FSV Mainz 05 – Eintracht Frankfurt 1:0

Nach der Niederlage gegen den FC Augsburg empfing Mainz nun einen weiteren direkten Konkurrenten im Kampf um das obere Tabellenmittelfeld, nämlich Eintracht Frankfurt. Beide Trainer sind Freunde von konstruktivem Offensivfußball und intensiver Arbeit gegen den Ball, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten, was zu einer interessanten Partie führte. Dabei hatten die Gäste zuerst deutlich mehr Spielanteile.

Mainz ohne Zugriff und Frankfurts tiefe Ballzirkulation

Geht man von den medialen Mannschaftsprofilen aus, dann hätte man sich das Spielgeschehen schon vor der Partie ausmalen können: Frankfurt ließ den Ball laufen, dominierte das Spiel auch in Mainz, während diese sich auf eine kompakte Formation, intensives Pressing innerhalb der eigenen Formation und im Mittelfeld sowie Konterfußball beschränkten. Allerdings war dieser Rhythmus keineswegs von beiden Mannschaften freiwillig gewählt.

Grundformationen zu Beginn

Grundformationen zu Beginn

Zumindest bei den Mainzern war erkennbar, dass sie eher höher hätten pressen wollen, aber nicht dazu kamen; auch Tuchels Gestik unterstützt diese Beobachtung. Doch seien Stürmer konnten nur selten Zugriff auf die Innenverteidiger der Eintracht herstellen, da diese immer große Abstände auf Okazaki und Zimling hielten. Russ und Bamba Anderson standen weit weg von den Mainzer Stürmern, schoben sich die Bälle zu und wurden durch den abkippenden Sechser unterstützt.

Meistens war es Flum, der sich zurückfallen ließ und sich zwischen die beiden Innenverteidiger bewegte. Im Verbund mit diesen Bewegungen, Kevin Trapps Unterstützung als Anspielstation und den großen Abständen zum Mainzer Sturm konnte Frankfurt den Ball lange zirkulieren lassen. In der Anfangsphase resultierten daraus allerdings nur schnelle Flügelangriffe über die hohen Außenverteidiger und lange Bälle in die Spitze, die zumeist zu Ballverlusten und vereinzelt sogar zu Mainzer Konter führten.

Nach der Anfangsphase wurden die Frankfurter aber variabler im Aufbauspiel und konnten sich dadurch auch verstärkt nach vorne kombinieren sowie die Höhe ihrer Ballzirkulation verbessern. Rode bewegte sich zwischen den Halbräumen vor der gegnerischen Mittelfeldkette und war sehr aktiv und die Außenstürmer schoben immer wieder in die Halbräume. Gleichzeitig gingen die Außenstürmer etwas zurück, standen phasenweise auf Höhe der Außenverteidiger und konnten die Mittelfeldzonen überladen.

Mainz wurde dadurch in die Tiefe zurückgedrängt und hatte kaum Ballgewinne auf der gegnerischen Hälfte. Innerhalb der eigenen Formation waren sie aber nach wie vor sehr stabil, sehr aggressiv und zogen ein intensives Pressing auf, wodurch Frankfurt zwar die beiden Stürmer im Pressing überwinden konnte, aber weiterhin nicht in den Zwischenlinienraum kam.

Mainzer Konter gehen in der eigenen tiefen Positionierung unter – und Tuchel reagiert

In der Schlussphase der ersten Hälfte veränderte sich wieder etwas am Spielrhythmus. Tuchels Mannschaft hatte zuvor die Gefahr nach Kontern verloren, da sie durch die sehr tiefe Positionierung wegen des Frankfurter Spielaufbaus kaum noch nach vorne kamen. Ihre Konterversuche gingen in unsauberen Pässen, im Frankfurter Gegenpressing und in schlechter Raumnutzung unter. In der Schlussphase der ersten Hälfte wurden darum auch nicht mehr so extrem auf Schnellangriffe ausgerichtet, stattdessen ließ Mainz selbst den Ball zirkulieren.

Der Grund ist relativ einfach: Man lässt den Ball zirkulieren, erzielt Raumgewinn und positioniert sich in der gegnerischen Hälfte. Aus dieser Position können ebenfalls Angriffe versucht werden und bei Ballverlusten steht die eigene Mannschaft bereits höher, wodurch Gegenpressingballgewinne eher zu Kontererfolgen führen. Diese Veränderung im Spiel mit dem Ball wurde natürlich auch im Spiel gegen den Ball durchgezogen. Mainz presste nun höher und variabler, die Außenstürmer rückten aus der Mittelfeldkette nach außen und nach vorne und stellten Zugriff her, außerdem rückte die gesamte Mannschaft auf und presste nun früher und höher, wodurch Frankfurt wieder tiefer zurückweichen musste. Zuvor war nämlich Frankfurt die deutlich höher und aggressivere Mannschaft im Pressing gewesen, mit ihrem 4-4-1-1, vielen situativen Manndeckungen und intensivem Gegenpressing konnten sie Mainz immer wieder unter viel Druck setzen und waren die spielbestimmende Mannschaft – offensiv wie defensiv.

Nach der Halbzeit…

…verschärfte sich der Trend aus der ersten Halbzeit enorm. Mainz agierte jetzt noch eine Stufe weniger positionsorientiert, spielte in den Bändern der Formation in der Vertikale weiter auseinander und übernahm nun auch situative Mannorientierungen, wodurch beide Mannschaften sehr viel pressen mussten. Die Spieler bei Mainz hatten größere defensivere Aktionsradien, die Spieler rückten öfter aus ihrer Position heraus und mussten mehr Raum abdecken. Frankfurts defensive Spielweise blieb unverändert, aber offensiv hatten sie weniger Spielanteile, wodurch sie öfter in ihr aggressives und intensives Pressing übergehen mussten.

Diese Kulmination zweier extremer Pressingorientierungen führte zu einigen langen Bällen im Aufbauspiel auf beiden Seiten, riskanten Kurzpässen und zahlreichen Gegenpressingsituationen wie zweiten Bällen, was wiederum für eine sehr dynamische Partie im Mittelfeld sorgte. Frankfurt versuchte ein paar Mal im Aufbauspiel mit einer tiefen Torwartkette durch aufgefächerte und weit hinten positionierte Innenverteidiger das Mainzer Pressing auszuheben, meistens führte es aber nur zu einer hohen passiven Formation der Mainzer, die dann auf Pässe nach vorne warteten.

In Anbetracht dieser Umstände und der höheren Spieldynamik entwickelte sich in Halbzeit Zwei eine Pressingschlacht. Diese Veränderung des Rhythmus spielte aber klar Mainz in die Karten: Sie sind im Konterspiel dynamischer, können durch ihre Überlegenheit bei zweiten Bällen dank besserer Staffelung die meisten langen Bälle für sich gewinnen, stehen im Aufbauspiel nicht so enorm aufgefächert und riskieren wegen ihrer etwas pragmatischeren Ausrichtung im Spielaufbau zumeist weniger.

Die Schlussphase und die Früchte der Veränderungen

Mainz ergriff erstmals die Dominanz in dieser Partie, dezimierte den Ballbesitz Frankfurts und kam zu einigen Chancen. Tuchel veränderte auch als erster Trainer nicht die Intensität und Art der Bewegung der Spieler auf dem Platz, sondern auch das Personal. Mit Choupo-Moting und Shawn Parker für Zimling und Malli erhöhte er die offensive Durchschlagskraft, richtete seine offensive Zentraler strafraum- und abschlussorientierter aus, dazu wurden die Bewegungen der Außenspieler ebenfalls etwas mittiger ausgerichtet.

Armin Veh reagierte mit seinem Wechsel Rosenthal für Inui ähnlich und suchte noch das letzte Quäntchen Durchschlagskraft. Daraufhin wechselte abermals Tuchel und brachte den eigentlichen Defensivspieler Saller auf die Zehnerposition und schob Choupo-Moting auf den linken Flügel zurück, wodurch vermutlich das Gegenpressing in der Mitte, die Durchschlagskraft über einrückende Läufe der Außen und die Präsenz bei langen Bällen in die Spitze erhöht werden sollte.

In den letzten Minuten schien Frankfurt entweder die Luft auszugehen oder sie orientierten sich bewusst tiefer; es war nämlich die überaus tiefe und etwas passive Formation, die letztlich zu der hohen Position des herausragenden Pospechs, dem folgenden Flügelangriff und dem 1:0-Siegtor durch Choupo-Moting (über links eingerückt) führte.

Fazit

Ein überaus interessantes und schwierig zu analysierendes Spiel. Frankfurt presste in der Anfangsphase sehr hoch, übte viel Druck aus, was aber zulasten der Kompaktheit im Mittelfeld ging. Wirklich aufgefallen ist das aber erst in der zweiten Halbzeit, da Frankfurt zuvor den Ballbesitz zu deutlich dominierte und Mainz nur zu einigen Konterszenen kam.

Im Spielverlauf wurde die Partie aus taktischer Sicht immer hitziger und umkämpfter, in der zweiten Spielhälfte gab es fast nur noch Pressingsituationen und Gegenpressingszenen. Klar erkennbare taktische Anpassungen im Sinne von Formationsveränderungen, neuen Rollenverteilungen oder Spielzügen gab es nicht, dennoch war es ein an Veränderungen reichhaltiges Spiel, welches die Mainzer auch deswegen verdient gewannen.

Koom 10. November 2013 um 22:30

So 100% sicher bin ich mir nicht, ob 05 in der 1. Hz die Eintracht besser pressen wollte. Vielleicht war es auch der Plan, ein wenig Alibipressing zu machen, um die Eintracht kommen zu lassen und Platz für Konter zu haben. Die sehr direkte, zielstrebige Spielweise beim Umschalten (die ich bei Mainz so schon lange nicht mehr gesehen habe), spricht ein wenig für die These. Dadurch zwang man Frankfurt zum Arbeiten, Laufen und bei Ballverlust auch zum Rennen. Vermutlich war es ein Mischmasch aus meiner und eurer Annahme: Man hätte gerne besser gepresst, um mehr Ballgewinne zu erzielen, grundsätzlich wollte man die Eintracht schon ein wenig locken, ihr auf jeden Fall aber den Ballbesitz schenken.

Generell bin ich aus 05-Sicht aber wieder froh, eine klare, flotte Spielweise zu sehen. Das Spiel heute gefiel mir, weil man viel Kontrolle hatte, defensiv gut stand und stets gefährlich war. Das gerade Pospech der sonst oft sträflich auf seiner Aussenbahn mißachtet wird, endlich mal regelmässig Bälle bekommt und gewaltig Betrieb macht, war sehr erfreulich. Im Eintracht-Forum brachte es jemand gut auf den Punkt:

„…der Typ ist 35 Jahre alt und hat alleine die ganze Verteidigung mehrfach überlaufen und dann vor der Flanke auch noch einen vermeindlichen, schnellen Stürmer Rosenthal …der frisch reingekommen war ….. mir fehlen die Worte….“

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wewew87 10. November 2013 um 20:02

Macht lieber alle Bayernspiele, diese Gurkentruppen sind langweilig.

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Koom 10. November 2013 um 20:28

Total wertvoller Kommentar.

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Schimanski 13. November 2013 um 20:25

…und dazu falsch. Mich langweilen die Bayernspiele mittlerweile.

Danke für die Analyse!

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SP 10. November 2013 um 18:17

Irre ich mich, oder werdet ihr wirklich immer schneller? nicht mal eine viertelstunde nach abpfiff so einen Artikel herauszubringen verdient einiges an Respekt.

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SCP-Poker 10. November 2013 um 18:07

Bei der Grundformation hat sich Parker in die Eintracht-Aufstellung geschlichen anstatt Kadlec

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