausbilden lassen. Dafür haben Cote/Baker/Abernethy Mitte des letzten Jahrzehnts ein Modell abgeleitet („Practice and play in the development of sport expertise“; einfach googeln), was Memmert in den letzten 7 Jahren in zahlreichen Studien überwiegend bestätigen konnte. So wie der DFB arbeitet, behindert er die Kreativitätsentwicklung bei Kindern.

Antworten

Pep 29. April 2015 um 16:05

Das Konzept von Verheijen ist komplett anders als dargestellt. Vorschlag: nochmal in Ruhe lesen. Übrigens betont er immer wieder, dass gerade Profisportler oft zu viel machen. Er ist für mehr Regeneration und Qualität im Training

Antworten

RM 29. April 2015 um 18:28

1) Der dargestellte Ansatz basiert noch auf Verheijens Buch aus den 90ern, der Artikel ist ja älter als Verheijens neues Buch.
2) Ich habe mit Verheijen gearbeitet, ich glaube, ich weiß, was er für einen Ansatz hat. Leider kann ich dadurch trotzdem nicht in die Zukunft sehen (sh. 1)).
3) Der dargestellte Ansatz ist trotzdem nicht grundlegend falsch, sondern nur in Einzelpunkten leicht angepasst.
4) Der dargestellte Ansatz widerspricht keineswegs dem ‚weniger trainieren mit mehr Qualität‘.

Antworten

AP 5. Januar 2014 um 20:53

Verheijens Kommentare zur Belastung in der PL sind ganz süffisant. Aber recht hat er.

Antworten

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