Taktische Periodisierung | Praxisbeispiel Marco Henselings

Der ganzheitliche Ansatz der „tactical periodization“.


Die Viertelfinalisten der UEFA Champions League Saison 2005/06 stellten insgesamt 51 Südamerikaner, was etwa einem Viertel aller Spieler der besten acht Teams entsprach. Von diesen 51 Südamerikanern stammten 27 aus Brasilien und 15 aus Argentinien. Insbesondere auf den hinteren Positionen, sowie im Zentrum wurden diese Spieler bevorzugt eingesetzt.[1] Denn südamerikanische Spieler sind regelmäßig überdurchschnittlich ballsicher und waren in Europa lange Zeit für die kreativen Elemente im Aufbauspiel verantwortlich. Diese Spielertypen auf den hinteren und zentralen Positionen sind nötig, um die technisch und taktisch anspruchsvollen Offensivkonzepte der Teams umzusetzen.

Während die Südamerikaner mit finalen Pässen und per Dribbling für die Angriffsaktionen verantwortlich zeichneten, galt es für die Europäer, sich in Zweikämpfen zu behaupten und für Balleroberungen zu sorgen. Die physischen und defensivtaktischen Aspekte waren hierbei dominant. Diese unterschiedlichen Arten, das Fußballspiel zu betreiben, haben ihren Ursprung nicht zuletzt in den ebenso unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Umständen von Europa und Südamerika und den sich daraus ergebenden Ausbildungsmöglichkeiten: In Südamerika wird auf Straßen, Hinterhöfen und am Strand teils barfuß und ohne übergeordnetes Konzept gespielt; wohingegen in Europa auf gepflegten Rasenplätzen und ebenen Hallenböden stets mit Schuhen und strikter Organisation trainiert wird.[2]

Durch das spätestens seit 2008 fortschreitende Bewusstsein über ein kontrolliertes Aufbauspiel setzte sich auch in Europa die Erkenntnis durch, Jugendspieler vermehrt technisch und taktisch derart auszubilden, dass sie sich situativ und kreativ in hohem Tempo und unter großem Druck behaupten können, um auf diese Weise das Spiel zu diktieren. Indem in Räumen und mit Bällen von unterschiedlichen Maßen und Qualitäten trainiert wird, werden an die Spieler ähnliche Anforderungen gestellt, wie sie auf den Straßen- und Sandplätzen in Südamerika herrschen.[3] Auch die Art des Coachens und Instruierens veränderte sich und erlaubte es den Spielern fortan, eigenständig und kreativ Lösungen für Situationen zu finden, die weniger einer strikten Organisation unterliegen – oder überhaupt unterliegen können – sondern eine solche vielmehr mit beeinflussen und unterstützen.

In Spanien wird seit einigen Jahrzehnten der Fokus auf wesentliche Elemente des kollektiven Pressings und des Kurzpassspiels gelegt, wobei es insbesondere die hinteren Spieler sind, von denen die ersten Impulse für einen konstruktiven Spielaufbau ausgehen. In Deutschland hat dahingehend spätestens nach der EM 2000 ein Umdenken stattgefunden. Fortan wurde auch hier zunehmend auf technische und taktische Aspekte geachtet, die nicht über „Kampf und Willen“ verbessert werden konnten, sondern innovativer Trainingsmodelle bedurften.

So waren es in der Spielzeit von 2011/12 schließlich nur noch 42 (27 aus Brasilien, 11 aus Argentinien) und 2012/13 lediglich noch 35 Akteure, die aus Südamerika kamen (16 aus Brasilien, 9 aus Argentinien). Die in diesem Zeitraum dominierenden Mannschaften des FC Bayern München, Real Madrid und Barcelona wurden/werden dabei im zentralen Mittelfeld von Europäern geprägt; um genau zu sein: von Spaniern (Xabi Alonso, Busquets, Martinez, Iniesta, Xavi) und Deutschen (Schweinsteiger, Khedira, Özil, Kroos, Müller).

I. Grundüberlegungen

Vorreiter für die neuen Methoden in der Trainingsarbeit waren – wie so häufig in der Geschichte des Fußballs – die Niederländer und die Iberer. Beeinflusst von Louis van Gaal und gestützt von den wissenschaftlichen Erkenntnissen des portugiesischen Sportprofessors Vitor Frade, nutzt Jose Mourinho die Methode der taktischen Periodisierung. Diese basiert auf dem von van Gaal gepredigten ganzheitlichen Ansatz, nach welchem die einzelnen Aspekte von Technik (Definition von Technik siehe: differenzieller Lehrmethode), Taktik (Definition von Strategie und Taktik siehe: Exkurs) und Kondition nicht getrennt voneinander trainiert werden, sondern simultan.[4] Unter Kondition werden physische Gesichtspunkte (Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination) sowie psychische Aspekte (Motivation und Mentalität) verstanden.[5]

Jede einzelne Spielsituation, die im Laufe einer Partie entstehen kann, erfordert eine Entscheidung (taktischer Aspekt), eine daran anschließende motorische Fertigkeit (technischer Aspekt), welche eine entsprechende Bewegung verlangt (physischer Aspekt), die wiederum durch eine bewusst gewollte Emotion gesteuert wird (psychischer Aspekt).[6] Aus dieser logischen Verknüpfung von Technik, Taktik und Kondition lässt sich schließen, dass kein Aspekt einzeln und losgelöst trainiert wird oder überhaupt trainiert werden kann. Alle drei sind untrennbar miteinander verbunden, was in der Trainingspraxis adäquat berücksichtigt werden muss.

Vorab gilt es, eine Strategie festzulegen, aus welcher sich die einzelnen Anforderungen für Technik, Taktik und Kondition ergeben. Van Gaal und Mourinho erfassen dafür zunächst vier Spielmomente: den gegnerischen Ballbesitz (Defensive), den eigenen (Offensive) und die Übergangsphasen bzw. Umschaltmomente von Defensive auf Offensive und umgekehrt.[7]

Die vier Spielphasen

Die vier Spielphasen

Jeder Moment kann auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt oder gelöst werden; je nach strategischer Vorgabe. Es können zum Beispiel die grundsätzliche Höhe und Intensität des Pressings, sowie Orientierung hinsichtlich Ball, Raum und Gegner bei der Deckung während des gegnerischen Ballbesitzes variiert werden. In der Offensive wird regelmäßig entweder ein Positions- oder ein Vertikalspiel genutzt. Beim Umschalten von Offensive auf Defensive wird entweder direkt ins Gegenpressing gegangen oder sich sofort nach hinten orientiert. All diese Möglichkeiten, die einzelnen Spielmomente zu lösen oder umzusetzen, erfordern jeweils eigene technische, taktische und konditionelle Elemente.

So wird sich etwa im Umschaltspiel schneller bewegt; Pässe und Laufwege sind überwiegend vertikal ausgerichtet, was neben besonderen technischen Anforderungen auch konditionelle Folgen hat, weil intensiver Gelaufen wird. Im Positionsspiel hingegen sind die Bewegungen regelmäßig langsamer, der Ball wird in alle Richtungen rotiert, wodurch das Spielfeld insgesamt besser wahrgenommen und überblickt werden kann, während die technische Umsetzung des Passspiels grundsätzlich einfacher ist als beim Konter oder Vertikalspiel. Die Folge ist zwar ein vorerst weniger druckvolles, dafür aber kontrollierteres Spiel als das beim schnellen Umschalten der Fall ist.

II. Vermittlung der Lerninhalte

Da das Lehren und Lernen von Technik, Taktik und Kondition zeitgleich erfolgen soll, muss zwangsläufig spielnah trainiert werden. Der Ball ist dabei (fast) ständig im Einsatz. Um einen gewissen Spielstil bzw. eine Strategie zu vermitteln (z.B. schnelles Umschaltspiel; Abwehrpressing), werden im Training für den jeweiligen Stil typische Situationen extrahiert und inhaltlich verschärft, die von sich aus die erforderlichen technischen, taktischen und konditionellen Verhaltensweisen provozieren.

Die Lösung einzelner Spielsituationen kann sehr unterschiedlich ausfallen; je nach Strategie: Hat etwa ein zentraler Mittelfeldspieler (ZM) den Ball und blickt in Richtung des aus seiner Sicht anzugreifenden Tores, kann er von der Abwehr des Gegners entweder frontal unter Druck gesetzt werden, sodass ein Ballgewinn forciert wird; oder der vor ihm stehende Abwehrblock schiebt sich (ohne Druck zu erzeugen) enger zusammen und verengt das Zentrum derart, dass der ZM den Ball nach außen spielen muss, wo der Ball leichter unter Druck gesetzt werden kann. Jede dieser beiden Handlungsmöglichkeiten der Abwehr erfordert eigene Verhaltensweisen aller Spieler, die gemeinsam, einheitlich, geradlinig und konsequent umgesetzt werden müssen, um letztlich erfolgreich zu sein. Um dieses zwingend einheitliche (taktische) Verhalten des Kollektivs zu gewährleisten, gibt die Strategie den Rahmen vor.

In der Trainingspraxis kann und soll demnach weniger mit expliziten Erklärungen – etwa an der Taktiktafel – gearbeitet werden, als vielmehr in spielnaher Situationsorientierung. Denn an der Taktiktafel kann zum einen die enorme Anzahl an möglichen Situationslösungen nur schwer vermittelt werden; zum anderen können auch die psychischen Aspekte, sich emotional auf eine Spielsituation einzustellen, kaum an der Taktiktafel gelehrt und erarbeitet werden.

Damit all diese Aspekte tatsächlich umgesetzt werden können, gibt es unter anderem die Möglichkeit, die taktische Periodisierung mit der differenziellen Lehrmethode und dem impliziten Lernen zu verbinden.

1. Differenzielle Lernmethode

Jede Sportart zeichnet sich durch bestimmte Bewegungen bzw. Bewegungsabläufe zur Vornahme disziplinspezifischer Handlungen aus, um Situationen aufzulösen. Diese Bewegungen sollen durch Technik- und Koordinationstraining verbessert werden, sodass der Sportler die nötigen Handlungen technisch korrekt ausführt. Je besser die Technik des Athleten ist, desto größer wird der Erfolg, auch im Hinblick auf die Umsetzung der Taktik, sein.[8]

Unter der Technik versteht man ausgebildete motorische Fähig- oder Fertigkeiten, die zur richtigen Ausübung einer Handlung unter bestimmten Bedingungen notwendig sind.[9] Mit der Technik in der Defensive sind Handlungen wie das Tackling, Abwehrfinten oder das Laufen und Abdrängen in Bezug auf den gegnerischen Ballführer gemeint. In der Offensive werden der Pass, das Dribbling, sowie die allgemeine Ballkontrolle unter dem Begriff der Technik verstanden.

Grundsätzlich ist eine gute Koordination und Beweglichkeit ausschlaggebend für die Technik. In Verbindung mit (taktischen) Erfahrungswerten werden so ökonomische Lauf- und Krafteinsätze bei Angriffs- und Abwehrhandlungen gewährleistet. Damit ist es von unschätzbarem Wert, das Techniktraining in spielnahen Übungsformen vorzunehmen, um so neben der Verbesserung der Technik auch die Erfahrungswerte zu erhöhen.

a) theoretische Vorüberlegungen

Zur Verbesserung der Technik gibt es zwei vorherrschende Lehrmethoden, die unter-schiedlichen Ansätzen folgen. Der differenzielle Lernansatz bildet das Gegenmodell zu der konservativen Trainingsmethode des motorischen Wiederholens; das sogenannte „Einschleifen“. Während es beim ständigen motorischen Wiederholen darum geht, ein bestimmtes technisches Bewegungsideal ohne Fehler anzutrainieren, kommt es beim differenziellen Lernansatz insbesondere zu einer Neubewertung ebenjener Bewegungsfehler (Schwankungen). Diese Fehler, die nach traditionellen Trainingsmethoden zu vermeiden sind, werden beim differenziellen Lernansatz bewusst in den Trainingsprozess integriert.

Der differenzielle Lernansatz folgt dabei zwei Grundideen: Bewegungen unterliegen ständigen Schwankungen und können nicht (exakt) wiederholt werden. Darüber hinaus sind Bewegungen individuell bzw. personenspezifisch, was bedeutet, dass sich niemand auf die gleiche Weise bewegt wie ein anderer Mensch.

Bei traditionellen Lernmethoden hingegen wird eine schrittweise Annäherung an ein vorgegebenes Ziel durch entsprechend hohe Wiederholungszahlen mit ständigem Soll-Ist-Vergleich angestrebt. Dabei soll die Abweichung vom Ideal nach und nach verringert werden, bis die Zieltechnik erreicht ist. Diese angestrebte Zieltechnik muss jedoch im Fußball in Bezug auf die ständig wechselnden Anforderungen von Raum-, Gegner- und Zeitdruck, sowie äußerer Umstände (Bsp.: Wetter, Platzverhältnisse) angepasst werden und lässt ferner die individuelle Motorik außer Acht, sodass die Anwendung der reinen Zieltechnik nur selten oder nie stattfindet.

Zwar werden gute Bewegungsleistungen zweifellos mit sämtlichen Lern- und Trainingsansätzen erzielt. Entscheidende Unterschiede ergeben sich aber in Bezug auf die Dauer, bis das Ziel erreicht wird – die so genannte Lernrate (Lernfortschritt pro Zeit) – und die Dauer, über die das Gelernte behalten wird. Ausschließliches Wiederholen enthält dabei immerhin ein Mindestmaß an Verbesserungen, dafür jedoch auch auf die Dauer nur eine relativ geringe Lernrate und nur einen stark begrenzten Zeitraum, in dem das Gelernte weiterhin im Gedächtnis bleibt. Sowohl die Verbesserungen als auch die Lernraten nehmen laut bisherigen Studien beim differenziellen Lernen zu.[10]

Durch das ständige Konfrontieren mit unterschiedlichen Aufgaben (Differenzen) soll die Fähigkeit, sich an neue Situationen im Bereich des Lösungsraums schneller adäquat zu reagieren, erlernt werden. Bei der differenziellen Lernmethode handelt es sich demnach um einen Ansatz, der die Adaptionsfähigkeit auf sämtlichen Ebenen von Technik, aber auch Taktik und Kondition in ganzheitlicher Form ausbildet und fördert.

Der Zielbereich der jeweiligen Technik wird bei der differenziellen Lernmethode also nicht mehr als eng und stabil betrachtet, sondern als weiter Lösungsraum, innerhalb dessen sich die optimale Lösung in jeder Situation ändert und niemals wiederholt. Durch den differenziellen Lernansatz wird auch der Randbereich des Lösungsraums abgetastet, was dazu führt, dass mehrere Aspekte von technisch-taktischen Bereichen automatisch (mit)geübt werden. Somit wird nicht die theoretisch optimale und konkrete Lösung (Idealtechnik) geübt und „gegen Lösungen anderer Bewegungsgegenstände stabil gemacht“, sondern ein möglicher Lösungsraum umkreist, der es dann erlaubt, die auf jeden Fall neue und situativ optimale Lösung auszuführen.[11]

Ferner muss man davon ausgehen, dass eine reine Befolgung der klassischen Lehr- und Lernmodelle weniger zu Neuerungen in den technischen Aspekten des jeweiligen Sports führen (Bsp.: Die Technik des Flops löst die „Schere“ beim Hochspringen ab), weil man eben kaum oder gar nicht vom Schema abweicht. Da immer ein allgemeingültiger Soll-Zustand angestrebt wird, findet vom strikten Weg dorthin keine Abweichung statt, sodass auch keine neuen – und möglicherweise besseren – Lösungsansätze gesucht werden. Innovative Neuerungen sind in der Bewegungslehre jedoch häufig dann erfolgt, wenn die Athleten sich eben nicht an die klassischen Lernmodelle gehalten haben.

b) praktische Anwendung

In Torschussübungen können dem Schützen unterschiedliche Vorgaben gemacht werden, die bewusste Fehler/Schwankungen in den Bewegungsabläufen bedeuten sollen. Dabei werden sechs Kategorien zur Erzeugung von Schwankungen erfasst:

1. Anlauf: Sidesteps, Anfersen, Kniehebelauf, Hopserlauf, Zick-Zack, Schlusssprung (mit Koordinations-/Konditionsformen verbinden)

2. Situation: Ball ruht, Ball rollt (von vorne entgegen, von der Seite herein), Ball wird gedribbelt, Gegnerdruck (Gegner läuft von der Seite ein, greift frontal an), Ball springt

3. Standbein: vor oder hinter dem Ball, Fußspitze zeigt nach innen oder außen, auf Ballen oder Ferse stehen

4. Oberkörper: Armhaltung (nach oben, unten, vorne, hinten, zur Seite gestreckt; kreisend; Kombination), Kopfhaltung (zur Seite geneigt), Oberkörperlage (bei hohen Schüssen Oberkörper nach vorne beugen & umgekehrt)

5. Schussbein: Ausholbewegung nach hinten außen, gestrecktes Kniegelenk, nach Schuss sofort abstoppen, nur zur Hälfte ausholen

6. Zusatz: ein Auge schließen, Blinzeln, Trefferzone am Tor vorgeben

Keine Vorgabe soll wiederholt werden, sondern kommt nur einmal vor.

Schwankungen können darüber hinaus auch und vor allem in Spielformen erzeugt werden. In solchen herrscht stets Gegnerdruck, der dafür sorgt, dass die theoretische Idealtechnik praktisch nicht umgesetzt werden kann. Es werden also spielnahe Schwankungen erzeugt, die zu einer entsprechend spielnahen und -relevanten Technik führen. Zu diesen gemäß dem differenziellen Lernansatz die Technik beeinflussenden Faktoren gesellt sich eine automatische, zum Teil unbewusste Auseinandersetzung mit den taktischen Gegebenheiten und Erfordernissen des Spiels, wodurch eine simultane Förderung von Technik und Taktik stattfindet. Die zuvor erwähnten Erfahrungswerte werden auf diese Weise mittrainiert.

2. implizites Lernen

Einst sprach Konfuzius: „Erkläre es mir und ich werde es vergessen. Zeige es mir und ich werde mich (vielleicht) erinnern. Lass es mich selber tun und ich werde es verstehen.“ Diesem Leitgedanken folgt das implizite Lernen.

Unter implizitem Lernen wird die unbewusste oder spielerische Aneignung von Fertigkeiten und Wissen beim Ausüben einer Tätigkeit verstanden. Das Lernen findet dabei in Situationen statt, in denen Strukturen einer komplexen Reizumgebung verarbeitet und aufgefasst werden, ohne dass dies vom Lernenden notwendigerweise bewusst wahrgenommen oder beabsichtigt wird. Das daraus resultierende Wissen ist schwer zu verbalisieren.[12]

Dem impliziten Lernen steht das explizite Lernen gegenüber. Dieses erfolgt durch bewusste Aufnahme von Informationen; regelmäßig verbal.

Um Spielern eine Spielidee, eine bestimmte Strategie oder taktische Elemente zu vermitteln, reicht es nicht, sie theoretisch und explizit zu instruieren. Die Praxis ist zu komplex, als dass jede Situation einzeln erfasst und verbal (z.B. an der Taktiktafel) ausgewertet werden könnte. Zudem obliegt die jeweilige Lösung von einzelnen Spielsituationen auch stets den technischen Fertigkeiten der Spieler, sodass dieser Aspekt zeitgleich mit der taktischen Komponente trainiert werden muss. Die Spieler sollen dazu im Training einer großen Anzahl an Spielsituationen ausgesetzt werden, um entsprechende Probleme und Herausforderungen praxisnah zu lösen. Dabei obliegt es dem Trainer, die Umstände und Parameter der einzelnen Übungs- und Spielformen derart zu beeinflussen, dass die gewünschte Strategie und die situative Umsetzung der Taktiken und der dafür notwendigen Techniken von den Spielern verinnerlicht werden. Dies sollte im Optimalfall überwiegend praktisch durch implizites Lernen der Spieler stattfinden, wobei nur punktuell gecoacht, also explizit korrigiert wird.

a) allgemeine Variationen

Gibt man etwa den kontrahierenden Trainingsmannschaften in einer Spielform vor, sie sollen 10 Sekunden nach Ballgewinn zum Torabschluss kommen, wird damit das schnelle Spiel in die Spitze, sowie das schnelle Umschalten beider Teams forciert. Das konternde Team wird dadurch in Situationen „gezwungen“, in denen es vorwiegend vertikale Pässe spielen muss. Solche haben ein schlechteres Blickfeld des Ballempfängers und eine schwierigere Passverarbeitung zur Folge, weshalb er vorab sein Umfeld wahrnehmen muss. Erforderlich ist zudem ein hohes Tempo, sodass auch die konditionellen Komponenten des schnellen Umschaltspiels trainiert werden. Ein höheres Tempo führt ferner zu einer schwierigeren Ballbehandlung, was gemäß dem differenziellen Lernansatz Schwankungen zur Folge hat, die sich direkt auf die Technik auswirken. Auf diese Weise werden die für Kontersituationen typischen technischen, taktischen und konditionellen Anforderungen geschult.

Die Begrenzung der Anzahl individueller Ballkontakte in den Spielformen soll das Passspiel forcieren, weil die Spieler ohne Ball zwingend dazu angehalten sind, Lösungen schneller anzubieten, während der Spieler in Ballbesitz in die Lage versetzt wird, Lösungen schneller zu finden. Die Änderung der Anzahl an individuellen Ballkontakten beeinflusst demnach das allgemeine Passspiel hinsichtlich Taktik (Anbieten zum Ball, Wahrnehmen von Passoptionen) und Technik (Ausführung des Passes).

Die veränderbare Begrenzung der Spielfeldgröße beeinflusst die Spielintensität. So kann etwa der Ball in kleinen bzw. engen Feldern schneller unter Druck gesetzt werden. Das hat starke Auswirkungen auf die Kondition im Hinblick auf die Beweglichkeit und Koordination. Auch das Zweikampfverhalten erfährt hier eine besondere Wichtigkeit. All das hat natürlich eine Schulung der allgemeinen Technik zur Folge, weil die jeweiligen Anforderungen in engen Räumen höher als gewöhnlich sind. In größeren Räumen spielt eine kluge Raumbewertung und -aufteilung eine große Rolle, um einerseits in Ballnähe den Raum zu verengen; gleichzeitig darf andernorts kein nutzbarer Freiraum für den Gegner entstehen.

Neben der Größe kann auch die Qualität des Spielfeldes (Halle, Natur- oder Kunstrasen, Sand, Asche), und/oder die Größe und Qualität der Bälle verändert werden. Bälle der Größe 4 oder Futsalbälle sind kleiner und weisen jeweils ein anderes Gewicht und Sprungverhalten auf als gewöhnliche Fußbälle der Größe 5, sodass die Spieler sich bei der Ballführung umstellen müssen. Unterschiedliche Qualität von Bällen und Spielfeldern wirkt sich direkt auf die allgemeine Technik aus.

Kombiniert man mehrere Vorgaben miteinander, entsteht ein hochkomplexes und kompliziertes Spielreglement, welches auch die Konzentration der Akteure fordert und fördert und so vor allem Auswirkungen auf die psychischen Aspekte der Kondition hat.

b) spezielle Variationen

Um entsprechend der vorgegebenen Strategie die passenden Umstände zu schaffen, muss der Trainer ein hohes Maß an taktischem Verständnis aufweisen, um die gewünschten und notwendigen Zielsetzungen umsetzen zu können. Will man ein schnelles Spiel in die Spitze erreichen, wäre es demnach falsch, wenn alle Spieler der ballbesitzenden Mannschaft vor Torabschluss den Ball berühren sollen. Bevorzugt man hingegen einen kontrollierten Spielaufbau mit vielen Pässen, empfiehlt sich eine solche Vorgabe.

Aufbau der Periodisierung der Taktik

Aufbau der Periodisierung der Taktik

Den angestrebten Spielstil bzw. die angestrebte Strategie zu vermitteln, stellt sich ergo als überaus komplexes Unterfangen dar, weil zahllose Elemente berücksichtigt werden müssen, die man an der Taktiktafel unmöglich abhandeln kann, sodass die Spieler sie verinnerlichen. Darum werden die einzelnen Spielelemente extrahiert, welche wiederum in kleinere Partikel aufgeteilt werden. Diese Elemente und Partikel werden in der praktischen Trainingsarbeit geschult.

Gibt man für den Moment des Umschaltens von Offensive auf Defensive die Maßgabe vor, sich nicht nach hinten zu orientieren, sondern gleich ins Gegenpressing zu gehen, werden zunächst die logischen Verhaltensweisen und Ziele zur Umsetzung desselben erfasst. Diese sind das kompakte Organisieren zwischen dem Ball und dem eigenen Tor, sowie das Zwingen des gegnerischen Ballführers, das Spielgerät nach hinten passen zu müssen. Dazu haben sich sämtliche Spieler gedanklich darauf einzustimmen, an der Verteidigung und der Ballrückeroberung teilzunehmen. Um sich kompakt hinter dem Ball zu organisieren, muss sich entsprechend im ballnahen Raum orientiert und kommuniziert werden, damit keine freien Räume für den Gegner offen sind.[13]

Der Zweck dieser Aufteilung der Strategie und ihrer zielführenden Zwischenschritte ist es, die komplexen Situationen für die Spieler gedanklich zu vereinfachen. Somit kann auf die einzelnen Elemente im Training gesondert und detailliert eingegangen werden. Dabei erfahren die jeweiligen Aspekte je nach gewollter Strategie unterschiedliche Gewichtungen (Wird ein ausgeprägtes Passspiel bevorzugt, werden Dribblings vernachlässigt). Im Ergebnis werden die einzelnen Puzzleteile wieder zusammengeführt und ergeben den ursprünglich angestrebten Spielstil.

aa) Vertikalspiel

Das schnelle Umschaltspiel von Defensive auf Offensive erfordert beispielsweise vertikale Pässe und ein hohes Lauftempo, sowohl mit als auch ohne Ball am Fuß. Die 10-Sekunden-Regel sorgt für die Vermittlung dieser beiden taktischen Zwischenziele, weil schnell Richtung gegnerisches Tor gespielt werden muss, um innerhalb des engen Zeitfensters zum Abschluss zu kommen. Strebt man also ein schnelles Umschalten an, muss der Fokus auf ein geradliniges Angriffsspiel gelegt werden. Rückpässe zur Ballsicherung sind dafür hinderlich, weil sie dem Gegner die Gelegenheit geben, sich wieder neu zu ordnen, um so mögliche Freiräume zuzustellen. Diese Art der Sicherung nach Ballgewinn sollte demnach im Training vernachlässigt werden, wenn man Konter vermitteln will.

bb) Ballbesitzspiel

Die Strategie, den eigenen Ballbesitz mittels eines ausgiebigen Kurzpassspiels zu sichern und den Ball kontrolliert vorzutragen, erfordert die taktischen Zwischenziele der Bildung von Dreiecken, sowie kurze individuelle Ballbesitzzeiten. Dadurch wird der Ball schnell und flüssig in den eigenen Reihen rotiert, wodurch es dem Gegner erschwert wird, diesen zu erobern. Als Schritte zu diesen Zwischenzielen sind Geduld und innere Ruhe sowie die (schnelle) Wahrnehmung über die Position der eigenen Mitspieler wesentliche Faktoren.

Für die Umsetzung dieser taktischen Inhalte ist es grundsätzlich ratsam, Spielformen ohne Tore zu wählen. Denn so gibt es keine feste Richtung, in die der Ball vorgetragen werden muss. Das schnelle Spiel in die Spitze weicht der ausgiebigen Ballrotation, wodurch etwa die 10-Sekunden-Regel wegfällt. Stattdessen muss primär der Ball gesichert werden, wobei sämtliche Richtungen zu nutzen sind. Weil ein Kurzpassspiel technisch anspruchsvoll ist, empfehlen sich enge Spielfelder, um hohe Schwankungen durch ständigen Gegnerdruck zu erzeugen.

Um nach all diesen Aspekten zu trainieren, empfiehlt sich grundsätzlich das sogenannte „el Rondo“. Bei dieser Form stehen (mindestens) drei Spieler in Ballbesitz in einem Dreieck und passen sich den Ball zu, während ein defensiver Spieler in der Mitte versucht, den Ball zu erobern. Hat er das geschafft, wechselt er zum offensiven Team und derjenige, der den Ball verloren hat, geht in die Mitte und muss nun selbst den Ball erobern. Diese Spielform geht auch im 4-gegen-1, 4-gegen-2, 5-gegen-2 und so weiter:

Mögliche Rondo-Varianten

Mögliche Rondo-Varianten

Dabei kann auch ein zusätzlicher Spieler der offensiven Mannschaft in die Mitte gestellt werden, um zwischen den Verteidigern eine zusätzliche Anspielmöglichkeit zu schaffen:

Variante mit zusätzlichem Spieler in der Mitte

Variante mit zusätzlichem Spieler in der Mitte

Das „el Rondo“ ist ein reines Positionsspiel, in dem es darauf ankommt, in einem stark abgegrenzten Raum den Ball gegen einen zahlenmäßig unterlegenen Gegner durch kurze schnelle Pässe in unterschiedliche Richtungen zu sichern. Es vermittelt also das Prinzip der eigenen Überzahl in Ballnähe, um so den Ball zirkulieren lassen und ihn vor dem Gegner behaupten zu können. Das Bilden von Kurzpassdreiecken ist für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Positionsspiels unerlässlich.

Während das el Rondo in vielen unterklassigen Vereinen nur eine Alternativübung ist, um die Intensität des Trainings zu mildern, stellt es für den FC Barcelona und den Trainer Pep Guardiola eine Art Leitmotiv dar, um die Grundprinzipien des Kurzpassspiels zu üben. Dabei nutzen Barca und Guardiola zahlreiche Variationen des el Rondo, um immer wieder neue Schwankungen zu erzeugen.

Eine der möglichen Variationen ist das Spiel in sechs Zonen (in einem 30m x 20m-Feld). Es spielen zwei Teams zu circa je 6-8 Spielern gegeneinander.

Sechs-Zonen-Spiel

Sechs-Zonen-Spiel

Das Ziel ist, möglichst viele Zonen zu bespielen. Werden z.B. vier Zonen bespielt, erhält das jeweilige Team einen Punkt. Wurde ein Punkt erzielt, geht das Spiel ohne Unterbrechung weiter.

Dass eine Zone „bespielt“ ist, bedeutet, dass sich zwei Spieler derselben Mannschaft in einer Zone den Ball mindestens einmal zugepasst haben. Ein Pass von einer Zone in die Nächste zählt hingegen nicht als „bespielt“! Es dürfen höchstens drei Spieler der ballführenden Mannschaft zeitgleich in der Ballzone stehen. Von der defensiven Mannschaft dürfen höchstens zwei Spieler in der Ballzone agieren. Stehen mehr als drei Spieler der offensiven oder mehr als zwei Spieler der defensiven Mannschaft in der jeweiligen Ballzone, erhält die jeweils andere Mannschaft einen Punkt.

Die Ballzone stellt einen geschlossenen Raum dar, in welchem höchstens 5 Spieler (3 offensive + 2 defensive) zugleich stehen dürfen. Dies müssen sich die Spieler bewusst machen, um nicht in Hektik zu verfallen. Denn der ballnahe Raum wird regelmäßig sehr eng wirken. Dabei ist aber nicht der Raum entscheidend, sondern lediglich die Zone, in der der Ball ist. Eine ruhige Spielweise ist daher unabdingbar. Die Spieler müssen sich gegenseitig coachen und genau beobachten, wo die Mitspieler stehen, um nicht zu viele Spieler in der Ballzone zu haben. Trotzdem muss darauf geachtet werden, dass stets genügend Spieler in Ballnähe sind, damit die ballnahen Zonen jederzeit optimal besetzt werden können. So hat die jeweils offensive Mannschaft stets die Möglichkeit, schnell eine eigene Überzahl in der Ballzone herzustellen.

Mit dieser Übungsform kann das Kurzpassspiel stark forciert werden. Es wird auf sehr engem Raum agiert, in welchem permanent großer Gegnerdruck herrscht, was gemäß der diff. LM Schwankungen erzeugt und so zu Fortschritten hinsichtlich der Technik führt. Der enge Raum führt nach dem impliziten Lernen dazu, dass die Spieler schnellstmöglich Passoptionen für den Ballführer anbieten müssen, während dieser die eigenen Mitspieler in Hilfestellung schnell wahrnehmen muss. Weil nur eine begrenzte Anzahl von Spielern derselben Mannschaft zugleich in der jeweiligen Ballzone sein darf, erfährt die Position der eigenen Mitspieler eine besondere Aufmerksamkeit. Dies sind allesamt Grundvoraussetzungen, um Dreiecke optimal zu bilden.

3. Zusammenfassung

Das vom Trainer gesteuerte Entdecken des Fußballspiels in situationsorientierten Spielformen ist nach momentanen Erkenntnissen die bestmögliche Lehrweise. Mit ihr stimuliert und führt der Trainer die Spieler durch offene und geschlossene Fragen zur Lösung eines bestimmten Problems. Er gibt ihnen konkludent zu verstehen, dass der Fußball im Kopf beginnen muss, bevor die Aktion auf dem Spielfeld mit dem Fuß beendet wird. Damit wird der Spieler zum Hauptdarsteller des Lern- und Lehrprozesses, während früher der Coach als Lehrautorität im Mittelpunkt des Trainings stand. Um spezifische Fragen stellen zu können, die die Spieler beantworten müssen, sollten Trainer von jeder vereinfachten Spielform die Lern- und Lehrziele für die einzelnen Spielmomente kennen und diese systematisch abarbeiten.

Die taktische Periodisierung gibt dafür den methodischen Rahmen vor: Die komplexen Strategien und Taktiken werden systematisch in die einzelnen Elemente aufgeteilt und entsprechend in spielnahen Übungsformen detailliert trainiert. Denn insbesondere in Spielformen können die Anforderungen und Rahmenbedingungen derart variiert werden, dass vielfältige Schwankungen provoziert werden, wodurch eine große Lernrate, sowie ein großes Lernpotenzial für Technik, Taktik und Kondition entstehen. Taktische Zielsetzungen erfordern eigene technische Voraussetzungen, die durch Provokation spezieller Schwankungen trainiert werden können.

Durch die differenzielle Lehrmethode in Verbindung mit dem impliziten Lernen werden neben den Vorteilen im Hinblick auf die Verbesserung der technisch-taktischen Fähigkeiten auch strukturelle, motivationale und inhaltliche Vorzüge erreicht:

1.)    Abwechslungsreicheres Üben und Trainieren

2.)    Ökonomisierung des Lern- und Übungsprozesses

3.)    Erhöhung der Übungs- und Trainingsqualität

4.)    Ergänzungsmöglichkeiten zu traditionellen Trainingsansätzen

5.)    ggf. bieten sich zunächst Kombinationsformen von traditionellen und system-dynamischen Ansätzen an

Jede Variation der Parameter oder Umstände in den Trainingsspielformen hat zur Folge, dass sich die Spieler auch (teilweise unbewusst) gedanklich mit dem Spiel auseinandersetzen müssen, weil sie neue und spezifische Lösungen finden müssen. Technik und Taktik stehen dabei stets in einem nicht zu trennenden Zusammenhang. Dieser Lernprozess wird überwiegend ohne explizite, also intellektuell-theoretische Vorgaben vollzogen.

In heutigen Lehrmethoden ist der Spieler also nicht mehr bloß Ausführender der Anweisungen seines Trainers. Dieser regt seine Spieler stattdessen dauernd zum Denken an, damit sie lernen, selbst richtige Entscheidungen zu treffen. Auf diese Weise wird der Spieler unabhängiger von den Hinweisen seines Trainers. Klassische Lehrmethoden haben regelmäßig einen schnellen gedächtnisbedingten Abfall der Leistung auf das ursprüngliche Ausgangsniveau zur Folge. Anstatt also Instruktionen zu geben, die schnell vergessen werden, erlaubt der Trainer den Spielern, eigene Erfahrungen zu sammeln, die dadurch stärker im Langzeitgedächtnis gespeichert werden.

III. Periodisierung

Die Trainingsarbeit richtet sich nicht nur nach den für die Strategie erforderlichen technisch-taktischen Inhalten, sondern auch nach der Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die konditionellen Aspekte von Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit. Im Verlauf einer Saison und innerhalb einer Trainingswoche sind die körperlichen Voraussetzungen der Spieler niemals gleich, sondern schwanken stetig. Durch Periodisierung der Trainingsinhalte und -intensität soll den Spielern ausreichend Gelegenheit gegeben werden, sich zu erholen, um im Wettkampf höchstmögliche Leistung erbringen zu können.

1. wöchentliche Periodisierung der Kondition

Ausgehend von einem Spiel und 3-4 Trainingseinheiten pro Woche werden drei Trainingseinheiten dazu genutzt, die konditionellen Elemente (intensiv) zu fördern. Mindestens zwei Tage werden der (zum Teil aktiven) Erholung gewidmet. Diese Erholung erfolgt jeweils direkt vor und nach dem Spiel. Ist also das wöchentliche Wettkampfspiel an einem Samstag, findet am Sonntag grundsätzlich kein Training statt. Am Tag vor dem Spiel (hier: Freitag) sollte – sofern überhaupt trainiert wird – die Intensität allenfalls niedrig gehalten werden.

Für die Tage Dienstag, Mittwoch und Donnerstag hat das zur Folge, dass intensiv trainiert wird, wobei die drei physischen Aspekten der Kondition besondere Aufmerksamkeit erfahren. So wird etwa am Dientag die Kraft in den Fokus gestellt, Mittwoch die Ausdauer und am Donnerstag schließlich die Schnelligkeit. Während die technisch-taktischen Inhalte je nach Notwendigkeit und Fähigkeit der Mannschaft variieren, bleibt die Fokussierung der einzelnen konditionellen Elemente zumindest in der Wettkampfphase der Saison stets gleich.

2. saisonale Periodisierung der Kondition

Nicht nur innerhalb einer Trainingswoche wird periodisiert, sondern auch im gesamten Saisonverlauf. In der Vorbereitungsphase werden die konditionellen Grundlagen wieder aufgebaut, die in der Sommer- oder Winterpause verloren gegangen sind. Anschließend findet eine Übergangsphase statt, in der die Intensität zunehmend erhöht wird, um die Kondition auf das nötige Niveau für den Wettkampf zu bringen. Während der Wettkampfphase wird die Trainingsintensität möglichst gleichbleibend beibehalten. Denn durch das stark spielnah ausgerichtete Training und die zu berücksichtigen Erholungsphasen vor und nach dem Spiel, wird der Körper in einen einheitlichen Rhythmus gebracht, sodass kein großer Leistungsabfall droht.

3. Periodisierung der taktischen Inhalte

Auch die für die angestrebte Strategie notwendigen Taktiken und dazugehörigen Techniken werden periodisch geübt und gefestigt. Grundsätzlich sollte dem Verhalten im Moment des gegnerischen Ballbesitzes in der Saisonvorbereitung die erste Aufmerksamkeit gewidmet werden. Eine defensive Stabilität bildet das Grundgerüst eines kontrollierten Spiels, auf dem sich alle weiteren technischen und taktischen Zielsetzungen aufbauen lassen.

Ferner sollten in der Saisonvorbereitung die Grundlagen des gewollten Spielstils vermittelt werden, damit die Spieler die Ideen und Vorstellungen des Trainers kennenlernen und verstehen. Hier ist vor allem die jeweils psychische Komponente entscheidend, damit die Spieler instinktiv die gewollte Strategie anwenden. Ist dies gelungen, lassen sich die detaillierten taktischen Fortführungen auf dem Weg zur Gesamtstrategie leichter umsetzen.

In der Wettkampfphase richten sich die einzelnen zu erweiternden Aspekte von Technik und Taktik nach den Anforderungen bestimmter Gegner und nach den Erfordernissen der eigenen Mannschaft. Diese offenbaren sich in der Leistung des Teams in den jeweiligen Spielen. Damit findet in der Wettkampfphase – im Gegensatz zur Periodisierung der Kondition – eine Änderung der einzelnen taktischen Inhalte in Abhängigkeit der im Wettkampf gezeigten und erforderlichen Leistungen statt.

4. Zusammenfassung

Das Ziel der Periodisierung ist zum einen, in den Vorbereitungsphasen von Sommer und Winter ein wettkampfgeeignetes Niveau hinsichtlich Technik, Taktik und Kondition zu erlangen, um den gewünschten Spielstil zu erreichen. Das zweite Ziel der Periodisierung ist die Beibehaltung des wettkampfgeeigneten Niveaus. Während sich die technisch-taktischen Inhalte im Training nach den Fähigkeiten der Mannschaft richten, bleiben die konditionellen Inhalte und Intensitäten zumindest in der Wettkampfphase gleich, um die körperliche Verfassung der Spieler kontinuierlich beizubehalten.

IV. Fazit

Die taktische Periodisierung gibt zunächst vor, wie die technisch-taktischen Inhalte des Fußballs nach dem ganzheitlichen Prinzip derart vermittelt werden können, dass daraus die angestrebte Spielstrategie erwächst. Zum anderen werden die einzelnen Inhalte je nach Gewichtung und Relevanz im saisonalen Trainingsverlauf periodisiert, damit die Spieler ein wettkampfgerechtes Level erreichen und es schließlich auch beibehalten können.

Der Spielstil bzw. die Strategie gibt die technisch-taktischen Inhalte vor, wobei in der Saisonvorbereitung zunächst die Defensive im Fokus steht. Von einer gesicherten Abwehr lassen sich die übrigen Zwischenschritte der einzelnen Spielmomente angehen, die auf dem Weg zur Erreichung der Gesamtstrategie notwendig sind. Jeder relevante Zwischenschritt muss dafür extrahiert und spezifisch geübt werden, wobei ferner hohe Schwankungen erzeugt werden, um neben den taktischen Aspekten auch die technischen Anforderungen zu trainieren.

Jedes einzelne Element wird in seine (gedanklichen) Einzelteile zerlegt und zielgerichtet angegangen. Dem Zufall wird mit aller Kraft entgegengewirkt, wobei die Fähigkeiten der Spieler und der Mannschaft stets der Richtwert für die Trainingsarbeit sind. Aus all dem folgt, dass keine Mittel genutzt werden, die die Spieler (noch) nicht meistern können (Bsp.: Kontermannschaft soll fortan auf Ballbesitz spielen) oder ihnen schaden würden (Bsp.: Straftraining nach verlorenem Spiel).

Exkurs: Strategie & Taktik im Hinblick auf Planung und Umsetzung

In Diskussionen um Taktik und Strategie kommt es immer wieder zu Missverständnissen, deren Ursache vor allem im unterschiedlichen Verständnis dieser beiden Begriffe liegen. Daher ist es unabdingbar, dass beide Termini korrekt und – zumindest im Kern – einheitlich verstanden werden.

Bei der Taktik handelt es sich um alle organisierten Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, die Spielziele situationsorientiert zu erreichen. Die Situationsorientierung bezieht sich auf die durch den Gegner beeinflussten Umstände von Raum- und Zeitdruck während des Spiels.

Die Strategie ist die grundsätzliche langfristige Verhaltensweise, die ohne Berücksichtigung des Gegnerverhaltens vorgegeben wird. Anstelle von Strategie können auch die Begriffe (Spiel-)Stil, Ausrichtung oder Plan verwendet werden.

Der polnische Schachgroßmeister Savielly Tartakower (1887-1956) formulierte den Unterschied folgendermaßen: „Der Taktiker muss wissen, was er zu tun hat, wenn es etwas zu tun gibt; der Stratege muss wissen, was er zu tun hat, wenn es nichts zu tun gibt.

So wäre etwa das Ziel, bei eigenem Ballbesitz möglichst schnell zum Abschluss zu kommen, die Strategie. Die Mittel zur Umsetzung dieser Strategie (z.B. vertikale Pässe) stellen die Taktik dar.

Kein Plan überlebt die erste Feindberührung.“ Dieses Zitat vom preußischen Generalfeldmarschall und Chef des Generalstabes, Helmuth Karl Bernhard von Moltke, verdeutlicht, in wie fern Strategie und Taktik zusammenhängen. Den – um im Militärjargon zu verbleiben – Unterführern (als solche sind die Spieler unbedingt anzusehen) wird weitgehende Handlungsfreiheit in der Durchführung des Kampfauftrages gewährt. Sie haben vor Ort den direkten Überblick über die gegenwärtige Situation und sind demnach besser imstande, adäquat zu reagieren, als es der (voraus)planende Oberführer (Trainer) von Außen vermag.

Denn damit ein Plan überhaupt gelingen kann, muss sich entsprechend den technischen Möglichkeiten auf die jeweilige Situation, die maßgeblich vom Gegner/Feind beeinflusst wird, eingestellt werden. Im Plan können nämlich unmöglich alle in Frage kommenden Kon-stellationen vorab berücksichtigt werden, weshalb es das beste Mittel ist, die Spieler derart auszubilden, dass sie zum selbständigen Finden von Lösungen in der Lage sind. Dafür müssen sie verstehen – nicht verbalisieren – können, mit welchen technisch-taktischen Mitteln der Plan umzusetzen ist.

__________________________________

 Literaturverzeichnis

 Lehrbücher:

Bisanz, Gero / Gerisch, Gunnar; Fußball – Kondition, Technik, Taktik und Coaching; 1. neubearbeitete Auflage; Aachen: Meyer & Meyer Verlag; 2008

Doucet, Claude; Fußball – Taktik perfektionieren: 250 Spiele und Übungen; 1. Auflage; Leer: onLi Verlag – bfp Versand; 2006

Hollmann, Wildor / Hettinger, Theodor; Sportmedizin – Grundlagen für Arbeit, Training und Präventivmedizin; 4. Auflage; Stuttgart: Schattauer Verlag; 2000

Kiesel, Andrea / Koch, Iring; Lernen – Grundlagen der Lernpsychologie; 1. Auflage; Wiesbaden: Springer VS; 2012

van Gaal, Louis / Heukels, Robert; Louis van Gaal – Vision; 1. Auflage; Dresden: Visiesport GmbH; 2010

Aufsätze:

Delgado-Bordonau, Juan Luis / Mendez-Villanueva, Alberto; Tactical Periodization: Mourinho’s best-kept secret?; Soccer Journal; May/June 2012, S. 28-34

Pircher, Manuel; Der systemdynamische Ansatz – Differentielles Lernen im Fußball; 2007

Schöllhorn, Wolfgang; Differenzielles Lehren und Lernen von Bewegung – Durch veränderte Annahmen zu neuen Konsequenzen; Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft; Band 144, 2005; S. 125-135

[1] UEFA Champions League, Technischer Bericht – 2005/06, S. 61.

[2] Vgl.: Pircher, Der systemdynamische Ansatz, S. 3.

[3] Pircher, Der systemdynamische Ansatz, S. 3 f.

[4] van Gaal/Heukels, Louis van Gaal – Biographie & Vision, S. 32 f.

[5] Hollmann/Hettinger, Sportmedizin, S. 117.

[6] Delgado-Bordonau/Mendez-Villanueva Soccer Journal 2012, 28.

[7] van Gaal/Heukels, Louis van Gaal – Biographie & Vision, S. 34 f.

[8] Bisanz/Gerisch, Fußball, S. 317; Doucet, Fußball-Taktik perfektionieren, S. 219.

[9] Hohmann/Lames/Letzfelder, Einführung in die Trainingswissenschaft.

[10] Schöllhorn dvs 2005, 125, 130 ff.

[11] Schöllhorn dvs 2005, 125, 129.

[12] Kiesel/Koch, Lernen, S. 84.

[13] Delgado-Bordonau/Mendez-Villanueva Soccer Journal 2012, 28, 31.

 

Marco ist bei Spox.com  unter dem Usernamen „vangaalsnase“ aktiv, wo er  in seinem Profil viele hochinteressante Artikel zu Taktik- und Trainingstheorie gepostet hat, denen wir uns erst noch widmen werden. Spielverlagerung dankt für diesen tollen Gastbeitrag!

CC 7. Januar 2014 um 00:07

Periodisierung ist seit Jahren Teil der Sportwissenschaft mit der Hoffnung, durch einen klein wenig besser geplantes Training einen gewissen Vorsprung vor den anderen Mitbewerbern zu haben. Sie hatte auch im Rahmen meines Sportstudiums an der DSHS Koeln als eigenständiges Seminar ihren Anteil. Wenn man nun andere Sportarten zum Beispiel die Leichtathletik in der es einen oder zwei klare Saisonhöhepunkte gibt ( in den USA Ausscheidungskämpfe und dann WM oder Olympia) an denen die Saisonbestleistungen (SB) erbracht werden muss betrachtet und die tatsächlichen SB über die Saison betrachtet wird schnell deutlich, dass diese Periodisierung etweder sehr schwer ist oder überbewertet. Denn die SB ist über den Saisonverlauf zufällig verteilt wenn man die Ergebnisse betrachtet. Dies wird in etlichen Hausarbeiten deutlich, die die Studenten jedes Jahr anfertigen müssen. Das es trotzdem in nahezu allen Sportarten im höheren Leistungsbereich als Trainingsplanung angewand wird zeigt, dass entweder doch etwas dran ist oder ganz einfach Alternativen fehlen nach denen das Training strukturiert werden kann.

Ich habe mir nicht alle Artikel zu diesem Thema hier durchgelesen und kann daher nichts zu ihnen sage. Vielleicht wiederhole ich so einiges aber Wiederholung ist schließlich auch eines der wichtigesten Trainingsprinzipien.

“The importance of repetition until automaticity cannot be overstated. Repetition is the key to learning.” nach John Wooden

Antworten

Arevalorios 5. Januar 2014 um 00:26

Hallo Marco,

ich war vor einiger Zeit auf der Suche nach Rondos und bin dadurch auf die beiden Artikel bei spox.com gestoßen.
Die Inhalte dieser Artikel wurden trotz DFB-Ausbildung zur Grundlage meiner Trainingsphilosophie, die mein Jugendteam zu ungeahnten Erfolgen in einer Freundschaftsliga mit den besten NLZ aus 3 Bundesländern geführt hat.
In der Sport-Uni wurde das differenzielle Lernen kontrovers diskutiert und sogar als sehr fragwürdig dargestellt. Dennoch überzeugt es mich nach wie vor, da das bevorzugte Trainieren in Spielformen (Rondos oder auch Mini-Fußball) ganzheitlich und sowohl für Spieler als auch Trainer deutlich interessanter ist!
Ich freue mich, dass Deine Artikel den Weg zu der kompetentesten fußballtheoretischen Seite der Welt gefunden haben 🙂

Antworten

MH 6. Januar 2014 um 17:21

Ich habe mich nie so richtig mit der DFB-Ausbildung auseinandergesetzt. Ich bin autodidakt und habe für mich getestet, wie ich meine Vorstellungen am besten vermitteln kann. Zunächst hatte ich probiert, strategische und taktische Inhalte (mein erstes Ziel war die Einführung der Viererkette) an der Taktiktafel, mittels Videoanalysen und Trockenübungen zu vermitteln. Aber das hat zum einen die Spieler gelangweilt und sie zweitens trotz vorhandenen Lernwillens nicht wirklich weitergebracht.

Dann habe ich mal eine einfache 2-2-Spielform (mit Abseitsregel) gemacht. Auf einmal haben es die Spieler verstanden und das ohne viel Gerede. Etwa zur gleichen Zeit stieß ich auf die differenzielle Lernmethode. Fortan dachte ich mir nur noch Spielformen aus und erfuhr, dass Barca sehr viel mittels des el Rondo trainiert. Das habe ich ausprobiert und hatte großen Erfolg damit.

Ich kenne zwar die Bedenken gegen die diff. LM, kann sie aber nicht teilen. Es mag sein, dass sie für Leichtathleten, die eigentlich die immergleichen Bewegungsabläufe absolvieren, nicht sonderlich ertragreich ist. In Ball- und Spielsportarten, in denen es permanent zu neuen Situationen kommt, ist die diff. LM der (nachweislich) beste Weg, um das technische Vermögen den taktischen Anforderungen angemessen zu schulen.
Man schlägt unzählige Fliegen mit einer Klappe.

Antworten

AP 6. Januar 2014 um 19:27

Marco,

1. Deine Spox Beiträge sind Top. Habe mir die vor 2 Jahren schon reingezogen. Dank RM‘ s tipp damals. Praktiziere auch die differenzielle Lernmethode, durfte mich mal mir Arno Michels darüber austauschen. Die 05er haben das ja irgendwo vor Jahren groß gemacht. AM meinte nur, wer Nachteile sucht wird immer welche finden.
2. Du sprichst von der 2 gg 2 Spielform. Hast du die Übung bei Spox näher erläutert? Mich würde die Durchführung im Detail interessieren.

Antworten

MH 6. Januar 2014 um 21:00

Vielen Dank für das Kompliment.

Die 2-gegen-2-Spielform habe ich hier abgehandelt: http://www.spox.com/myspox/group-blogdetail/0,168691.html. Ist eigentlich eine total einfache Übung. Aber Sie hat den Nachteil, dass das Passspiel keine Rolle spielt. Dadurch gewinnt regelmäßig diejenige Mannschaft, die weniger Ballbesitz hat. Sollte man als Trainer einen Spielstil anstreben, der auf Ballbesitz und Kurzpassspiel beruht, wäre diese Übung kaum geeignet.

Viel besser eignen sich Unterzahlspiele. Die sind auch im besagten Link zu finden. Da kann man die Prinzipien der Raumdeckung noch besser vermitteln als im 2-gegen-2, weil die defensive Mannschaft in Unterzahl unmöglich in Manndeckung gehen kann.

Antworten

Ancalagon 4. Januar 2014 um 22:12

Danke für den super Artikel, schade dass diese Serie hier so vergleichsweise wenig Anklang findet bzw. zumindest wenig kommentiert wird. Ich werd mir dann jetzt gleich mal dein Spoxprofil durchschauen.

Antworten

king_cesc 5. Januar 2014 um 12:29

Ich kann nur von mir sagen, dass ich zwar bis jetzt nicht kommentiert habe, aber dennoch begeistert von der Serie bin.
Weiter so!

Antworten

TW 5. Januar 2014 um 18:27

Auch von mir totale Unterstützung. Ich würde mich über viel mehr solcher Artikel freuen! Das Konzept von Marco Henseling ist toller Anfang. Wie großartig wäre es, wenn hier bald mal in den Kommentaren anstatt Trainer-Gebashe konkrete Spielformen zur Abstellung von spezifischen Schwächen der Bundesliagamannschaften vorgestellt würden 😀 – konstruktiver geht es nicht.

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu MH Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*