Türchen 11: Lars Stindl

Über Spieler, die falsch gesehen werden, zu diskutieren ist ein weiträumiges Feld, da man wohl zu jedem Spieler irgendeinen Beobachter findet, der ihn falsch sieht. In diesem Türchen interpretieren wir unser Thema mal etwas ausgefallener. Wir nehmen uns einen Spieler vor, der sich selbst womöglich etwas falsch sieht.

Lars Stindl und der Weg des Schweinsteigers

Gemeint ist Lars Stindl von Hannover 96. Ein Spieler, der von den meisten wohl recht passend bezüglich seiner Fähigkeiten eingeschätzt wird und wurde: Gute Technik im Dribbling und Flankenspiel, äußerst zuverlässig im Pressing, potentiell torgefährlich, aber selten mit der ganz großen Durchschlagskraft, auch weil ihm etwas die Geschwindigkeit für die Flügelposition abgeht.

Mit diesem Profil ähnelt er dem jungen Bastian Schweinsteiger und geht in den letzten Monaten einen ähnlichen Weg wie der Vizekapitän der deutschen Nationalmannschaft: Vom rechten Flügel geht’s nach hinten auf die Sechs. Dort kann er seine Laufstärke, Passgenauigkeit und Übersicht stärker einbringen und hat sich zu einem Schlüsselspieler bei Hannover entwickelt.

Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass sein Passspiel noch nicht so verteilend ist wie das von Schweinsteiger. Während dieser im raumgreifenden Ballbesitzfußball von van Gaal umgeschult wurde, ist Stindl der Antreiber einer wesentlich lineareren Mannschaft. Damit einhergehend ruft er seine Fähigkeiten nicht so strategisch ab, wie ihm das seine Übersicht und sein Strukturgefühl wohl erlauben würden.

Passverteiler ist nicht gleich Spielmacher

Seiner Entscheidungsfindung merkt man an, dass sich Stindl nicht wirklich als Spielmacher sieht. Sein Spielcharakter ähnelt auf der Sechs noch sehr stark seiner Präsenz auf dem Flügel: Er verteilt die Bälle attackierend in die vorgegebene Spielrichtung, aber er leitet das Spiel selten um. Er agiert oft innerhalb seines Sichtfeldes und seine hohe Passreichweite nutzt er hauptsächlich zum Spiel in die Offensive, anstatt die Bälle auch horizontal strukturierend zu verteilen.

Stindl Ballverarbeitung

(grüner Pfeil hypothetische Bewegung, roter Pfeil tatsächliche Bewegung)
Gegen Hertha erhält Stindl einen Einwurf und wird vom herausrückenden Berliner unter Druck gesetzt. Anstatt sich mit der Annahme in den Raum (blau) zu drehen und die Überzahl im Zentrum zu bespielen , geht er auf Nummer sicher und geht in die enge Situation zum Flügel, wo Hannover fast zwangsweise hängen bleibt. Lars, das kannst du doch besser!

Dass er das Spiel machen kann, deutet er immer wieder an. Die Art und Weise wie er die Bälle nach vorne spielt, zeigt dass er die richtige Übersicht dafür hat und sehr raumgreifend spielen kann. Wenn man ihn zu komplexen Entscheidungen zwingt, bereiten sie ihm kaum Probleme. Er sucht sie allerdings nicht, sondern limitiert sich auf klarere, risikofreiere Situationen. Auch bei der Befreiung aus gegnerischen Drucksituationen wählt er eher Sicherheitsbewegungen in abgesicherte Positionen auf Außen, anstatt seine technischen Fähigkeiten dafür einzusetzen, sich effektiv aus der Enge zu lösen und strategisch wertvollere Freiräume im Zentrum anzusteuern.

Er sieht also trotz seiner spielmachenden Anlagen eher als Passspieler für die Situation, der eher eingebunden werden muss, als dass er seine Mitspieler einbindet. Eine Gegenthese dazu ist übrigens Granit Xhaka. Der ehemalige Zehner versucht bei Borussia Mönchengladbach sehr raumgreifend und antreibend zu agieren, wählt dabei aber öfter den falschen Rhythmus und versucht in Drucksituationen immer wieder mehr als seine Fähigkeiten zulassen. Wenn Xhaka und Stindl die Interpretation ihrer Rollen tauschen würden, könnten beide wohl effektiver agieren.

Strategische Rollenvielfalt

Damit einhergehend könnte Stindl auch in seiner Positionierung noch deutlich mehr Einfluss auf das Spiel seiner Mannschaft nehmen. Momentan ist er auf ein relativ lineares Bewegungsmuster festgelegt. Er bewegt sich auf seiner Position in recht kleinem Radius und bricht zuweilen box-to-box-artig nach vorne aus. Als rechter Sechser tendiert er auch immer wieder zu seiner alten Position, bleibt dabei aber recht konstant und eindimensional. Das wird seinem Gefühl für Struktur nicht ganz gerecht, welches er innerhalb seiner Läufe immer wieder zeigt:

Sowohl vom Flügel als auch auf der Sechserposition hat er ein sehr gutes Gefühl dafür, wann und wo sich Instabilität in der gegnerischen Defensive entwickelt. Seine Vorstöße in diese Schwachpunkte sind sehr druckvoll und gut getimet, was wohl ein eher übersehener Aspekt seiner Spielweise ist. Er tritt dabei nicht so oft in Erscheinung wie andere Spieler, da er eher die gegnerische Struktur „auseinander drückt“ und seinen Mitspielern Freiheiten gewährt, sich aber kleinräumig nicht zwingend ballfordernd verhält.

Dennoch zeigen seine Bewegungen ein gutes Gespür für die strukturellen Zusammenhänge, die er mit einer präsenteren Grundeinstellung viel stärker bespielen könnte. Er wäre wohl in der Lage Schweinsteigers vielleicht außergewöhnlichste Stärke auf eigene Weise zu adaptieren: Die strategische Anpassung der eigenen Rolle an die Spielsituation. Mit flexibleren Abkippbewegungen, antreibenden Bewegungen auf die Flügel oder konstanterer Präsenz im offensiven Mittelfeld passen diverse Positionsinterpretationen gut in sein Fähigkeitsprofil.

Eine Mannschaft mit einem stärkeren, flexibleren Ballbesitzfokus als Hannover würde ihm diesbezüglich wohl helfen. Doch auch innerhalb des Slomka’schen Fußballs könnte Stindl noch mehr Präsenz und Dominanz entwickeln, als er bisher zeigt. Mal sehen, was er aus diesem Potential noch macht.

archie 27. März 2015 um 12:44

Da passt der Kommentar über Lars Stindl ja zum jetztigen Zeitpunkt wie die Faust aufs Auge! Nach Ihrer Aussage wären ja dann Stindl und Xhaka das optimal funktionierende Duo!! Mir soll es recht sein! Es gibt nur eine Borussia!! 🙂

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Em Es 27. März 2015 um 13:07

Eine Mannschaft mit einem stärkeren, flexibleren Ballbesitzfokus als Hannover würde ihm diesbezüglich wohl helfen.

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Agnar 27. Dezember 2013 um 01:42

mk, das habe ich auch gehört ^^. Er meinte auch noch, dass man ihn klonen müsse und dass er überall spielen kann, nur im Tor, da wäre er wohl nicht so gut. Hehe, musste auch lachen. Stindl ist ein klasse Spieler mit viel Potential. Hoffentlich kann er das unter einem neuen Trainer auch abrufen. Es war ja viel Chaos in den letzten eineinhalb Jahren unter Slomka. Davor lief unter Slomka ja alles Prima und da liefs auch mit Stindl prima, und mit Schlaudraff und Co. Ich würde gerne mal wissen was mit Slomka los war, warum er so neben sich stand und warum er es nicht geschafft hat die Unruhe von den Spielern wegzulenken. Dass er scheinbar wenig kommunizierte war wohl auch nicht hilfreich. Naja wie auch immer war und ist ein toller Trainer. Stindl könnte unter einem neuen Trainer wieder aufblühen. Aber vielleicht kam er auch einfach nur mit der Kapitänsrolle und den vielen Positionswechseln nicht klar? Wobei, eigentlich kann ich das auch nciht glauben, da die ganze Mannschaft neben sich stand. Außer ein Hustzi, Zieler, Prib und Sakai vielleicht.

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Tzaduk 12. Dezember 2013 um 12:38

Hoffentlich liest der gute Lars SV… Ich sehe ihn auch deutlich falsch beim „kleinen“ HSV. Genau wie Rausch, der ja jetzt auch den Wechsel gemacht hat, ist Stindls Perspektive imho deutlich größer als bei den 96ern zu bleiben. Er müsste nur den Kopp hochnehmen und sich umschauen – aber das gelingt ihm ja auch auf dem Spielfeld nicht so richtig 😀

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AlexF 12. Dezember 2013 um 11:26

Ich glaube, Stindl ist auch ein unterschätzter Spieler, da er mit Hannover nicht so im Fokus steht. Viele haben ihn eher unter ferner liefen auf dem Zettel.

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fewepe 11. Dezember 2013 um 19:45

krass – hatte ihn bisher absolut nicht auf dem zettel, wie komplett h96 😀 werd demnächst mal hannover gucken und drauf achten.

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blub 11. Dezember 2013 um 19:13

Wäre Stindl nicht ein sehr guter Partner für jemanden wie Baier, einer der mehr das strategische Moment bedient und dazu absichert, während Stindl sich dazu passen bewegt, was er ja sehr gut kann.
Wenn quasi die Richtung festgelegt ist ist er ziehmlich gut darin die kombination durchzuspielen.

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AP 11. Dezember 2013 um 19:25

Ja, Baier dann auch zum BVB oder wie 🙂

Stindl, als Benderersatz, neben Sahin, der den Spielmacher gibt und wie du schon schreibst, ab die Waldfee in eine Richtung. Eher Dortmund, oder evtl Gladbach als Augsburg. Eher zum CL Kandidaten statt EL 🙂

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AP 11. Dezember 2013 um 17:48

Schmiedebach auch interessant von H96. Stindl zum BVB? Würde er da nicht super reinpassen?

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mk 11. Dezember 2013 um 15:25

„Elfmal Lars Stindl und du wirst deutscher Meister“
(Irgendeiner von Sky)

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MR 11. Dezember 2013 um 15:29

Nice!

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