Borussia Dortmund – FC Bayern München 1:2 | in-depth-Szenenanalyse

RM entspricht dem Wunsch einiger Leser und macht noch eine kleine In-depth-Analyse zum CL-Finale. Dies soll allerdings kleine klassische In-Depth-Analyse werden, sondern eine Analyse, die beispielhafte Szenen zeigt und daraus die allgemeinen taktischen Ideen der jeweiligen Spieler darstellt. Daraus folgt ein zusammenfassendes Fazit, welches noch ein paar taktische Fragen zum Spiel beantwortet.

Dortmund presst

Nach dem Spiel gab es einige Kommentare, dass Jürgen Klopps Mannschaft und deren Pressing sehr dem Freiburger Pressing ähnelten, welches in dieser Bundesliga-Saison einige Fans sammeln konnte. Hier ist durchaus etwas Wahres dran: Die genaue Umsetzung war natürlich anders, doch im Bezug auf die Mechanismen und das taktische Grundprinzip ähnelten sie sich sehr. Die Elf von Jürgen Klopp hatte einige Mannorientierungen und erzeugte dadurch eine hohe Dynamik in ihrem Pressing sowie im gegnerischem Aufbauspiel.

Zusätzlich standen sie sehr hoch und leiteten das Pressing der Münchner in deren frühester Aufgangsphase. Die Dortmunder standen dabei so hoch wie nur möglich und versuchten ans Maximum der Pressinghöhe zu gehen, ohne in ihrer Formation gestreckt zu werden. Darum wurde Manuel Neuer nur situativ und lose angelaufen, bei den bayrischen Innenverteidigern wurde ähnliches praktiziert.

Man könnte fast sagen: Das passive Angriffspressing hatte eine extrem hohe Pressinglinie, die wirklich gepresste Zone war aber der Sechserraum der Münchner. Sehen wir uns hierzu ein paar Szenen an.

Szene 1-20

Szene 1-20

Boateng spielte aus der Abwehr heraus auf Robben, doch dieser wurde von Marcel Schmelzer aggressiv verfolgt und sofort gepresst. Darum musste er den Ball auf Lahm zurückprallen lassen, aber auch dieser wurde heftig attackiert; nun von Kevin Großkreutz, der sich zuvor erst an Robben zum Doppeln orientierte und dann bogenartig auf Lahm ging, wodurch diesem auch der Passweg nach vorne versperrt wurde. Zeitgleich stellten Lewandowski und Reus den Sechserraum zu und attackierten dann antizipativ die Innenverteidiger, weswegen Lahm auf Javi Martinez spielen musste. Hier ging Dortmunds munteres Forechecking weiter: Bender orientierte sich mannorientiert an dem Basken und presste. Foul für die Münchner. Nur zwanzig Sekunden gibt es schon eine weitere interessante Szene.

Szene 1-40

Szene 1-40

Reus geht drauf, Großkreutz kappt die vertikale Verbindung Lahms in die Spitze. Lewandowski bleibt weiterhin im Sechserraum und bleibt auf der Höhe Schweinsteigers, wodurch Dante frei ist. Dieser wird letztlich auch von Lahm angespielt, Schweinsteiger kippt auf der Seite heraus – es sollte eines von nur zwei Malen in der Anfangsphase sein.  Der Ball kommt direkt über Dante auf Alaba, der allerdings in einer enormen Enge steht und den Ball mit hoher Dynamik auf Ribéry weiterleiten muss.

Szene 1-49

Szene 1-49

Gruppentaktisch stellt sich die Frage: Erfolg oder Misserfolg? Alaba rückt auf, doch Ribéry verliert den Ball. Das Herausrücken von Blaszczykowski auf Alaba und von Piszczek auf Ribéry sowie das Zustellen der Mitte und die räumliche Unterstützung Gündogans sorgen für Probleme im Kombinieren, Dortmund kommt an den Ball.

In der weiteren Folge entwickelt sich ein Konter: Großkreutz startet vertikal, Lewandowski nutzt seine breite Rolle, um die Mitte zu öffnen und Gündogan profitiert vom Ballgewinn. Er kann mit Ball am Fuß aufrücken, während Reus zurückfällt und sich anbietet. In dieser Szene half es zwar nichts, doch Reus‘ Zurückfallen werden wir als interessante taktische Option im Laufe der Analyse wiedersehen. Zuvor sehen wir uns noch die Rolle Schweinsteigers im Dortmunder Pressing an.

Szene 5-16

Szene 5-16

Schweinsteiger versucht die Bindung nach vorne zu schaffen. Er bewegt sich aus seiner zentralen abgekippten Position in den linken defensiven Halbraum, doch er wird von Marco Reus mannorientiert verfolgt. Alabas vertikaler Passweg wird durch Blaszczykowski versperrt, während Lewandowski sich an Dante orientiert. Alaba kann nun einen langen Ball schlagen oder die Seite wechseln, obwohl er bei Letzterem unter Umständen gepresst werden könnte.

Alaba entscheidet sich also zu einem Pass auf Schweinsteiger, der ihm entgegenkommt und sofort auf den sich ebenfalls freilaufenden Dante prallen lässt. Eine schöne gruppentaktische Bewegung, aber Dortmund kann den Raum zusammenziehen und Dante wird nach einem weiteren Pass auf Dante und zurück zu einem langen Ball gezwungen.

Wegen der eingerückten Stellung, dem Loch in der Bayern in der Mitte und Dortmunds dynamischem Herausrücken kann der BVB den Kopfball und das Gegenpressingduell „gewinnen“, sie erhalten einen Freistoß. Generell waren die Dortmunder bei zweiten Bällen phasenweise sehr stark, wie wir in der nächsten Szene werden.

Szene 6-58

Szene 6-58

Der zweite Ball in dieser Szene entsprang einem langen Ball Weidenfellers. Zuerst hatte Gündogan einen Konter der Münchner nach einem Dortmunder Standard abgefangen und auf Weidenfeller gespielt. Dieser wartete – wie in der Großzahl seiner „Befreiungsschläge“ – bewusst auf einen pressenden Gegenspieler, in diesem Fall Mario Mandzukic. Weidenfeller visierte Lewandowski an (die meisten Pässe des besten Nicht-Nationaltorwarts gingen auf Lewandowski, nicht etwa auf einen der Innenverteidiger), der aber von Alaba abgefangen wurde. Martinez erhält den Ball und spielt auf Ribéry.

Hier zieht sich Dortmund nun extrem stark zusammen. Es ist kein sprintartiges kollektives Zusammenrücken, sondern ein intelligentes Komprimieren der Räume. Bayern kann nicht kombinieren, aber auch nicht einen langen Kopfball in die Spitze hinter eine Abwehrlinie köpfen. Subotic und Hummels sichern ab, der BVB geht ins Gegenpressing, Bender erobert den Ball, verliert in sofort wieder an Martinez, jedoch wird der FCB in der resultierenden Gegenpressingszene nach hinten gedrückt.

Auch schön zu sehen: Reus hatte sich in den Rücken von Lewandowski positioniert, um einerseits für einfache Kopfballverlängerungen in offene Räume frei zu sein, andererseits versuchten sie dadurch das Herausrücken von Boateng und Dante zu verhindern, um die Kopfballduelle für Lewandowski einfacher zu gestalten. Kann man ja nicht wissen, dass Alaba auch so ein Tier ist.

Szene 7-52

Szene 7-52

Ähnliches gab es in dieser Szene zu sehen, als Weidenfeller einen langen Pass nach abermaliger Pressingprovokation spielte; er ließ sogar den Ball aus der Hand fallen und wartete Mandzukic ab. Bei dem langen Ball kam dann Reus wieder hinter Lewandowski. Dank diesem Lauf war es abermals keiner der bayrischen Innenverteidiger, der gegen Lewandowski köpfte, sondern Schweinsteiger; dieser verlor den Luftzweikampf, doch Reus erreichte den Ball nicht. Boateng spielte auf Dante, der dann von Lewandowski lose angelaufen wurde.

Die Prioritätensetzung war in der Folgeszene schön erkennbar. Dante wurde nicht aggressiv angelaufen, sondern sein Pass zu Alaba ohne Probleme erlaubt. Der Fokus lag auf der Belauerung der Passwege zu Martinez und Schweinsteiger. Als der Pass auf Alaba dann kam, stellte Lewandowski Dante wie ein Manndecker zu, Reus löste sich von Boateng und begann sich an Schweinsteiger zu orientieren.

Gündogans Nähe bedeutete auch, dass Martinez keinen einfachen Pass erhalten konnte, gleichzeitig aber auch Ribéry keine optimale Option war. Der provozierte Pass auf Ribéry wurde nur ein Einwurf. Dieser kam zu Hummels, dann auf Weidenfeller, der übrigens wieder einen pressenden Gegner abwartete.

Szene 8-43

Szene 8-43

In dieser Szene hatte Alaba unter Druck Blaszczykowskis einen diagonalen Pass in die Mitte gespielt, wo sich Müller und Mandzukic aufhielten. Die Proaktivität der Dortmunder Verteidigungsbewegungen ist hier besonders gut erkennbar. Zuerst orientiert sich Hummels heraus und setzt Müller unter Druck, der sofort weiterspielen muss. Würde Hummels aus Angst vor dem Loch in seinem Rücken (nicht lachen) auf seiner Position bleiben, könnte sich Müller drehen und einen normalen, wohl gefährlicheren Angriff bespielen.

So aber geht Hummels raus und wieder zurück. Subotic holt sich den Müller-Pass und geht in den freien Raum vor ihm, woraus ein Angriff entsteht.

Szene 8-50

Szene 8-50

Subotic ließ in der vorherigen Szene locker auf die Seite prallen, wo Bender den Ball erhielt und lang und flach auf Lewandowski spielte. Hier war das Muster der Reus-Bewegungen ein anderes. Bei hohen Bällen suchte er die Räume um Lewandowski und insbesondere hinter diesem, doch bei dem flachen Pass Benders‘ gab es ein anderes Schema.

Die situative Reus-Orientierung an Schweinsteiger war nämlich auch in Umschaltmomenten eine hochinteressante. Reus kam dann aus der Tiefe mit Dynamik nach vorne und Lewandowski ließ auf ihn prallen. Dadurch entsteht ein Kommunikationsproblem bei den Münchner: Wer orientiert sich wohin? Dante bleibt zuerst stehen und geht eigentlich auf Lewandowski, der aber dank des freien Reus vor ihm in seinem Sichtfeld und im offenen Zwischenlinienraum eine einfache Anspielstation hat.

Bayern kommt gar nicht dazu, ihn zu pressen, Reus erhält den Ball. Dante orientiert sich nach vorne und will attackieren, weswegen Boateng und Alaba einrücken, um dieses Herausrücken abzusichern. Aber Reus hat den Vorteil des offenen Sichtfeldes und einen Geschwindigkeitsvorteil: Er spielt auf Lewandowski und überläuft Dante einfach. Dank des Einrückens Alabas entsteht aber keine hochgefährliche Szene, denn Lewandowski kann nicht auf Reus prallen lassen und muss ins Dribbling. Das Bespielen der Mannorientierung der Münchner ging nicht völlig auf, ein Diagonalball auf Blaszczykowski hätte allerdings für Probleme oder zumindest für Ballsicherung und Raumeroberung gesorgt.

Szene 10-17

Szene 10-17

Auch hier sehen wir das Dortmunder Pressing sehr gut. Dante wird Raum gegeben und er wird geöffnet, gleichzeitig stellt man Schweinsteiger zu. Dieser begibt sich auf der immerwährenden Suche nach Raum zwischen die Innenverteidigung, wodurch er aber die Verbindung zu Jerome Boateng kappt. Lewandowski folgt ihm und kann auch theoretisch von dieser Position aus Druck ausüben.

Reus hingegen bleibt zuerst noch tief und hat einen Deckungsschatten auf Martinez. Dante spielt auf Alaba, der von Blaszczykowski angelaufen wird. Alaba spielt zurück und jetzt startet die aktive Phase des Dortmunder Pressings, als Schweinsteiger abkippt – Reus läuft Dante bogenartig an, Kuba lässt sich zurückfallen und Dante muss aus strategischer Perspektive mit einem langen Ball agieren. Dieser geht zwar schön auf Mandzukic, der sich fallen lässt, doch Hummels rückt heraus und Gündogan entscheidet das Duell um den zweiten Ball für seine Mannschaft.

Szene 12-12

Szene 12-12

Die Dortmunder waren aber nicht die einzigen, die pressten. Auch Bayern presste hoch, presste gut und attackierte generell viel – es war nur weniger auffällig. Wieso? Weil die Dortmunder weniger Aufbauszenen hatten und in ihren Aufbauszenen (noch) früher zu langen Bällen griffen, insbesondere auch durch Weidenfellers lange Bälle.

Dass sie sich durchaus offensiv zeigten, sieht man am Gegenpressing. In dieser Szene köpfte Robben einen langen Ball in die Mitte; Mandzukic ging sofort ins Gegenpressing über, ebenso wie Lahm und Martinez dahinter. Auffällig ist aber, dass sie ihre Mannorientierung weniger intensiv ausübten. Sie versuchten mehr Abstand zu halten und vorsichtiger in die Zweikämpfe zu gehen. Sie stellen die gegnerischen Spieler lose, Müller ist bei Subotic und Mandzukic presst Hummels, der einen langen Ball schlagen muss. Boateng gewinnt diesen und spielt ihn zurück. Bayern am Ball.

Für die losere mannorientierte Gegenpressingvariante der Anfangsphase kann es mehrere Ursachen geben: Ein Aspekt sind sicherlich Fouls und Karten, ein anderer ist aber auch taktischer Natur, denn bei einem sehr aggressiven Attackieren auf zweite Bälle öffnet man Raum. Im Normalfall kein Problem, aber bei den zweiten Bällen gegen Dortmund und insbesondere gegen Spieler wie Ilkay Gündogan und Marco Reus vorne ist es riskant. Deswegen war Bayern in der Anfangsphase wohl etwas passiver im Gegenpressing und würde sich erst später aggressiver orientieren. Die wenigen Pressing- und Gegenpressingszenen zeigten aber, dass die Bayern durchaus hoch standen und einen positiven Spielansatz verfolgten, trotz der vielen langen Bälle.

Szene 12-55

Szene 12-55

Wieso Bayern so viele lange Bälle statt schneller vertikaler Pässe in die Mitte oder in Halbräume nutzte, kann man anhand dieser Szene nachvollziehen. Lahm treibt den Ball nach vorne; hinten ist Lewandowski zwischen den beiden Innenverteidigern, Reus orientierte sich zuerst an Schweinsteiger und dann an Martinez. Großkreutz stellt währenddessen überaus geschickt den Passweg zu Robben, wodurch Lahm nur die Option zum Umdrehen, einem langen Ball oder einem Pass auf den (vermeintlich) offenen Müller hat.

Bender agiert aber sehr gut, belauert den Passweg und kann den Pass dann abfangen. Im offensiven Umschaltmoment konnte man dann wieder das gewohnte Dortmunder Angriffsspiel ansehen. Reus befand sich im offenen Zwischenlinienraum, erhält den Pass von Bender und leitet umgehend auf Lewandowski weiter. Der herausrückende Boateng macht ein taktisches Foul an Reus, aber Lewandowski dreht sich ohnehin und gibt einen Torschuss ab, der zur Ecke führt.

Das Spiel kippt langsam

Diese Anfangsphase dominierten die Dortmunder klar. Der FC Bayern kam erst später wirklich nach vorne. In diesem Abschnitt sehen wir, wie es dazu kam.

Szene 16-25

Szene 16-25

Die ersten Ansätze gab es in der 17. Minute. Bayern ließ den Ball zirkulieren, sowohl Alaba als auch Dante und Neuer verzichteten auf einen langen Ball. Über drei Kurzpässe dieser drei kam der Ball auf Jerome Boateng, der in den freien Raum stieß. Das Pressing der Dortmunder scheint ausgehoben, doch das tiefe Stehen des ballfernen Flügelstürmers hilft – im Verbund mit Reus horizontalem Pressinglauf wirkt es fast wie eine unkompakte Pressingfalle, die auch den freien Innenverteidiger Boateng zu langen Bällen zwingen soll.

Szene 16-37

Szene 16-37

Der lange Ball kommt – und nun sehen wir ein Angriffsmuster der Bayern. Mandzukic erreicht den Ball hinter die Abwehr und lässt ihn zurückprallen. Dies vergrößert den Zwischenlinienraum der Dortmunder, in den Robben und Müller hineinstoßen. Dies war auch eine von mehreren Ursachen, wieso die Fluidität der Münchner anders ausgelegt wurde. Robben sollte im Zwischenlinienraum den Ball erhalten, ob nach langen Bällen und Ablagen oder aus dem Spiel heraus, um ins Dribbling zu gehen oder direkt abzuschließen.

Es gab auch einen weiteren positiven Nebeneffekt. Nicht nur der Zwischenlinienraum wurde vergrößert, sondern die Formation der Dortmunder generell gestreckt. Gündogan und Co. pressen rückwärts und haben in diesem Fall zwar den Ball vor Robben, doch Martinez und Co. gegenpressen die raumbeengten Dortmunder und holen sich den zweiten Ball letztendlich. Nächster Vorteil: Sie müssen von hinten keinen Druck durch Reus und Lewandowski befürchten, weil deren Wege noch zu lang sind.

Bayern kann sich kurzzeitig vorne festsetzen. Eine halbe Minute lang wird der Ball um das letzte Drittel zirkuliert, sie setzen sich immerhin zwei ganze Minuten in der gegnerischen Hälfte fest. Die Ballbesitzphase wird durch einen 1-Mann-Konter der Dortmunder abgeschlossen; Reus erhält einen Lochpass, indem er einfach herausrückt und dann schneller in den selbstgeöffneten Raum startet, als sein Gegner. Alleine gegen drei kommt er nach kurzem Sprint zu einem ungefährlichen Abschluss.

Szene 20-04

Szene 20-04

Schweinsteigers Raumsuche ging weiter. In dieser Situation orientiert er sich nicht mehr nach vorne, sondern nach hinten. Die Innenverteidiger fächern sehr breit auf und Schweinsteigers Positionierung verändert die Staffelung der Dortmunder. Schweinsteiger – in dieser Szene auch als Manni der Libero bekannt – könnte theoretisch nun in die Mitte laufen, würde Raum gewinnen und könnte einen einfachen kreativen Pass spielen.

Darum orientiert sich Lewandowski schon früh spielintelligent in die Mitte und verhindert dies. Gleichzeitig behält er Dante im Deckungsschatten. Bleiben Bayerns bisherigen Probleme also doch bestehen? Nicht ganz. Die formative Streckung der Dortmunder ist größer, die Optionen für die Bayern bzw. Schweinsteiger ebenfalls.

Martinez ist mit Raumpässen anspielbar, theoretisch könnte man auch den Raum hinter Alaba blind bespielen. Es ist also einfacher als vorher, das Dortmunder Pressing zu umspielen. Schweinsteiger wählt dann den zurückstoßenden Müller, um die beiden schwarzgelben Stürmer zu umspielen, Dante erhält den Ball. Die Folge ist dennoch ein langer Ball, obwohl die Dortmunder nicht wirklich Druck entfachten – ein Indiz für eine bewusste und nicht (nur) erzwungene Münchner Spielweise.

Randnotiz: Die freie Positionswahl Ribérys in dieser Szene ist aus einem Standard Minuten zuvor und der Positionsbeibehaltung im Gegenpressing heraus geboren, sie entstand nicht aus dem Spiel heraus.

Szene 29-24

Szene 29-24

Wir schreiben die 30. Minute. Das Spiel ist schon am Kippen, Bayern setzte sich nun mehrmals in der Dortmunder Hälfte fest und drückt sie nach hinten. Drei große Anpassungen: Das Pressing wird höher, das Gegenpressing wird aggressiver, der Passrhythmus wird verändert. Bayern schlägt weniger lange Bälle und spielt mehr kurze Pässe. Neben der eigenen Entscheidung dazu (weniger lange Bälle bei geringem Druck, stärkeres Einbeziehen von Manuel Neuer ins Aufbauspiel, etc.) war es sicherlich auch eine Folge der Veränderung der Wechselwirkung mit dem Dortmunder Pressing.

In dieser Szene ist Schweinsteiger auf links herausgekippt. Dies schob zuvor Alaba nach vorne und Ribéry kann dadurch in seine freie Positionsinterpretation übergehen; dieses Mal aus dem Spiel heraus und nicht nach einem Standard oder ähnlichem. Ribéry bot sich im Halbraum neben und zwischen Alaba und Schweinsteiger an. Er spielt auf Martinez und zieht weiter in die Mitte, während der Ball auf Dante kommt. Daraus resultiert obige Szene. In dieser spielt Boateng auf rechts, während Ribéry sich sehr interessant verhält.

Der Franzose will sich aus seiner halbrechten Position zurückfallen lassen und wird von Bender mannorientiert verfolgt. Doch Ribéry erkennt es und startet instinktiv sofort nach vorne. Das öffnet theoretisch Raum, was der spielintelligente Martinez erkennt und sich in dieses Loch orientiert. Aber Bender reagiert hier gut und geht auf Martinez, Reus verfolgt den Basken ebenfalls und Lewandowski geht auf den vorherigen Passgeber, Jerome Boateng.

Daraufhin läuft Lahm in die Mitte und spielt zu Dante zurück. Man erkennt den veränderten Passrhythmus: Es kam kein langer Ball, außerdem wurden die formativen Löcher des Dortmunder Pressings bespielt.

Szene 29-39

Szene 29-39

In der Folge entsteht übrigens eine 100%ige für die Bayern. Der Ball geht wieder auf Alaba, der von Müller unterstützt wird und nach diesem mehrfachen Seitenwechsel entsteht ein Fehler auf der ballfernen Seite, wo Schmelzer im Gleichschritt mit Ribéry ballorientiert in die Mitte trabt – Robben erhält eine 100%ige, bei der er Weidenfeller „anschießt“. Das extreme ballorientierte Einrücken ist manchmal instabil – besonders, wenn Thomas Müller einen tödlichen Tunnelpass spielt.

Szene 31-45

Szene 31-45

Eine schöne Szene, welche die Veränderung der Münchner zeigt. In der Aufbauszene zuvor war Schweinsteiger nicht abkippt und nicht herausgekippt. Lewandowski presste dann zwar auf Neuer und es kam ein langer Ball, der zweite Ball wurde aber später von Schweinsteiger gewonnen. Die Überzahl der Dortmunder war also erkannt worden und man hatte ein Gegenmittel organisiert. Im weiteren Angriffsverlauf schoben die Münchner den BVB nach hinten und rückten kollektiv weit auf.

Martinez startete in die Spitze und drückte den BVB nach hinten. Zentral wird Raum frei, Ribéry geht in die Mitte und Dortmund schiebt mit, inkl. Blaszczykowski. Bender rückt dann auf Ribéry, der dank der Höhe freier spielen konnte, wie bei einer zonalen Manndeckung heraus. Ribéry spielt auf Alaba, der das Spiel breit machte. Durch Ribérys zentrale Position kann Martinez aufrücken, durch Martinez‘ Aufrücken weicht Dortmund zurück, Ribéry und Schweinsteiger haben mehr Raum.

Drei Spieler bieten sich vorne für einen langen Ball Alabas an, Dortmund hat Probleme mit ihrer proaktiven und mannorientierten Spielweise in der Defensive. Die Flanke kommt aber nicht, Schweinsteiger läuft sich hinter Alaba frei und kippt hinter diesen heraus, spielt dann auf Dante. Ribéry will sich zentral freilaufen, wird aber von Bender verfolgt. Es kommt jedoch kein langer Ball von Dante, sondern das Pressing des BVB wird abermals auf Boateng umspielt, entlang der rechten Außenbahn kommt ein langer, flacher Schnittstellenpass auf Müller.

Auch in den Minuten nach dieser Szene dominierte Bayern das Spielgeschehen. Erst drei Minuten später gab es wieder einen erwähnenswerten Dortmunder Angriffsversuch, der allerdings Neuer zu einer Glanztat zwang. Es war eine ähnliche Gelegenheit wie Mandzukics Lattentreffer in der Anfangsphase. Das Highlight war ein Dribbling Martinez unter Druck gegen mehrere Gegenspieler, als er sich um sich selbst drehte und dann einen Pass spielte – es folgte wohl die erste Situation in der Partie, wo die Dortmunder nicht mehr Leute hinter dem Ball hatten, als davor.

Szene 38-01

Szene 38-01

Schon erwähnt wurde die erhöhte Aggressivität der Münchner im Gegenpressing. Diese Szene war beispielhaft. Nach einer schönen Kombination und dem Überladen der Mitte durch Schweinsteiger gibt es einen Kampf um den zweiten Ball – Lahm schießt von der Seite in die Mitte rein und geht sehr aggressiv in den Zweikampf mit Gündogan. Bayerns Kapitän erkannte, dass Großkreutz tief steht und kann das übliche mannorientierte Gegenpressing spielen. Gündogan setzt sich aber mit etwas Glück durch und spielt auf Hummels, der mit Ball am Fuß in den freien Raum stoßen möchte.

Nun jagt Bastian Schweinsteiger ihm von hinten nach, Martinez verhindert durch sein frontales Attackieren einen Konter und letztlich rückt auch Boateng heraus. Hummels bespielt zwar dieses Loch, aber am Ende heißt es – man lese und staune – Schmelzer gegen Lahm, was in einem Pass auf Neuer resultiert. Ein Musterbeispiel für die erhöhte und generell sehr hohe Dynamik der Partie.

Nach dem Pass Lahms auf Neuer kam der Ball zu Alaba. Dieser spielte auf Schweinsteiger, der frei war. Die Dortmunder orientierten sich an den Innenverteidigern und zeigten sich selbst, wieso sie es vorher nicht taten. Schweinsteiger war frei und konnte problemlos auf Dante spielen, der dadurch frei wurde.

Szene 38-44

Szene 38-44

Kurze Zeit später gab es eine Paradeszene für die Gefährlichkeit eines diagonalen Außenverteidigers. Nach einem zweiten Ball holte sich Lahm den Ball und startete sofort einen diagonalen Lauf in die Mitte. Er wird hier von Gündogan verfolgt, Großkreutz muss einrücken und zentral kann schwer auf Lahm Druck ausgeübt werden. Dadurch kann Bayern mit Müller und Robben die Seite überladen, ein blinder Raumpass Lahms reicht für das Einleiten des Angriffs aus.

Szene 40-01

Szene 40-01

Hier ist das Pressing der Münchner sehr gut erkennbar. Interessant: Beide Trainer schienen das Gleiche zu denken. Auch die Bayern pressten in einem 4-4-1-1/4-4-2, in welchem es (situative) Mannorientierungen gab und einer der Innenverteidiger isoliert wurde. Passenderweise war es sogar wieder der nominell spielstärkere Akteur. Der BVB greift dann ebenfalls zum gleichen Mittel zurück: Hummels geht zum langen Ball über.

Vorne staffelten sich die Dortmunder aber interessant. Lewandowski orientiert sich in den Zwischenlinienraum und Gündogan steht ebenfalls sehr hoch. Bei gutem Bespielen hätten sie schnell kontern können, auch Reus steht hoch; Ähnliches wurde von uns im Podcast diskutiert. Dortmund steht also eigentlich sehr gut und gefährlich, doch Bayern kann den langen Ball interessant kontern. Statt einem Innenverteidiger rückt Martinez auf Lewandowski, wodurch die Münchner besser abgesichert stehen.

Diese Order soll Martinez übrigens im Spielverlauf von Heynckes erhalten haben. Chapeau! In dieser Szene unterstützt dann Robben auch Martinez mit Rückwärtspressing, Bayern gewinnt den zweiten Ball und er kommt zu Neuer. Eine Schlüsselszene.

Szene 42-10

Szene 42-10

Eine der torgefährlichsten Situationen kam dann doch, als Dante wieder einen langen Ball einstreute. Hier war es aber nicht aus seiner abgedrängten und isolierten Position, sondern zentral. Reus lief ihn nicht an, sondern blieb tiefer – aus Erschöpfung? Lewandowski stand in der Nähe Boatengs. Doch der lange Ball funktionierte hervorragend, denn vorne ergänzten sich die Bewegungen der Münchner Offensivspieler.

Müller und Mandzukic wichen aus ihrer zentralen Position auf die Flügel, während Robben aus dem halbrechten offensiven Halbraum in die Spitze stieß. Subotic verfolgt Mandzukic ein bisschen, der sich weiter zu Piszczek orientierte. Auf links wurde ein Raum überladen und Gegenspieler gebunden, auf rechts übernahm Letzteres Müller bei Schmelzer. Robben kam dadurch in ein Duell mit Mats Hummels, der allerdings aufgrund der ausweichenden Bewegungen um ihn herum nicht ganz auf der Höhe war, was auch ein Faktor für die nächste Münchner Großchance war. Weidenfeller reagierte wieder sehr gut beziehungsweise wurde gut angeschossen und hielt die Null.

Szene 44-05

Szene 44-05

Vor der Halbzeitpause hätte es beinahe noch eine weitere Großchance gegeben. Der FC Bayern zeigte wieder, wie man mit gruppentaktischen Mitteln das Öffnen des Zwischenlinienraums zur Spitze treiben kann. Ribéry ging auf den rechten Flügel und flankte in den offenen Raum hinter Hummels. Robben war abermals in der Mitte – ein sich wiederholender Faktor in der Partie.

Mandzukic holte sich den Pass von Ribéry gegen Hummels und stoppte ihn herunter. Der Zwischenlinienraum war vergrößert, Müller stieß in die Mitte und bot sich für einen Pass an, den er prompt erhielt. Nun musste Subotic auf Müller rausrücken, weswegen Piszczek zentral einrückte und für diesen absicherte. Ergebnis: Bei einem schöneren diagonalen Pass von Müller auf den im Strafraum freien Robben hätte dieser eine weitere Chance vergeben können. Oder die Führung erzielen. Das kam dann aber erst später.

Andere Halbzeit, gleiches Bild

Der zweiten Spielhälfte widmen wir uns etwas kürzer. Das Spiel war bereits gekippt, der BVB konzentrierte sich auf den Umschaltmoment, aber Bayern fand jeweils den passenden Rhythmus. Einige Szenen waren dennoch von Interesse. Zum Beispiel die Anfangsszene, die das grundlegende „Pressinginteresse“ der Dortmunder zeigt.

Szene 47-52

Szene 47-52

Dortmund steht extrem hoch. Aus dem Gegenpressing heraus gingen sie in ihr normales Pressing über, sie stehen sehr hoch und riskant. Alaba versucht Ribéry zu bespielen, der zuvor im Sturmzentrum stand und Mandzukic befand sich auf seiner Seite. Womöglich auch deshalb fehlte eine gute Verbindung zueinander, Piszczek fing den Pass ab und startete einen Konter, der aber vom zurückeilenden Martinez und dem herausrückenden Boateng bei einem Pass in den Zwischenlinienraum abgefangen wurde.

Szene 57-03

Szene 57-03

Lewandowski muss einen weiten bogenartigen Weg im Pressing gehen, um Schweinsteiger zu isolieren. Dieser nutzt das, um einfach in den offenen Kanal zu gehen und steckt dann einen Pass auf Martinez durch, bevor Lewandowski ihn pressen konnte. Das war eine der veränderten Wechselwirkungen durch das Herauskippen statt des Abkippens. Martinez erhält nun den Ball und Dortmund versucht herauszurücken, doch Martinez dreht sich um seine Achse und spielt auf Müller, der sich fallen ließ.

Dadurch hatte Bayern einen Verbindungsgeber, Müller ließ auf Boateng aufrücken, Bayern rückte im Kollektiv auf und stand nun deutlich weiter vorne. Dortmund musste sich neu sortieren und auf die andere Seite verschieben. Weniger als zwei Minuten später fiel der 1:0-Treffer. Bayern hatte einen versuchten Schnellangriff der Dortmunder abgefangen und Schweinsteiger befreite sich aus dem Gegenpressing mit einem hohen Pass auf Neuer. Eigentlich undenkbar.

Der Münchner Torwart nahm den Ball per Oberschenkel auf und beförderte ihn dann zu Mario Mandzukic an der Mittellinie. Es entstand eine 4-gegen-5-Situation aus Münchner Sicht, die sie letztlich auch dank eines Geniepasses von Ribéry durch drei Leute hindurch zum 1:0 verwerten konnten.  Nun musste Dortmund die Initiative übernehmen. Bayern zwang sie ihnen auf.

Szene 61-57

Szene 61-57

Bayern ging wieder ins 4-4-2-0-Pressing über, das man aus dem Hinspiel gegen den FC Barcelona kennt. Beim BVB kippt Reus heraus, die Münchner stehen aber kompakt in der Mitte. Die Dortmunder finden aber schnell eine interessante Spielweise, um das 4-4-2-0 zu bespielen.

Szene 62-06

Szene 62-06

Auch Gündogan kippt heraus, Martinez verfolgt ihn leicht. Nun kann Hummels einen Pass auf Großkreutz durchstecken, der zum Abschluss kommt. Vier Minuten später wird der Elfmeter gepfiffen. Die Münchner stehen im Vorfeld des Pfiffes im 4-4-2-0, die beiden Stürmer als im Sechserraum um Gündogan herum positioniert. Dieser kippt ab, Mandzukic verfolgt ihn lose. Hummels provozierte dies mit einer leichten Bewegung und zog dann auf, an Mandzukic vorbei und spielte einen langen Ball.

Dieser wird von Boateng geköpft, der aber hinfällt – Dortmund reagiert beim zweiten Ball schnell, es kommt ein hoher Lupfer von Großkreutz auf Reus, der von Dante tollpatschig gefällt wird. Gündogan gleicht zum 1:1 aus, das Spiel verändert sich abermals. Bayern kehrt zum ursprünglichen Pressing zurück, bei der nächsten Aufbauszene wird Weidenfeller wieder einen herausrückenden Mandzukic provozieren. Es geht wieder Hin und Her – bis zu dieser Szene.

Szene 71-14

Szene 71-14

Dortmund griff mit einem langen Ball an und kam mit etwas Glück beinahe durch. Es war Ribéry, der den Angriff noch abwürgen konnte und am eigenen Fünfmeterraum einen langen Ball schlug. Dieser kam auf Müller, der den Ball auf Schweinsteiger prallen ließ. Der Vizekapitän der Münchner drehte sich um Bender und Gündogan, woraufhin er einen langen Ball spielte. Vorne wich Mandzukic auf den Flügel und öffnete die zentrale Schnittstelle, gleichzeitig bot er sich für den Pass an.

Szene 71-19

Szene 71-19

Mandzukic bespielte nun jenen Kanal mit einem Diagonalpass, den er zuvor geöffnet hatte. Müller gewann das Laufduell gegen Schmelzer knapp und umkurvte den herausgekommenen Weidenfeller. Subotic kratzte den Ball noch von der Linie.

Fünf Minuten später gab es eine ähnliche Szene. Müller ließ sich fallen und spielte einen schnellen Kurzpass auf Robben, nur um danach sofort in die Lücke zu starten, die er mit seinem Zurückfallen und dem Herausziehen von Hummels geschaffen hatte. Robbens Diagonalpass führte zu einem neuerlichen Laufduell, dieses Mal mit Subotic, bei dem sich Müller wieder fallen ließ – oder gefällt wurde, wie man es auch sehen mag.

Das nächste Highlight war wieder ein individualtaktisches, wieder war es Martinez. Eine Minute später setzte er sich lässig gegen Reus und Bender durch, danach überlupfte er Großkreutz, um einen Pass auf Lahm bringen zu können. Pressingresistenz par excellence.

Szene 81-12

Szene 81-12

Die letzte nennenswerte Szene vor dem Tor gab es in der 82. Minute; Bayern spielte nun mit einer totalen Auflösung der festen Positionen der Offensivreihe. Boateng weicht aus dem Pressing nach rechts, Alaba lässt sich fallen, vorne weicht Mandzukic auf links. Martinez ist vorne, Schweinsteiger ordnet das Spiel. Der BVB kann fast nur noch tief stehen, Bayern kann mit Ribéry, Robben und Müller die rechte Seite überladen.

Szene 81-19

Szene 81-19

Daraus entsteht diese Szene, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag. Schweinsteiger hatte zuvor erst Ribéry hinterlaufen und ging dann diagonal rein, Lahm rückte auf dem Flügel auf und Ribéry blieb tief. Dortmund stellt diese extreme Fluidität aber gut zu, Bayern muss nach hinten spielen, sie behalten aber durch ihre formative Enge die Verbindungen und auch den Ballbesitz. Beim Tor gab es Ähnliches zu sehen. Mandzukic befand sich auf dem Flügel, es kommt ein langer Ball und Ribéry gewinnt gegen Piszczek.

Der inverse Robben erhält den Ball, bricht durch, Tor. Standards sind manchmal dann doch schlicht und ergreifend schwieriger zu verteidigen. So einfach geht’s manchmal. Die Wechsel sollten wegen der kurzen Zeit kaum Veränderungen mit sich bringen. Gustavo ging auf die Sechs, Bayern spielte mit einem tieferen 4-2-3-1 und Schweinsteiger auf der Zehn, Dortmund griff an, Bayern hielt dagegen und alsbald war Schluss.

Fazit

Was können wir aus der Szenenanalyse mitnehmen? Ein wichtiger Punkt ist sicher, dass beide Mannschaften bewusst lange Bälle auch ohne Druck nutzen. Sie hatten gewisse Pläne, wie sie dadurch zum Erfolg kommen konnten, beispielsweise die Dortmunder Staffelung nach langen Bällen, die Bewegungen von Reus und Lewandowski zueinander oder eben das Öffnen des Zwischenlinienraums der Bayern. Außerdem entgingen beide Mannschaften einem umkämpften Mittelfeld und möglicher Instabilität, indem sie einfach das Mittelfeld sehr oft übergingen.

Die Fluidität beider Mannschaft kam durch dieses Spiel im ersten und letzten Spielfelddrittel mit Ignorieren des zweiten kaum zum Tragen. Besonders beim BVB gab es Blaszczykowskis sonst oft gesehene Horizontalläufe kaum, eigentlich nur in der 25. Minute und in der Schlussphase, wo ihn Alaba mannorientiert verfolgte. Womöglich ist dies sogar die logische Konsequenz der Fußballtaktik, wenn das Mittelfeld immer enger und kompakter wird: Man beginnt, es wieder zu überspielen, ohne über es zu spielen.

Die Standardsituationen, wie wir in unserem Podcast kurz anschnitten, wurden dann doch ein interessanter Faktor. Die Münchner waren oft nach Standards gefährlich, das Siegtor fiel auch nach einem. Der BVB strahlte weniger Gefahr aus, hier war Mandzukic am kurzen Eck des Fünfmeterraums als Raumdecker und Abfangjäger sicherlich eine Ursache für. Sonst gab es auch ein paar interessante Anpassungen.

Im Laufe des Spiels orientierte sich ein paar Mal Martinez stärker an Lewandowski, wenn dieser in den Zwischenlinienraum ging. Das dynamische Momentum in den ein paar Mal erwähnten gruppentaktischen Spielzügen der Borussen wurde  dadurch etwas entschärft. Bayern passte auch den eigenen Rhythmus etwa an, Schweinsteiger betätigte sich als Raumsucher und fand seine Rolle dann beim Herauskippen. Interessant waren auch die Bewegungen in der Fluidität beziehungsweise Positionsvariabilität.

Hier war in der ersten Hälfte und auch in vielen Phasen der zweiten Halbzeit die Frage, wieso Arjen Robben die freiere Rolle erhielt. Dafür gibt es ein paar Ursachen:

  • Ribérys „Unterstützer“ und Positionsübernehmer war Mandzukic, der bei der tieferen Stellung der Münchner höher agieren musste, um Tiefe zu geben und lange Bälle zu gewinnen. Bei Robben war es Müller, der das schon zuvor machen konnte.
  • Piszczek ist der gefährlichere Außenverteidiger. Er sollte vom sehr defensivstarken Ribéry besser abgedeckt werden, während Robben mit seiner Dynamik ein paar Mal eher in die Mitte zog. Schmelzer ist auch der ungefährlichere Außenverteidiger.
  • Der BVB zwang den Spielaufbau auf links, Ribéry bot sich dann naturgemäß auf dem Flügel an, die Mitte war überladen. Oftmals hätte er den Raum noch weiter verengt und sich selbst aus dem Spiel genommen, wenn er in die Mitte gekippt wäre.

Generell war aber schön anzusehen, wie die Münchner in ihrem Bewegungsspiel in unterschiedlichen Phasen und Situationen sehr gut wechseln konnten. Die Positionsfreiheit selbst war frei von einem festen Rahmen, könnte man also sagen.

Jürgen Klopp wurde auch etwas vorgeworfen, dass seine Dortmunder sich nicht wirklich anpassten und das Pressing nachließ. Gemeinhin wurde dies mit einem körperlichen Nachlassen begründet. Ob das stimmt, darf zumindest angezweifelt werden.

In dieser CL-Saison liegt der Rekord an gelaufenen Kilometern pro Mannschaft bei 127,106; aufgestellt von den Dortmundern. Ihr eigener Durchschnitt liegt 121,091 Kilometern, was fast genau so viel ist, wie die Münchner Bestleistung. In dieser Partie liefen sie 116,572 Kilometer, ungefähr also 2,5 Kilometer mehr als ihr Gegner. Natürlich ist es möglich, dass die Dortmunder auf einem höheren Niveau liefen, also mehr Sprintstrecken. Auch ist ein stärkeres Nachlassen zu Saisonende wegen eines kleineren Kaders denkbar, die Bayern hätten hier also einen Vorteil. Letztlich waren aber auch taktische Ursachen dabei, weswegen die Dortmunder nach der Anfangsphase oft ins Leere liefen – vielleicht war es auch eine mentale Müdigkeit, die sie zusätzlich zu den taktischen Aspekten nach hinten drängte.

Bayern wirkte auch erfahrener. Sie hatten auch ein paar Flankenversuche, die schon in der Analyse gegen Gladbach als potenzielles Mittel meinerseits genannt wurden, um sich vorne risikofrei festzusetzen. Generell war es aber eher ein Spiel, welches durch die oberste Pressing und das Verhalten bei langen Bällen definiert wurde. Es gab drei große Faktoren: Gegnerisches Aufbauspiel leiten, durch Mannorientierungen Zugriff schaffen und dann in strategisch ungünstige Zonen zwingen, woraufhin man sich selbst anpasste.

Die Bewegungen von Reus von einem Innenverteidiger auf Schweinsteiger und dann als Hilfe im Umschaltmoment sind hier das ideale Beispiel. Die Dynamikaufnahme durch das Fallenlassen, das Bespielen des gegnerischen Tiefegebens und Provozieren von Mini-Löchern waren interessante Faktoren, die es bei den Münchner im Kollektiv beim Zwischenlinienraumöffnen gab. Spieler beider Mannschaften versuchten instinktiv das Herausrücken des jeweils anderen und die kleinen Mannorientierungen zu bespielen, doch im Verbund mit den zweiten Bällen gab es heftige Wechselwirkungen in mehreren Aspekten.

Auch Gündogan war diesbezüglich interessant, er stellte einige Male ein Dreieck im Mittelfeld her, wodurch er jederzeit mit seiner Bewegung Zugriff erhalten konnte – auf Martinez, auf Ribéry oder auf zweite Bälle in seinem Umkreis.

Den Ausschlag gab aber wohl das Gegenpressing der Münchner. Sie spielten passiv, distanziert und beobachtend, später erhöhten sie die Intensität und trafen sehr oft die richtige Wahl. Martinez‘ Anpassung an Lewandowski in bestimmten Situationen kann hier als Beispiel dienen. Im Verbund mit den veränderten Staffelungen sorgte dies für einen ersten Sprung im Dortmunder Pressing in Minute 17, in Minute 20 war Schweinsteiger als Libero ein nächstes Indiz für das Knacken des Dortmunder Riegels.

In Minute 22 ging es bei der nächsten Aufbauszene der forschen(den) Münchner weiter: Schweinsteiger stößt durch das Loch und spielt selbst den langen Ball. Kurz darauf gab es die Szene mit dem Schiedsrichter, der sich als bayrischer Abwehrspieler betätigte, die ich persönlich nicht allzu hoch gewichten würde: Womöglich hätte den Pass gar Schweinsteiger abfangen können, beim resultierenden Konter passierte nichts, der BVB konterte zurück und dann gab es das Lewandowski-Foul, welches auch als Ribéry-Tätlichkeit interpretiert werden kann. Erst danach fiel die Mandzukic-Chance, davor gab es aber schon die ersten guten Münchner Anpassungen.

Der BVB wurde dann nur noch selten aktiv, aber diese Aktivitäten zeigten, worum es in dieser Partie wirklich ging: Raumverlagerung. Sobald eine Mannschaft nach vorne kam, konnte sie sich dort festsetzen. Zu groß ist das Mantra von einer hohen Anzahl an Spielern hinter dem Ball und der Kompaktheit, das angreifende Team sichert auch immer gut gestaffelt ab, Konter sind schwierig und selten, insbesondere noch durch das von diesen beiden Teams hervorrragend praktizierte Gegenpressing, welches das „Festsetzen“ noch erhöhen kann. Letztlich waren es dann doch ein Standard und Neuers Bespielen der formativen Streckung bei einem ebensolchem Kampf um den zweiten Ball, die das Spiel entschieden.

Am Ende sollte sich Klopp dann doch ein kleines Bisschen geirrt haben. Er sagte nämlich Folgendes:

„Es ist nicht unser Ziel, so gut zu spielen wie die Bayern. Es ist nach wie vor unser Plan, dass unsere taktischen Möglichkeiten den FC Bayern München auf unser Niveau runterziehen.“ – Jürgen Klopp

Und die Bayern spielten auch auf diesem „tieferen“ Niveau letztlich auch besser. Sie gewannen die zweiten Bälle, sie hatten ihre eigenen gruppentaktischen Spielzüge, interessante Staffelungen und gute Absicherungen, wodurch sie schließlich das Spiel an sich rissen und knapp, aber wohl verdient gewannen. Ein Spiel der Paradoxe also , möchte man in Anbetracht dessen meinen. Dies zeigen auch die Expertenmeinungen. Jens Lehmann analysierte das Spiel aus taktischer Sicht wie folgt:

„Dortmund hätte zwei Dinge besser machen können, um das Spiel zu gewinnen. Sie hätten das eine oder andere Mal mit mehr Spielern nachrücken müssen, um dieses wichtige Tor zu erzwingen. Und dann hätten sie Bastian Schweinsteiger, der sich beim Spielaufbau zwischen seine beiden Verteidiger geschoben hat, stören müssen. Da sie aber hinten mit Hummels und Subotic zu tief standen, konnte die Mittelfeldspieler das nicht so spielen, da die Abstände zu großen waren zwischen den Verteidigern und ihrem Sturm.“

Michael Cox von Zonalmarking hingegen sah folgendes:

„Das war letztlich eine einfache taktische Auseinandersetzung. Dortmund hatte die Überhand mit ihrem exzellenten Pressing in der ersten Halbzeit – Bayern sah sich nicht im Stande, den Ball nach vorne zu bringen und sah sich für eine bedenkenswerte Zeit unter Druck. Aber Dortmunds Pressing hatte zwei Konsequenzen: Eine hohe Abwehrlinie und Erschöpfung in Hälfte Zwei, was weniger Druck bedeutete. Eine gefährliche Mischung – Dortmunds Abwehr war nicht gut, wenn sie zu viel Bewegung gezwungen wurde, Bayern kam hinter die Abwehr und Robbens Positionswechsel zum Mittelstürmer bedeutete eine Vorlage für das Eröffnungstor und den Siegtreffer.“ (frei übersetzt)

Trotz der Paradoxe steht aber eines fest: An beide Teams, ihre Trainer, Funktionäre und natürlich alle Spieler muss ein Kompliment gehen. Von Mannschafts-, Gruppen- und insbesondere Individualtaktik war es eine starke Partie. Ob Benders Bewegungen, die pure Genialität von Javi Martinez in Defensive und Pressingresistenz (laut Impire kein Fehlpass, laut Whoscored.com 3), Manuel Neuer als Raumbespieler aus der Tiefe (laut Whoscored.com 8tbester Passgeber des Abends, laut Impire sogar auf Platz 3 mit nur zwei Fehlpässen) oder die Bewegungen von Akteuren wie Reus, Müller, Mandzukic oder gar Ribéry und Robben, alles war schön anzusehen. Das Generieren von unterschiedlichsten Anordnungen, die in der Situation passten, aber eigentlich unüblich sind – siehe Szenengrafiken – besitzen eine eigene Ästhetik, die sich einem oberflächlichen Blick entziehen kann.

Dieses Herstellen von kurzlebigen formativen Anordnungen, durchgehenden Verbindungen der Mannschaftsteile und auch der hohe Fokus auf Basisaspekte wie das Leiten von Angriffen oder Isolieren von gegnerischen Verbindungen differenzierten es von anderen „Kick & Rush“-Partien früherer Jahre. Die andere Herangehensweise und Motivation als ausprägende Variable in der Entscheidungsfindung der jeweiligen Spieler war unheimlich komplex und entzieht sich selbst einem analytischen Blick, wenn sie in der Spieldynamik verwischt.

Van Kuchen 7. Juni 2013 um 12:15

Oh mann,
ich finde die Analysen interessant und eine willkommene Abwechslung zum Kicker-Gesülze.
Bloß: ich kann dem nicht immer folgen
z.T. liegt es daran, daß ich nicht den Text und das Bild gleichzeitig sehen kann, um es räumlich nachzuvollziehen, sondern ich müßte mehrfach hoch und runter scrollen.
z.T. auch daran, daß die Analyse doch sehr komplex ist.
Wo kann ich mich mit den Grundregeln vetraut machen?
Oder, ist es wohl auch möglich, auch eine etwas leichter verständliche, weniger Tiefe Analyse anzubieten?

vielen Dank nochmals!

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FMB 3. Juni 2013 um 15:17

Erstmal herzlichen Dank für die tolle Analyse.

Eine Nachfrage hätte ich noch: Habt ihr irgendwelche Statistiken zur Verfügung, die über die Verteilung der Laufintensität über die Spielzeit Aufschluss geben? Zum Beispiel die Anzahl der intensiven Läufe und/oder Sprints pro Zeitraum. (Also z.B. 1.-15. Minute, 16.-30. Minute,….)…

Ich hatte das Gefühl, dass die Dortmunder in der ersten halben Stunde zu viele Körner verbraucht haben und dann in der Schlussphase nicht mehr gut genug dagegenhalten konnten. Wenn man in der Statistik z.B. sehen würde, dass Dortmund in der ersten halben Stunde deutlich mehr intensive Läufe absolviert hat als in der letzten halben Stunde, während bei Bayern diese Zahl annähernd gleich geblieben ist, dann wäre das ein klares Indiz dafür, dass die Bayern was die Ausdauer angeht klare Vorteile hatten.

Den Punkt haben ja auch schon einige andere in den Kommentaren angesprochen. Wäre klasse, wenn ihr irgendwelche Statistiken hättet, mit denen diese These unterstützt oder widerlegt werden kann.

Ich hatte das Gefühl, dass Bayern in einer Verlängerung die besseren Karten gehabt hätte, weil:

1) ich das Gefühl hatte, dass die Dortmunder nicht mehr so viele Körner übrig hatten wie die Bayern
2) Bayern mit Gomez, Shaqiri und/oder Pizarro noch viel Qualität an frischen Spielern für die Offensive ins Spiel hätten bringen können.

Antworten

DAF 1. Juni 2013 um 15:49

Wird es zum heutigen DFB-Pokalfinale eine Vorschau oder ein fünf Fragen geben oder müssen wir Leser uns da mal selber Gedanken machen? 😉
Hab mir grad den Spielbericht vom 2:0-Bundesligaspiel durchgelesen und alles in allem hat Stuttgarts 4-2-3-1 damals bis zum Fehler von Molinaro gut geklappt.
Ich frag mich nur ob Stuttgart die geringere Spielstärke der vorraussichtlichen heutigen Bayern-Startelf (im Vergleich zum Bundesligaspiel fehlen Kroos und Dante) vllt für ein etwas offensiveres Pressing nutzen könnte. Vermutlich aber eher nicht, da dieses über die AVs, das defensive Mittelfeld und hohe Bälle auf Mandzukic mit anschließenden Kontern letztlich zu oft überspielt werden würde.
Allerdings kenne ich mich mit den Fähigkeiten und Schwächen des VfB zu wenig aus – weiß da jemand mehr?

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DAF 1. Juni 2013 um 18:23

Danke schön!!!!
Bei der Gelegenheit: Es wäre gut wenn ihr eure Seite „Gastspiele in den Medien“ regelmäßiger aktualisieren würdet! Der letzte verlinkte Beitrag ist eine Vorschau auf Bayern-Juve von Anfang April…seitdem gibt es doch bestimmt schon einige neue Artikel (einige hab ich ja schon selber gelesen)…

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nougat 1. Juni 2013 um 15:25

für mich als leser stellt sich die frage, inwieweit kann ich die erstellten grafiken nachvollziehen.
das fängt damit an, dass ich nicht einmal weiß, in welcher minute die beschriebenen szenen stattfanden, ganz abgesehen davon, ob ich selber solche szenen nachstellen kann, um die schlussfolgerungen des schreibers zu überprüfen.

lange rede, kurzer sinn:
wie erstellt ihr die grafiken, welche software benutzt ihr, welches bildmaterial dürft ihr verwenden ?

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RM 1. Juni 2013 um 15:31

Naja, die Minute steht meistens unter der Grafik. Weil ich wenig Szenengrafiken mache (bin kein großer Fan davon), waren sie vielleicht nicht immer gut oder verständlich, wofür ich mich entschuldigen möchte.

Bildmaterial zur Verwendung? Falls ich die Frage richtig verstehe, dann „gar keines“ (außer spanische Liga dank laola1.tv), aber das umgehen wir eben damit, indem wir die Spielsituation grafisch abbilden. Software: Inkscape. Die Vorlage dafür ist selbst gebastelt.

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nougat 2. Juni 2013 um 01:13

omg 😀 … die sekundenangabe mit bindestrich, da muss erst einmal drauf kommen… mit doppelpunkt hätte ich es wohl sofort geschnallt.

ja, gut, alles klar. danke, für deinen freundlichen hinweis.

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fluxkompensator 1. Juni 2013 um 13:14

szene 29-39 schreibst du, das extreme ballorientierte einrücken war ursächlich für die entstandene chance. meiner meinung nach beging großkreuz den stellungsfehler, hätte schmelzers flanke abdecken – sprich: robben verfolgen müssen. szene 57-03 ähnlich.

puh, da fällt mir auf: anhand der szenenanalyse muss ich mein anfängliches urteil, großkreuz habe gut gespielt, beinahe revidieren. vielleicht liegt das aber auch an der etwas unterschiedlichen auffassung von stellungsspiel; ich verstehe den grundsätzlichen ballorientierten ansatz, aber scheint er mir in dieser form enorm anfällig für verlagerungen zu sein, und zwar in einem ausmaß, das ein grundlegendes überdenken notwendig macht.

zugegeben, ein bisschen überspitzt formuliert, aber am gedanken möchte ich vorerst noch festhalten.

p. s. tolle analyse übrigens, danke für die große mühe.

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RM 1. Juni 2013 um 13:34

Naja, andererseits ist ja auch Großkreutz‘ Gegenspieler bei Manndeckungen auf Außen, wenn man es so spielen will, ja Lahm. Geht Großkreutz vorher schon auf Robben, ist die gesamte Mitte sperrangelweit offen für Lahm oder für Martinez. Außerdem stehen bei Alaba, der ja auf Müller spielte, 4 Spieler des BVB mehr oder weniger sinnlos weiter weg vom Tor, als der Ball und Müller. Dass der Ball überhaupt durchkommt (Bender getunnelt + Glück beim Pass), ist eh ein Wunder. Schuld daran war meiner Meinung nach dieses extreme ballorientierte Verschieben, aber einen wirklichen „Fehler“ sehe ich nicht, weil diese Spielweise den Dortmundern auch hilft, mehr Druck als andere Teams zu entfachen. Problematisch ist es halt bei einem Gegenspieler wie Müller, der sich unter Druck denkt „okay, scheiße, hier sind so viele Gegner, ich hau den blind diagonal durch“ und dann auch noch mit Glück Bender tunnelt, weil Robben durch ist. Ich fand Großkreutz deswegen trotzdem gut.

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TW 1. Juni 2013 um 13:37

Bei 29-39 stimme ich Dir zu. Allerdings kommt Robben in Großkreutz Rücken und hat bereits einen Geschwindigkeitsvorteil. Bei 57-03 ist der Ball zum Zeitpunkt der Szene ja noch auf dem rechten Flügel. Dafür ist die Staffelung okay (Robben ist ja in Großkreutz Deckungsschatten), Rückpässe auf Lahm sind wegen des Zeitgewinns erst einmal okay. Bei der Verlagerung muss die gesamte Mannschaft dann schnell verschieben.

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blub 1. Juni 2013 um 15:10

Großkreutz hat ja nicht nur gegen den Ball gut gespielt, sondern auch mit Ball. Das sieht bei ihm halt nicht aus wie bei Götze, aber das wegziehen[gegen Mannorrientierungen] und klatschen lassen [gegen Deckungsschatten] war teilweise sehr gut und sowas ist auch leicht zu übersehen.
Das Großkreutz Robben in der genannte Szene nicht abdecken kann war kein persönlicher fehler, sondern eine systembedingte Folge des dortmunder Einrückens.

Da der Ball auch steil in den Raum gespielt wurde würde ich auch noch in frage stellen wie erfolgversprechend ein Laufduell Großkreutz-Robben wäre.

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TW 31. Mai 2013 um 16:57

Erst einmal ein Riesenkompliment für diesen großartigen Artikel. Allein das Vorbereiten der Bilder muss ein Riesenaufwand gewesen sein. Der Wanderpokal für die subjektiv gefühlte bisher beste Analyse geht damit an RM. Bei dieser Anzahl an Bildern gibt es natürlich auch einige Punkte, die ich gern noch Ansprechen möchte.

1. Kampf um Raum

Die extrem hohe Abwehrlinie des BVB sorgte dafür, dass Bayern das Spiel nur in Richtung des eigenen Torsstrecken kann. Sobald der Ball auf Außen ist, gibt es eine ideale Staffelung bei Dortmund (siehe auch Punkt 2). Bayern kann nicht aufrücken, Verlagerungen über Neuer sind aufgrund der Nähe der Stürmer zum Tor extrem gefährlich (z. B . Bild 1-20). Bayern musste sich also etwas Einfallen lassen, um die Dortmunder Abwehrkette etwas zurückzudrängen. Die Abseitsstellungen von Mandzukic (Bilder 6-58, 7-52) können auch als erster Versuch interpretiert werden, die Abwehrlinie zurückzudrücken, um die Kompaktheit zu reduzieren. Bei einem Ball auf Robben oder Müller wäre es ja kein Abseits gewesen. Mandzukic wäre aber mit einem Querpass wieder im Spiel. Reus versucht im Gegenzug hier ebenfalls ein Aufrücken der Bayernabwehr zu verhindern. Die Lösung wurde letztendlich bei Bild 16-37 beschrieben: Zocken auf Bälle hinter den langsamen Hummels. Ein weiteres Beispiel ist Bild 42-10. Die Abwehr musste letztendlich zurückrücken. Bayern hat diesen Kampf gewonnen.

2. Abschneiden der ballfernen Spielfeldseiten durch den BVB

Dortmund weicht häufig von der klassischen Abwehrsichel ab, um durch den Deckungsschatten eines etwas höheren Außenspielers die ballferne Seite abzuriegeln. Beispiele sind in Bild 1-49 das Abschneiden des Zentrums durch die aufgerückte Position Gündogans oder in Bild 6-58 die Positionen von Bender und Großkreutz. In Bild 5-16 stellt Lewandowski die Passwege auf Boateng und Lahm zu. Das dies dauerhaft praktiziert wurde zeigt in Bild 81-12 Blaszczykowski

3. Freispielen der Bayern

Das hat RM wirklich herausragend beschrieben. Ein tolles Beispiel für die veränderte Philosophie ist der Vergleich von Bild 5-16 und Bild 16-25. Eine sehr ähnliche Situation wird komplett anderes gelöst. Ein wichtiges Mittel ist das Aufrücken der AV, welches die Flügelstürmer des BVB zurückdrückte. Während diese vorher im Pressing auf den Flügeln eine 3 vs. 3 Situation hergestellt haben (z. B. Bild 5-16 und Bild 16-25), gab es später eine 3 vs. 2 Situation mit Ball im Zentrum (Bild 20-04 und Bild 42-10).

4. Piszczeks Mannorientierung auf Ribery

Das ist in den Bilder extrem auffällig (z. B. 8-43, 16-25, 38-44). So kann Piszczek in Bild 8-43 das Herausrücken nicht mit absichern, anders als im Vergleich zu 20-04, wo Ribery im Zentrum steht und nicht gedeckt wird.

5. Die „Plumpheit“ der Bayern

Die improvisierte Verteidigung der Bayern, insbesondere in den Bildern aus der 2. Halbzeit, entspricht keinem Lehrbuch. Trotzdem ist sie extrem gut abgesichert und halbwegs kompakt. Im Gegensatz dazu befolgen die Dortmunder die Regeln des ballorientierten Verteidigens fast nach Lehrbuch. Es gibt nur kleine Add-Ons, wie das doppelte Herausrücken und die Isolation der ballfernen Seite. Von daher ist Jupp Heynckes und seinem Team also eher noch mehr Respekt zu zollen, da er quasi eine neuartige auf die Mannschaft abgestimmte Deckungsvariante eingeführt hat.

Zu der Diskussion über die Rolle der Erschöpfung möchte ich gern noch ergänzen, dass die Fitness auch einen hohen Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit hat. Dies kommt besonders beim Timing des Herausrückens zum Tragen. Während der BVB in den Anfangsminuten die Gleichzahlen in der Verteidigung noch gut verteidigen konnte, wurde dies natürlich mit stärkerer Erschöpfung immer schwieriger.

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chicago_bastard 31. Mai 2013 um 09:20

Ich hätte da 2 Fragen:

1. Im Text heißt es, Weidenfeller hätte vor seinen langen Bällen mehrfach ein Anlaufen von Mandzukic provoziert. Was bringt das denn genau?

2. Im Fazit heißt es, es dürfe angezweifelt werden, dass die Kräfte bei den Dortmundern aufgrund des anfänglich hohen Pressing-Aufwands nachgelassen hätten wie von einigen Seiten behauptet. Das seh ich anders, exemplarisch sei die Szene aus der 79. Minute genannt, als Lewandowski einen Zweikampf gegen Boateng verlor und diesem dann auf den Knöchel trat. Diese entstand durch einen Ballgewinn der Dortmunder, woraufhin der auf Höhe des Mittelkreises befindliche Reus den Ball nach vorne zu Lewandowski spielte. Dieser wurde von 2 Bayernspielern gestellt, rechts lief Kuba mit. Und nun das Erstaunliche: Kuba war tatsächlich der einzige BVB-Spieler, der bei diesem erfolgversprechenden Konter mitgelaufen war, selbst Reus ist nach seinem Zuspiel nicht mit nach vorne gelaufen. Es gab weitere Kontergelegenheiten in der 2. Halbzeit, bei denen nur wenige BVB-Spieler mit nach vorne gingen. Das kann ich mir ehrlich gesagt nur durch fehlende Kraft erklären oder worauf würdet ihr das zurückführen?

Antworten

Curlygerman.de 31. Mai 2013 um 09:42

@chicsgo_bastard: das mit den verschenkten kontern ist mir auch aufgefallen. Vielleicht wollten sie ja auch hinten nicht zu sehr öffnen umkämpfte nicht den entscheidenden Treffer reinzukriegen…
Bombastische Arbeit, rm, vielen dank!

Antworten

sharpe 31. Mai 2013 um 09:51

Reus war für mich das beste Beispiel für das Nachlassen des BVB. Was er die ersten 25 Minuten in sehr hohem Tempo gelaufen ist, ist für ihn äusserst ungewöhnlich. Aber das geht eben nicht ewig und wenn man sich mal vergleichsweise Minuten zwischer der 10. unf 20. anschaut und dann Minuten in der 2. Hälfte, ist ein riesen Unterschied zu erkennen, mit welchem Tempo und welcher Intensität Bayern-Spieler angelaufen werden. Und das macht halt dann den Unterschied, wenn jeder Bayern-Spieler im Schnitt 1 Sekunde mehr Zeit hat, um Entscheidungen zu treffen, reicht dass, um ihre Klasse auszuspielen.

Antworten

a neuer 31. Mai 2013 um 10:07

Was Weidenfeller betrifft:
Ich denke, es geht da einfach darum, die Räume zwischen den Bayernspieler zu weiten, außerdem fällt der vorderste Bayernspieler bei Verlust des zweiten Balles aufgrund seiner Abseitsposition erst einmal als Anspielstation aus.

Oder sieht RM noch weitere Vorteile.

Dazu kommt, Weidenfellers Passgenauigkeit ändert sich ja nicht so gewaltig, wenn er den weiten Ball ohne Druck spielen kann. Das heißt, es entsteht kein Nachteil.

Antworten

_ME_ 31. Mai 2013 um 05:06

Vielen Dank RM!
Jetzt erst mal lesen 😉

Antworten

_ME_ 31. Mai 2013 um 08:13

Super Analyse!
Jetzt muss (bzw. darf) ich mir das Spiel nochmal anschauen.

So eine Analyse als Podcast mit der Timeline des Spiels wäre klasse, aber vermutlich ist das nicht zu realisieren.

Antworten

Thomas 31. Mai 2013 um 14:17

Ich hatte mir die genannten Szenen im Spiel auch nochmal in der ZDF Mediathek angeschaut. Bei mir hat das ja zwei Fragen ausgelöst:
– woher habt ihr die Gesamtübersicht über das Spielfeld? Das sieht man ja an den Fernsehbildern nicht…
– warum zeigen die dauernd irgendwelche Bildern von jubelnden oder besorgt dreinschauenden Fans? Ich will sehen, wie sich die Spieler auf dem Feld für die Ausführung der nächsten Aktion positionieren! 🙂

Antworten

Vinnie 31. Mai 2013 um 00:20

Fantastische Analyse! Vielen Dank! 🙂 Einen Verbesserungsvorschlag hätte ich aber: Könntet ihr vielleicht für solche Analysen Spieler-Symbole verwenden, die die Blickrichtung bzw. die Körpervorderseite anzeigen?

Antworten

a neuer 30. Mai 2013 um 23:48

Danke. Ich frage mich, ob Ihr eigentlich Zugang zu den Aufnahmen der hohen Hintertorkamera habt…!?!
Aber das nur nebenbei.

Ich hatte schon nach der ersten Analyse den Verdacht, dass das Spiel letztlich dadurch entschieden wurde, dass die Taktik der Bayern eher die individuellen Defensivfehler verzeiht (Jetzt mal von Tölpeleien, die zu Elfern führen abgesehen).
Die recht zahlreichen Fehlpässe auch bei kurzen Bällen in der ersten Hälfte von Lahm, Alaba, BS31 führten zwar zu großem Druck, aber eben nicht zu derart vielen 100%tigen, wie umgekehrt die Dortmunder insgesamt ertragen mußten. Gefühlt waren es für einen Bayern-Fan wie mich ja 10 Großchancen in 30 Minuten, aber nach nochmaligem Sehen waren es eben doch nur 2.

Oder liegt es dann doch eher am Schnelligkeitsvorteil der Bayernoffensive, der noch stärkeren Technik, wenn man jeweils die vier Offensiven betrachtet – und um das Thema noch mal aufzugreifen, an Fehlentscheidungen gerade Hummels, die mit der Taktik eher wenig zu tun haben.

Was denkt Ihr?

Antworten

sharpe 31. Mai 2013 um 09:42

sehe ich ähnlich. Bayern hatte irgendwie immer eine Absicherung mehr, bzw. sie schafften es im Zentrum, sich gegenseitig besser abzusichern als die Dortmunder. Vielleicht täuscht es aber auch, weil der BVB einfach noch mehr ballorientiert verteidigt als Bayern und dadurch natürlich irgendwo Räume frei sind und Bayern die Klasse hat, auch in Unterzahl und Drucksituationen das Spiel zu verlagern. Auf alle Fälle schaffte es Bayern, sich eindeutig ein Übergewicht an Großchancen zu erspielen, so dass der Sieg am Ende sicher verdient war.

Antworten

GoldenGomez 30. Mai 2013 um 21:11

Da kann ich Naruto nur zustimmen, einer eurer besten Arbeiten.
Man kann sehen wie viel Arbeit in diesem Artikel steckt und ich bin euch unendlich dankbar, dass ihr immer wieder die Arbeit für uns auf euch nehmt. Ich wünsche euch den großen Durchbruch von ganzem Herzen. Beliebtestes Fußballmagazin Deutschlands oder so, dann würde auch endlich Marcel Reif verschwinden, wenn jeder erkennt, dass der ein Dummschwätzer ist.

Antworten

theboss 30. Mai 2013 um 20:48

my head just exploded

Antworten

I.M.N. Alias 30. Mai 2013 um 21:03

Still, you managed to write a comment. Respect.

Antworten

EFF 30. Mai 2013 um 20:32

Für mich waren Müllers Bewegungen ab der 30 min einer der Hauptgründe denn Bayern fand dadurch mehrere Überzahl- und Gleizahlen im forderen zweiten Drittel.
Den Dortmund konnte durch Müller hohe Postion in ersten 30 min im Bereich klare Zuordnungen (Subotic-Manzukic; Hummels-Müller) schaffen. So passen auch Spielertypen gut zueinander denn die 2 körperlichen, kopfballstarken Subotic-Manzukic und der stark antiziepierende, herausrückende Hummels mit dem beweglichen, raumdeuten Müller. Dadurch konnte Dortmunds Miffeldfeldreihe in den ersten 30 min sehr weit hoch schieben und so eine Überzahl (Ribery-Robben-Martinez gegen Bender-Gündogan-Kuba-Großkreutz; 3-4) schaffen. Dadurch konnten Bender oder Gündogan auf der ballnahen Seite denn ballnahe Sechser höher Schieben lassen und der tiefe Sechser situativ auf Martinez reagiren lassen (Mannorietierung, Zustellen mit Deckungschatten oder tief Absichern und die Kompaktheit zu erhöhen). Bayern reagiert darauf in dem Robben und Müller sich immer felxibel zeigten. Aus meiner Sicht veränderten die Bayern auch Manzukic Rolle in der ersten Halbzeit versuchte er auf nachrückende Mittelfeldspieler (Müller, Robben) aubzulegen und in der zweiten Halbzeit versuchte er Robben und Müller mehr mit Kopfballberlängerung jinter die Abwehr sie einzusetzen.

Antworten

EFF 30. Mai 2013 um 20:35

Was ich vergessen habe wie immer eine super Analyse.

Ein Lob an RM aber auch MR erste Analyse .

Antworten

Naruto 30. Mai 2013 um 18:59

Oh mein Gott, Wanhsinn!!! Wie lange hab ich auf so ein Spektakel von euch gewartet, leider äußerst geil Jungs!

Antworten

no.12 30. Mai 2013 um 23:48

Dito!

Antworten

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