FSV Mainz – Werder Bremen 1:1

Die erste Halbzeit zwischen dem FSV Mainz 05 und Werder Bremen langweilt dank risikobefreiter Taktiken. Nach der Pause haben beide Teams genug Chancen, das Spiel für sich zu entscheiden.

Grundformationen erste Halbzeit

Grundformationen erste Halbzeit

Das Derby der grummelig gelaunten Trainer sorgte schon früh für miese Stimmung – zumindest auf Bremer Seite. Die Mainzer begannen das Spiel mit einer Balleroberung im letzten Drittel. 12 Sekunden nach dem Anpfiff geht Mainz dank einem Tor nach einem gelungenen Pressing-Move von Ivanschitz in Führung. Dieses Tor beeinflusste den weiteren Spielverlauf nachhaltig. Die erste Halbzeit lässt sich kurz zusammenfassen: Die einen wollten nicht – und die anderen auch nicht so Recht.

Werder spielt sich auf den Flügeln fest

Die Mainzer konnten sich in der Folge auf ihr starkes Defensivkonzept verlassen. Die Mainzer stellten sich in einem 4-2-3-1 auf. Wenn Werder mit dem eigenen 4-2-3-1 geordnet angriff, standen die Mainzer in einer extrem engen Ordnung. In diesen Fällen rückten alle fünf Mittelfeldspieler ballnah ein, sodass die Mainzer einen starken Block gegen den Ball hatten. Gerade Angriffe über die Flügel konnte Mainz mit der extrem engen Verteidigung kontern. Der jeweilige Außenstürmer, der ballnahe Sechser und der Außenverteidiger gingen auf den ballführenden Bremer und isolierten ihn von der Mannschaft. Die Mainzer waren dabei stets darauf bedacht, den Rückpassweg zu verschließen, um keine Spielverlagerung über einen der Bremer Sechser zu riskieren.

Die Bremer konnten sich aus diesen Situationen nicht befreien, im Gegenteil: Sie spielten sich fest. Ihr offensives Trio rückte ebenfalls ballnah ein, blieb dabei aber immer in Unterzahl. Schnelle Spielverlagerungen waren nur selten möglich, da auf der ballfernen Seite kein Spieler wartete. Das Fehlen von direkten Spielverlagerungen ist schon länger ein Charakteristikum des Bremer Spiels. Als Option blieben einzig Flanken auf Petersen. Diese konnten unter dem gegnerischen Druck jedoch nur sehr ungenau gespielt werden. Bremen kam so in Halbzeit Eins nie wirklich in Strafraumnähe.

Mainz dominiert und schlägt hohe Bälle

Zugleich ließen die Mainzer bis zur Pause den Ball zirkulieren. Bremen störte sie dabei nicht. Sie praktizierten ein Mittelfeldpressing, das erst einsetzen sollte, wenn die Mainzer den Ball ins zweite Drittel spielt. Allerdings nutzten die Mainzer diese Zone selten. Da die Bremer ihren Gegner nicht in der eigenen Hälfte unter Druck setzte, kombinierte sich der FSV im Zweifelsfall lieber zurück ins eigene Drittel als den riskanten Pass ins Mittelfeld zu wagen.

Sobald die Mainzer die eigene Hälfte verließen, kennzeichnete sie eine asymmetrische Ordnung im Mittelfeld: Auf links spielte Verteidiger Pospech höher als sein Pendant und Außenstürmer Ivanschitz tiefer. Diese Seite war eher spielerisch geprägt; die Mainzer versuchten, sich in die Räume auf links zu kombinieren. Gleichzeitig blieb Müller auf rechts hoch und fungierte als Abnehmer für lange Bälle. Diese kamen entweder als Flanken aus dem linken Raum – oder über lange Bälle von Svensson oder dem zurückhaltend agierenden Rechtsverteidiger Bell.

Diese hohe Spielanlage war wenig effektiv. Bremen fing die meisten Bälle ab, zudem waren viele Anspiele unsauber und oft zu weit. Diese Spielweise hatte allerdings den angenehmen Nebeneffekt, dass die Mainzer nie ihre eigene Ordnung aufgeben mussten. Da sie das Mittelfeldzentrum mieden, konnte Werder keine potentiell gefährlichen Ballgewinne erzielen. Wenn die Mainzer den Ball abgaben, dann nur bei ihren hohen Bällen – und da waren alle eigenen Spieler schnell wieder hinter dem Ball. Die Mainzer konnten also stets auf ihre enge Ordnung bauen.

Action gibt es erst nach der Pause

Die erste Halbzeit war dementsprechend ereignisarm. Ein Freistoß von Ekici war das einzige Highlight. Nach der Pause sahen die Zuschauer ein anderes Spiel. Die Mainzer wagten sich aus ihrer Blase heraus: Pospech rückte öfter als in Halbzeit Eins auf und auch Soto und Baumgartlinger stießen öfter nach vorne. Mit mehr vorstoßenden Spielern intensivierte Mainz auch das Pressing. Manches Mal pressten drei oder gar vier Spieler in der vordersten Linie. Alternativ setzten die Mainzer die Bremer Innenverteidiger mit einem 4-4-2-Pressing unter Druck. Der Effekt: Die Zahl der gewonnen Zweikämpfe in der gegnerischen Hälfte verdoppelte sich im Vergleich zur ersten Hälfte.

Die Schattenseite: Wenn Werder Bremen es schaffte, sich zu befreien, eröffneten sich Kontermöglichkeiten. Mainz agierte in einigen Pressingsituationen so offensiv, dass im Mittelfeld nur eine Absicherung blieb. Hunt und Ekici steuerten die Räume neben dieser Absicherung an und konnten im Idealfall freigespielt werden. Daraufhin hatten sie die Möglichkeit, Fahrt aufzunehmen und zwangen die Mainzer Verteidigung, die eigene Ordnung zu verlassen.

In solchen Kontersituationen nutzten die Bremer die Breite des Platzes besser als in Halbzeit Eins. Gerade nach der Einwechslung Arnautovic‘ (62. für Bargfrede) konnten sie aus dem Zentrum heraus das Spiel schnell auf die Außen verlagern. Der Ausgleich war eine Kombination dieser zwei Effekte: Zunächst behauptete Sokratis gegen drei Mainzer den Ball. Er konnte Hunt freispielen, der im halbrechten Raum Fahrt aufnehmen konnte. Seinen Pass nach Außen veredelte Arnautovic mit der Vorlage zu Hunts Treffer (69.).

Mainzer Mittelfeldraute

Grundformationen nach den ersten zwei Wechseln (62. Minute)

Grundformationen nach den ersten zwei Wechseln (62. Minute)

Dieser Treffer fiel in eine Phase, in der die Mainzer ihr System umstellten. Thomas Tuchel versuchte, mit einem 4-3-1-2 wieder mehr Zugriff auf das Zentrum zu erhalten. Schon in den Minuten zuvor versuchte Mainz im Angriff, den gegnerischen Zehnerraum öfter und effektiver zu bespielen.

Ihre besten Möglichkeiten hatten sie nach der Pause, wenn sie von den Halbräumen aus ihre Stürmer hinter die Abwehr schicken konnten. Diese Halbräume erreichten sie entweder, wenn Soto und Baumgartlinger nach vorne stießen und mit den offensiven Akteuren diese Räume überluden. Oder aber nach Ballgewinnen, wenn Werder unsortiert war. Dann konnten sie mit schnellen Kombinationen ihre Stürmer hinter die Abwehr schicken oder an die Grundlinie gewannen.

Mit den Wechseln verstärkte sich dieser Effekt noch einmal. Hunt interpretierte seine Rolle als nomineller Sechser offensiv, Trybull war oft einzige Absicherung. Zeitgleich konnten Soto und/oder Baumgartlinger öfter aufrücken, da Kirchhoff diese Vorstöße als Sechser absicherte. Die Mainzer kamen öfters in den gegnerischen Sechserraum. Insgesamt dreimal konnten sich die Mainzer frei vor Mielitz kombinieren – allerdings gewann Mielitz alle drei Duelle.

Nachdem das Spiel in den ersten 25 Minuten der zweiten Halbzeit von Strafraum zu Strafraum lief, verlor das Spiel zum Ende hin wieder etwas an Fahrt. Die Bremer gingen im Pressing nicht das letzte Risiko. Sie standen nun defensiv stabil, auch weil die Außenspieler viel Arbeit gegen den Ball verrichteten. Man könnte Arnautovic fast eine Manndeckung von Pospech nachsagen, so verbissen verfolgte er ihn in der Rückwärtsbewegung. Hierdurch konterte Werder dessen häufige Vorstöße in der Schlussviertelstunde. Werder schloss so den linken Flügel, während im Zentrum Hunt und Trybull sich in die Zweikämpfe schmissen. Auch Mainz presste nicht mehr so riskant. Am Ende blieb es beim 1:1.

Fazit

Es war ein Spiel, das sich in zwei Hälften teilen lässt: Bis zur Pause riskierten beide Teams wenig – die Mainzer aufgrund der frühen Führung, die Bremer aus Angst vor Mainzer Kontern. Erst nach der Pause trauten sich beide Teams aus der eigenen Hälfte. Es entstand ein schnelles Box-to-Box-Spiel, in dem beide Teams zahlreiche Chancen hatten. Die Einwechslung von Arnautovic könnte das Zünglein an der Waage gewesen sein; offensiv gelang ihm außer seiner Torvorbereitung zwar wenig, dafür nahm er Pospech sehr gut aus dem Spiel.

Thomas Tuchel bemängelte auf der Pressekonferenz, dass sein Team nach der Führung die Zweikämpfe nicht annahm. In der Tat ist es eine interessante Frage, was passiert wäre, wenn Mainz nach der Führung das Pressing intensiviert hätte. Vielleicht wäre dies eine bessere Strategie gewesen, als die wiedererstarkten Bremer nach der Pause unter Druck zu setzen. Am Ende bleibt ein Unentschieden, bei dem beide Teams sich ärgern müssen, ihre Großchancen in Halbzeit Zwei nicht verwertet zu haben.

matt 1. April 2013 um 21:41

@King-Cesc:

Ich habe vor knapp 10 Jahren mal mit einem Freund über Schaaf gesprochen und mir gewünscht, dass er für reinige Monate ein Praktikum bei einem guten Defensiv-Trainer machen würde, da damals schon die Schwächen in diesem Bereich mehr als offensichtlich waren. Deinen Vorschlag mit dem Defensivcoach finde ich daher sehr gut und sinnvoll. Allerdings fände ich es sogar besser, wenn es nicht nur ein Defensivcoach, sondern eher ein Taktikcoach wäre – das Leverkusener Vorbild (auch wenn es dort aus einer anderen Not geboren wurde) ist ja kein schlechtes.

@Spielverlagerung: Mal wieder ein gelungener Artikel. Insgesamt ist es sehr angenehm, wie die Diskussionen auf dieser Website ablaufen: Viel Inhalt, wenig Gefasel und glücklicherweise gar keine Pöbeleien. Die Foren der werdernahen Tageszeitungen sind leider unerträglich (geworden).

Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube einen Fehler im Bericht entdeckt zu haben. In meiner Erinnerung war es nach dem Sokratis-Zweikampf vor dem Ausgleich de Bruyne und nicht Hunt, der den Pass auf Arnautovic spielte.

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Peda 2. April 2013 um 15:24

Yep, war de Bruyne.

Zu Arnautovic hätte ich noch eine Frage: ihr schreibt von einer Quasi-Manndeckung von ihm gegen Pospech, auch im Nationalteam ist mir seine engagierte Defensivarbeit aufgefallen (hat ja gegen Irland quasi für zwei verteidigt, so wie Fuchs momentan drauf ist). Hat er sich in diesem Punkt wirklich kontinuierlich verbessert, versucht er vielleicht einfach seine offensive Flaute zu kompensieren, oder waren das in diesen Spielen zufällig jeweils gezielte Anweisungen des Trainers?

In den österreichischen Medien breitete sich ja regelrecht ein Shitstorm über ihm aus, da er in den letzten Begegnungen kein Tor herbeigezaubert hatte – seine engagierten Defensivleistungen wurden dabei jedoch nicht erwähnt.

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Alex 1. April 2013 um 11:43

Ich würde zu gerne Schaaf und Trappatoni zusammen auf dem Platz und vor allem beim Interview sehen!

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Peter Stöger ^^ 31. März 2013 um 22:12

Nach einem gelungene Pressing-Move… Sehr schöner Satz 😀
Hab eine Frage an Spielverlagerung: Was hält ihr von Thomas Schaaf? Denkt ihr wäre ein Trainerwechsel richtig, und welcher guter Trainer würde sich Werder eurer Meinung nach antun? Hoffentlich nicht Markus Babbel…

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TE 31. März 2013 um 23:09

Puh, das ist eine sehr weite Frage. Grundsätzlich reiße ich als „Internet-Nerd“ nicht gerne das Maul auf, wenn es um Trainerentscheidungen geht. Fakt ist: Bremen macht seit Jahren einige Dinge besser als die Konkurrenz (Offensivfluidität, Schulen junger Spieler), bekommt aber gleichzeitig viele Fehler nicht abgestellt (hohe Abwehrkette mit mangelhaftem Pressing, fehlende Verbindungen zwischen Flügeln etc.).

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King_Cesc 31. März 2013 um 23:32

Eigentlich könnte Schaaf und sein Team bleiben, wenn sie eventuell einen „Defensivcoach“ hinzunehmen würden 😀

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Calli Camp 1. April 2013 um 15:05

Bei aller Symphatie für Schaaf und Werder: Dass in Bremen junge Spieler gut geschult würden, ist leider ein Mythos. Bis auf Hunt, Bargfrede und Schulz haben es unter Schaaf meines Wissens keine in der Bremer Jugendabteilung ausgebildeten Spieler mittelfristig in den Profi-Kader geschafft.
Die taktischen Schwachstellen von Werder sind hier und v.a. von Johann Petersen immer wieder beschrieben worden.
Ich habe den Eindruck, die große Stärke des Trainers Schaaf ist es, überdurchschnittlich gute Spieler (Micoud, Diego, Özil, Naldo; aktuell wohl am ehesten: Sokratis, de Bruyne und Hunt) zu bestmöglichen Leistungen zu bringen, wie es schon der Spieler Schaaf getan hat. Das ist nicht wenig, wird aber spätestens dann zum Problem, wenn es immer weniger derart glänzende Individualisten im Kader gibt.

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GoalImpact 31. März 2013 um 00:49

Danke für die Analyse. Als Werder-Fan musste ich diese Saison ja schon viel Leid ertragen. Da ist ein 1:1 in Mainz ja ein Lichtblick. Jetzt haben wir auch ein besseres Torverhältnis als der HSV und Augsburg hatte das notwendige Pech, so dass der Klassenerhalt immer sicherer erscheint. Mit dem Kader sind keine Europacup-Plätze drin. Ich hoffe hier tut sich im Sommer etwas, auch wenn ich es nicht glaube.

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C 31. März 2013 um 01:23

Wenn man die Namen liest dann sieht die Mannschaft eigentlich nicht so schlecht aus… aber wird ja eher schlechter als besser wenn De Bruyne geht und wer weiss was Petersen und Arnautovic machen

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