1. FC Nürnberg – FC Schalke 04 3:0

„…und wenn er auf’s Klo geht, dann gehst du mit ihm mit!“

Nachdem Jens Kellers Schalker zuletzt wechselhafte Ergebnisse einfuhren, ging es am Wochenende nach Nürnberg. Dort erwartete ihn Michael Wiesinger mit einem unorthodoxen System, gegen das die Gäste nicht gewappnet waren.

Nürnbergs Manndeckungstrichter

Gegen das in dieser Rückrunde öfter problematische Schalker Aufbauspiel setzte der Club auf sehr konsequente Manndeckungen. Besonders auf den Flügeln wurden die direkten Gegenspieler sehr bissig und aufmerksam verfolgt, um zurückfallende oder Überlaufbewegungen aufzufangen. Gerade die Mittel, mit denen sich die flügellastigen Schalker im Derby noch durchsetzen konnten, verhinderten die Nürnberger völlig.

Schalkes Manndeckungen trichterförmig, die Achter stopfen Löcher.

Nürnbergs Manndeckungen trichterförmig, die Achter stopfen Löcher.

Bereits Greuther Fürth konnte auf Schalke mit solchen Manndeckungen außen einen Sieg erringen und wieder funktionierte dieses Mittel sehr gut. Ein Problem, welches Fürth hatte, fing außerdem Timmy Simons auf: Er nahm Julian Draxler in enge Deckung und verhinderte somit, dass der Youngster sich durch Freiräume winden konnte. Dass er stets schon bei der Ballannahme gestört wurde und dadurch kein Tempo aufbauen konnte, schmeckte dem dynamischen Dribbler gar nicht.

Die dadurch entstehenden Lücken vor der Abwehr versuchte dann gelegentlich Obasi zurückfallend zu nutzen, aber auch hier war Nürnberg dem Gefahrenherd auf den Fersen. Je nach Raum nahmen Klose oder Nilsson ihn in Deckung und verfolgten ihn notfalls bis ins Mittelfeld. Dass sich dadurch wiederum Räume in der Viererkette öffneten war kaum ein Problem – alle umliegenden Spieler waren ja ebenfalls in Manndeckung und konnten nicht frei dort hineinstoßen.

Auf diese Weise schützte Nürnberg von außen nach innen die Zonen in Strafraumnähe. Diese Strategie spielten sie mit herausragender Bissigkeit, weshalb Schalke kaum individuell durchbrechen konnte. Zudem wurden sehr weite Ausweichbewegungen in tiefere Zonen vereinzelt auch klug übergeben. Dass die taktisch gesehen dennoch recht simple Strategie vor keine größeren Probleme gestellt wurde, lag aber auch am Ansatz der Gäste.

Schalkes kämpfende Doppelsechs

Diese begannen nämlich das erste Mal in der laufenden Saison ohne Roman Neustädter auf der Doppelsechs und auch der clevere Marco Höger wurde aus dem Zentrum herausgeschoben und hatte als Rechtsverteidiger den Flügel zu beackern. Statt dieser strategischen Besetzung, die den Knappen den Derbysieg brachte, lief das physische Gegenstück auf: Jermaine Jones und der bisher als Linksverteidiger eingesetzte Sead Kolasinac, die beide vor allem über Kampf und Athletik in ihr Spiel kommen.

Nürnberg - Schalke _ GrundformationenDas erscheint auf den ersten Blick keine all zu schlechte Wahl gegen ein Defensivsystem, welches von direkten Duellen lebt. Ihren direkten Gegenspielern Feulner und Kiyotake waren die Schalker Sechser gerade körperlich klar überlegen. Diese Duelle entstanden aber kaum, da sich die beiden gar nicht in die Nürnberger Manndeckungszonen hineinbewegten.

So positionierten sich die Nürnberger Achter kurz hinter der Mittellinie und folgten ihren Gegenspielern nicht im Bielsa-Stil über den ganzen Platz. Ihre Grundpositionen verließen sie nur dann für situative Manndeckungen, wenn Kolasinac oder Jones sich über diese Höhe hinaus wagten.

Das taten die beiden aber nur selten, was gerade angesichts der vertikalen Natur von Jones etwas verwundert. Dieser bewegte sich ungewohnterweise sehr horizontal in Nähe der Mittellinie und gab eine Art pendelnden Spielmacher – keine sehr passende und mit 72% Passquote auch keine sehr effektive Rolle. Daneben spielte Kolasinac sogar meistens den noch tieferen Part und verhielt sich sehr absichernd.

Vielleicht waren diese Positionsinterpretationen auf Traineranweisungen zurückzuführen, da Keller womöglich befürchtete, dass die beiden zusammen mit ihrem relativ aggressivem Stil Konterräume lassen würden. Eventuell lag es auch daran, dass sie anfangs merkten, bei Vorstößen ohnehin verfolgt zu werden, und so den Eindruck hatten, auf diese Weise keinen Einfluss gewinnen zu können. Jedenfalls sorgte es auf der einen Seite in der ersten Halbzeit für sehr geringe Konteranfälligkeit der Schalker, die in einigen Situationen auch gut ins Gegenpressing umschalteten. Es war aber auch ein zentraler Grund für ihre Offensivprobleme.

Verstopfung der Halbräume

So fehlte es an Verbindungsspielern in den Bereichen um die Nürnberger Achter, die deshalb von Offensivspielern besetzt werden mussten. Feulner und Kiyotake konnten sich aber durch die fehlende Beschäftigung von vorne auf die zurückfallenden Offensivspieler im Rücken fokussieren, so dass Nürnberg in diesen Verbindungsbereichen oft Überzahlsituationen herstellen konnte.

Die zurückfallenden Bewegungen der Offensivspieler schleppten also zusätzliche Gegenspieler in diese ohnehin kompaktesten Räume Nürnbergs, weshalb Schalke nur schwer über diese Bereiche hinauskam. Gleichzeitig konnten die entstehenden Freiräume in der Nürnberger Defensive von niemandem genutzt werden, da die Sechser eben die einzigen freien Spieler im Dunstkreis waren und kaum nach vorne gingen.

Am ehesten konnte Schalke dies durch Vorstöße der Innenverteidiger kompensieren. Gegen Pekhart hatten Höwedes und Matip eine Überzahl und wegen der relativ zurückhaltenden Sechser konnten sie verhältnismäßig risikolos mit dem Ball ins Mittelfeld stoßen. Das war in der ersten Halbzeit der beste Aspekt bei Schalke und brachte die gefährlichsten Situationen im Angriffsdrittel zustande. Allerdings war auch die Effektivität dieses Mittel sehr limitiert, da die Innenverteidiger inmitten der aggressiven Manndeckungen kaum saubere Anspielmöglichkeiten hatten und außerdem oft schon von den Nürnberger Achtern aufgefangen wurden.

Insgesamt fehlte es bei Schalke an ausweichenden Bewegungen. Die Offensivspieler unternahmen viel zu wenig Versuche, ihre Manndecker aus entscheidenden Bereichen herauszuziehen. Sie machten stattdessen den Fehler, sich stark zum Ball hin zu orientieren, wodurch sie dem Gegner die Kompaktheit in Ballnähe schenkten, anstatt Räume für die vorstoßenden Mitspieler zu öffnen. Ein klassischer Fehler beim Bespielen von Manndeckungen, der dazu führte, dass Schalke über die gesamte Spielzeit kaum Gefahr aus dem Spielaufbau entwickeln konnte. Zu Chancen kamen sie dennoch auf andere Weise.

Riskante Club-Offensive – plötzlich kontert Schalke

Das Angriffsspiel der Hausherren war nämlich durchaus sehr riskant angelegt. Zwar fokussierten sie sich auf scheinbar unriskante lange Bälle, allerdings war das damit verbundene Nachrücken der Mittelfeldspieler auf etwas zu unbalanciert und sehr riskant. Zumal Pekhart nur wenige der oft unpräzisen langen Bälle erreichte.

So schalteten sich Kiyotake und vor allem Feulner sehr vertikal in die Offensive ein. Dadurch musste Simons alleine sehr große Räume im Zentrum abdecken, sobald Schalke die Bälle eroberte. Der wichtige Schutzmechanismus, den die Doppelacht über das Manndeckungssystem warf, war deswegen im Umschaltmoment außer Kraft gesetzt. Zudem fanden sich die Schalker Offensivspieler in ihren Defensivpositionen natürlich zumindest kurzzeitig frei von ihren Gegenspielern.

Dadurch kam Schalke – also kurioserweise die ballbesitzende Elf und nicht die theoretische Kontermannschaft – zu einer Hand voll extrem gefährlicher Kontersituationen, in denen besonders Farfan und Draxler ihre starke Dynamik ausspielen konnten. Mit Anlauf waren die Schalker kaum zu verteidigen und hätten dadurch in Führung gehen können oder müssen.

Da die Chancen allerdings vergeben wurden, zahlte sich Nürnbergs hohes Risiko doch aus. In der 31. Minute erreichte Pekhart einmal einen hohen Ball (ein von Simons weggeköpfter Schalke-Abstoß übrigens) und schickte Feulner steil in die Lücke hinter dem herausrückenden Matip. Der erzielte mit dem zweiten Nürnberger Torschuss die zu diesem Zeitpunkt glückliche Führung.

Kompakter Strategiewechsel

Mit der Führung im Rücken reduzierten Kiyotake und vor allem Feulner ihre Vorwärtsläufe und positionierten sich absichernder. Das wurde von Michael Wiesinger auch geschickt mit der Herausnahme von Pekhart fokussiert. Für ihn kam Mike Frantz als noch bissigere Alternative für den linken Flügel und Alexander Esswein besetzte das Sturmzentrum. Das ging mit einer Veränderung der Angriffsstrategie einher.

Die langen Bälle wurden nun nicht mehr (erfolglos) auf den Zielspieler geschlagen, sondern eher ziellos zwischen die Linien. Das Mittelfeld blieb dahinter kompakt und versuchte die herausgeköpften zweiten Bälle zu erobern, anstatt wie zuvor auf Kopfballverlängerungen steil zu gehen. Dabei positionierten sich auch die Flügelspieler etwas enger. Bei verlorenen Bällen stand Wiesingers Elf nun also sicherer als zuvor.

Esswein machte derweil nur leichten Druck auf die ersten Bälle, um die Schalker an sauberen Annahmen zu hindern, und positionierte sich ansonsten eher zockend auf die zweiten Bälle, um dann seine Geschwindigkeit hinter die Abwehrlinie zu bringen. Genau über dieses Mittel konnte der Club dann auch zum 2:0 durchbrechen, als Feulner in der eigenen Hälfte einen zweiten Ball eroberte, auf Kiyotake durchsteckte, der mit etwas Glück hinter den wiederum herausrückenden Matip verlängern konnte. Esswein ließ die hinterherlaufenden Bastos und Höwedes stehen und versenkte hervorragend.

Schalke ratlos

Ihrer Kontermöglichkeiten beraubt fanden die Knappen kaum noch Wege in die Spitze. Die Nürnberger formierten sich dabei nun noch etwas kompakter und ließen weniger Räume. Feulner fiel öfter situativ neben Simons zurück, um in einer Doppelsechs die Räume vor der Abwehr besser zu füllen; ohne dabei in den richtigen Situationen die Präsenz in den Achterräumen vermissen zu lassen. Frantz machte eine sehr starke Partie und schaffte es, gleichzeitig gelegentlich Druck auf die linken Halbräume (Jones) zu machen und dennoch Höger in den richtigen Momenten per Manndeckung auszuschalten.

Nürnberg - Schalke _ Hz2

Formationen ab der 65. Minute.

So brachte auch die Einwechslung von Raffael für Kolasinac nichts. Der Brasilianer bewegte sich vielfältig durch die Offensivräume, wurde aber von Feulners Manndeckung immer wieder aufgefangen. Dass Bastos und Farfan nun seltener zurückfielen, passte wiederum nicht zu Raffaels Rolle; kein Schalker nutzte die offenen Sechserräume. Dadurch erhöhte sich nur die Dichte vor Nürnbergs Abwehrreihe, wo es mangels ausweichender Bewegungen weiterhin kaum Räume für die Ballführenden gab.

Trotz des zunehmenden Risikos kam Schalke aus dem offenen Spiel nicht mehr durch. Zwischen der 50. und 85. Minute gab es nur klägliche zwei Schalker Schussversuche – beide innerhalb einer Minute und jeweils durch schnelle Gegenkonter nach Nürnberger Chancen. Die beste Schalker Gelegenheit nach der Pause hatte – und das fasst die Funktionsweise von Nürnbergs System ganz gut zusammen – Innenverteidiger Benedikt Höwedes in der 49. Minute (Resultat eines Einwurfs).

Stattdessen führte die zunehmende Hektik und Raffaels offensive Natur dazu, dass Nürnberg zunehmend gute Balleroberungen und große Konterräume hatte. Dadurch kamen sie mit ihrem gewohnt guten Umschaltverhalten und den schnellen Offensivkräften zunehmend zu Chancen und so machte Mike Frantz vier Minuten vor Schluss den Sack zu. Der dazugehörige Konter folgte übrigens aus einer wirren Offensivaktion von Jones, die Klose zum gerade eingewechselten Muhammed Ildiz köpfen konnte, der sich hervorragend aus der Gegenpressing-Situation befreite und Kiyotake in Passposition brachte.

Fazit

Die Defensive der Hausherren war zwar durch die vielen Manndeckungen teilweise chaotisch, aber doch sehr beeindruckend und konsequent umgesetzt. Das stellte die Gäste aus Gelsenkirchen vor ungewohnte Aufgaben, die ihnen nicht entgegen kamen. Die fehlende Kreativität und taktische Bewegungsintelligenz auf den Sechserpositionen, gepaart mit unpassenden und unabgestimmten Bewegungen der Offensivspieler legten das Schalker Aufbauspiel dann endgültig lahm.

Dass das anfängliche Risiko beim Club nicht bestraft wurde, war hingegen Glück. In der ersten halben Stunde konnten die Knappen ihre Konterstärke einbringen und hätten an einem guten Tag das Spiel dadurch frühzeitig entscheiden können.

Die sehr starke zweite Halbzeit der Nürnberger, die sie völlig zurecht für sich entschieden, legte aber die weiterhin bestehenden Probleme bei Königsblau gnadenlos offen und machen den 3:0-Erfolg zu einem sicherlich arg hohen, aber letztendlich verdienten Sieg.

 

Übrigens: Wie man gegen solche Manndeckungen offensiv effektiver vorgehen kann, zeigten die Schalker schon selber. Und zwar vergangene Saison gegen Bielsas Athletic Bilbao. Angesichts der noch krasseren Mannorientierung bei den Basken kann man das nicht eins zu eins übertragen, aber interessant ist es wohl.

Fabian 26. März 2013 um 10:34

Bei Kicktipp.de kann man sich solche Tabellen anzeigen lassen, ich weiß allerdings nicht ob man dafür registriert und/oder Mitglied einer Tipprunde sein muss.

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Petrosilius 26. März 2013 um 09:49

Hallo, wisst Ihr zufällig (oder absichtlich), ob es im Web eine Bundesligatabelle gibt, in der man sich z.B. die Tabelle der letzten 6 Spieltage (oder Spieltag x bis y) rauslassen kann?
Ich würde gerne verifizieren, ob in den letzten Wochen Schalke tatsächlich so dicht an Frankfurt rangekommen ist.
Und somit evtl. von der mit/durch Veh ausgelösten Unruhe profitiert haben könnte.
Grüße, P.

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blub 26. März 2013 um 10:33

http://www.whoscored.com/Regions/81/Tournaments/3/Seasons/3424/Stages/6576

Unter Steaks/Form/Progress findest du was du suchst. Nicht explizit, aber zumindest die Information an sich.

Das das an Veh liegen könnte halte ich für ein gerücht. Die Mannschaft schießt ja nicht nebens Tor weil der Trainer nicht verlängert hat.

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Petrosilius 26. März 2013 um 11:44

Danke, das ist ja ein Anfang. Letzte 3 bzw. 6 Spiele geht, aber nicht ein konkreter Zeitraum (Spieltag 5-10) mit dementsprechender Tabelle.
Ich denke auch nicht, dass Vehs Hin & Her Auslöser für die Schwächeperiode war, aber selbiges wurde auf 11freude.de kolportiert. Und ich fand es zumindest interessant.

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FL (aka LeFlo777) 22. März 2013 um 08:52

„Das Vorbereiten des Umschaltspiels bei noch eigenem Ballbesitz? “

Das musst du mir näher erklären. Ich versteh es nicht.

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blub 22. März 2013 um 09:26

Is im Prinzip ganz einfach. Ich versuchs mal an nem beispiel klarzumachen:
Je kompakter die eigene Offensivformation steht desto einfacher kann man ins Gegenpressing gehen. Positives Beispiel: BVB, Bayern dieses Jahr; Negatives: Werder, Bayern letztes Jahr.

Bei Nürnberg war das eigene Offensivspiel so angelegt das sie bei Ballverlust nicht in die eigene Defensivformation zurück kamen.

Wenn die 8er bei Nürnbergs kontern mit gingen, dann war die Formation sehr gestreckt und die Schalker spieler konnen riesige Räume dynamisch anlaufen und bespielen. Der Trichter aus Mannorrientierungen wird von den 8ern eigentlich verstopft, wenn diese fehlen ist der trichter nicht mehr so gut.

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FL (aka LeFlo777) 22. März 2013 um 17:19

ah cool. jetzt hab ich’s kapiert. muss zugeben, so weit hab ich auch noch nicht bewusst gedacht (unbewusst schon). Freiburg spielt doch diesbezüglich auch sehr gut, oder?

Risiko hierbei ist die Anfälligkeit für lange Bälle, oder?

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blub 23. März 2013 um 12:22

Freiburgs defensivmechanismus ist das sowieso das pressing, also ist es nicht so schwer vom offensiv in den defensivmodus zu kommen. aber ja sie sind sehr gut darin.
aber das list du besser in dem zugehörigen artikel. 😉

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ES 20. März 2013 um 20:03

Du schreibst: „Die Offensivspieler unternahmen viel zu wenig Versuche, ihre Manndecker aus entscheidenden Bereichen herauszuziehen. Sie machten stattdessen den Fehler, sich stark zum Ball hin zu orientieren, wodurch sie dem Gegner die Kompaktheit in Ballnähe schenkten, anstatt Räume für die vorstoßenden Mitspieler zu öffnen.“ Wie sieht das denn praktisch aus? Soll z.B. ein Farfan seinen Manndecker in den Schalker 6er-Raum ziehen während z.B. Jones nach Rechtsaußen vorstößt? Aber der wird dann doch auch wieder übernommen. Außer dass dann Jones und Farfan auf der jeweils falschen Position stehen, habe ich doch nichts gewonnen? Sorry, wenn ich hier extrem ahnungslos bin.
Außerdem: ich verstehe, dass es eine gute Idee sein kann, Draxler und Bastos in Manndeckung zu nehmen. Aber ein Farfan mit seiner Technik und Wendigkeit, auch unter Druck (nennt man das dann pressingresistenz?) in Manndeckung? Wieso soll das geklappt haben?

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MR 20. März 2013 um 22:20

„Wie sieht das denn praktisch aus?“

Ein gedeckter Spieler soll ausweichen, ein _freier_ Spieler geht in die entstehenden Lücken. Was passiert beispielsweise, wenn Draxler und Farfan zusammen am rechten Flügel stehen, Jones geht in den Zehnerraum (Simons ist bei Draxler) und Matip stößt mit Ball vor?

Zu Farfan: Eine Manndeckung ist ja keine wirkliche Pressingsituation. Normalerweise ist es ja so, dass Farfan sich in einem kleinen Zwischenraum dreht und dann sehr flink weiter durch einen Kanal dribbelt oder ähnliches. Noch lieber hat er es, wenn er außen den Ball bekommt und dann mit dem Gesicht auf den Gegenspieler zudribbeln. Wenn er aber durch die Manndeckung schon bei der Annahme gestört wird, kann er sich gar nicht erst drehen und daher auch seine Dynamik nicht einsetzen.

Ganz spannend in dem Kontext: Gegen Bilbao letzte Saison rannte er dann einfach mit dem Ball nach hinten, war ein hübsches Mittel gegen Bielsa. https://spielverlagerung.de/2012/03/30/fc-schalke-04-athletic-bilbao-24/ (Danke für den Hinweis übrigens, hatte ich ganz vergessen. Kommt noch in den Artikel.)

Gegen Nürnberg kam aber halt noch dazu, dass Kiyotake diese Rückfallräume blockiert, oft Draxler, meistens Höger und manchmal sogar Obasi zusätzliche Gegenspieler in Farfans Radius zogen – Schalke spielte ja vor allem in Hälfte eins sehr rechtslastig.

Und wer kann sich unter direktem Manndruck zuverlässig in fast nicht vorhandene Raum lösen? Messi vielleicht, dann wird’s schon ganz dünn.

Tatsächlich war das allerdings – auch weil Pinola nicht der dynamischste AV aller Zeiten ist – die größte Schwachstelle bei Nürnberg, wie zB bei der Höwedes-Chance in der 49. demonstriert. Aber diese Szene zeigte auch Schalkes Fehler in dem Kontext: Farfan wurde da nach einem Seitenwechsel in eine saubere 1-gegen-1 geschickt, die er dann lösen konnte, indem er den Ball einfach in den Freiraum laufen ließ, Pinola überraschte und ihn so VOR anstatt hinter sich brachte. Solche auflösenden Bewegungen funktionieren aber nicht in engen 4-gegen-4-Situationen – dafür braucht man Räume und keine gedeckten Mitspieler.

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Franke 22. März 2013 um 07:24

Ich meine erkannt zu haben, dass Pinola mit Farfan in der 2. HZ weniger Probleme hatte. Dies ist meiner Meinung nach mit der Einwechslung Franz gelungen. Dieser hat deutlich mehr Qualitäten im Defensiven Umschaltspiel als Esswein in der 2. Halbzeit.
Die rechte Nürnberger Seite hatte in diesem Spiel keine wirklichen Probleme. Der Grund dafür ist, dass Balitsch sich mehr oder weniger rein auf die Defensivarbeit konzentrieren konnte und auch Chandler gut mitgearbeitet hat.

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FL (aka LeFlo777) 20. März 2013 um 18:04

zu 1.: „Also das Defensivsystem Nürnbergs funktionierte da auch schon, nur das Offensivsystem funktionierte defensiv nicht“

Für diesen Satz hab ich etwas gebraucht 😉
Also hatte der Club große Probleme im Umschalten von Offensive in die Defensive nach einem Ballverlust, wie du schon im Artikel richtig angemerkt hast.
Ich glaube, bei Pinola war es trotzdem eher eine individuelle Schwäche (Zweikampf, Stellenungsspiel, Ballverluste) als das die Mannschaftstaktik nicht gepasst hat. Aber das sind Kleniigkeiten und soll den Artikel nicht schlecht machen.

zu 2.: Ich bin auch kein Fan von Jones. Seine Aktionen sind einfach zu wild, unkordiniert und er hat zu wenig Spielverständnis. Er erinnert mich doch sehr an Überbleibsel aus den Tagen des Rumpelfußballs ums die Jahrtausendwende. Also Stürmer würde ich ich trotzdem mal gerne sehen 🙂

Ich verstehe nicht, dass Keller gegen einen so defensiven Gegner nicht um mehr Spielkontrolle bemüht ist.Aber anscheinend hat Jones bei den Trainern ein gewissen Standing, was ihn unverzichtbar macht. Ist es wirklich nur das „Grass fressen“ oder überseh ich da was?

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Fabian 21. März 2013 um 10:20

zu 1) ergänzend:
Die Probleme liegen ja nicht nur im Umschaltspiel, sondern auch davor, quasi in der Vorbereitung auf das Umschaltspiel bei (noch) eigenem Ballbesitz. Das ist ein Punkt, der vielleicht allen hier klar ist, mir aber erst in den letzten Wochen durch Spielverlagerung in seiner Wichtigkeit verdeutlicht wurde. Deswegen wollte ich das hier noch einmal hervorheben.

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HSV 24. März 2013 um 14:15

wie genau würde denn so eine Vorbereitung auf das richtige Umschalten aussehen ? :O 😀

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blub 24. März 2013 um 20:11

Schau mal weiter unten, da hab ichs erklärt.

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FL (aka LeFlo777) 20. März 2013 um 11:47

Hallo und vielen Dank für die Analyse.

Zwei Fragen, Anmerkungen:
Nürnbergs Taktik ist in den ersten 20 Minuten überhaupt nicht aufgegangen. Schalke hatte einige Großchancen, die leichtfertig vergeben wurden. Riesendusel für den Club.
Besonders interessant das Duell Pinola gegen Farfan. Pinola hatte erhebliche Probleme. Er bekam nie wirklich Zugriff auf Farfan. Schalke spielte über Nürnbergs linke Seite fast alle Chancen heraus. Hätte Wiesinger nicht reagieren sollen?

Außerdem bleibt mit Keller immer noch ein Rätsel: Er stellt 2 Spieler mit ähnlichem Profil (technischen Defizite, wenig Spielübersicht) auf die 6 gegen einen defensiven Gegner. Hätte man nicht besser Kolasinac als AV aufgestellt und dafür Höger oder Fuchs ins Zentrum stellen können?

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MR 20. März 2013 um 15:32

1. Hab ich ja beschrieben mit den Kontern, die dann nach der Führung immer mehr abnahmen. Aus dem Schalker Spielaufbau ging auch in den ersten 20 Minuten (fast?) nichts. Also das Defensivsystem Nürnbergs funktionierte da auch schon, nur das Offensivsystem funktionierte defensiv nicht, würd ich sagen.

2. Hätte man sicher machen können, allerdings ist Höger dabei natürlich der einzige Rechtsfuß. Keller lässt sehr flügellastig spielen und hat daher wohl kein Faible für inverse Außenverteidiger. (Ich persönlich würde Jones ja sowieso nur als Mittelstürmer einsetzen…)

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Leser 20. März 2013 um 17:45

„(Ich persönlich würde Jones ja sowieso nur als Mittelstürmer einsetzen…)“ *rofl*

Es ist wirklich erstaunlich. Höger ist so spielstark und hat ein unheimliches Gefühl für Raum und Position. Als AV finde ich den verschenkt. Neustädter ist gerade vielleicht ein bißchen aus der Form, aber immer noch ein überdurchschnittlicher Bundesligaspieler für seine Rolle.

Keller spielt als CL-Aspirant bei Nürnberg (bei allem Respekt) mit zwei 6ern und eindeutig defensiv denkenden Spielern. Wenn Jones den 8er gibt, umgibt ihn oft ein Hauch der Willkür, der ihn dann manchmal auch gefährlich macht, wohl aber eher zufällig.

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datschge 20. März 2013 um 19:17

Mir unverständlich, warum Keller nicht Höger als rechte 6 und Uchida als RV gebracht hat. Höger hat die sonst im Team fehlende Spielintelligenz, sowohl absichernd als auch kreativ tätig zu werden, während Uchida seine Mobilität und Gespür für Kombinationsspiel aus der Abwehr heraus hätte bieten können. So verbleibt weiterhin der Eindruck, dass auf Schalke niemand so recht weiß, ob und wie man mit dem merkwürdigen Stoff „Kreativität“ umgehen soll.

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Magic Hand 20. März 2013 um 11:07

„Dadurch kamen sie mit ihrem gewohnt guten Umschaltverhalten und den schnellen Offensivkräften jetzt zunehmend zu Chancen“

Also als Clubfan frag ich mich, ob du das gewohnt gute Umschaltverhalten auf das Spiel oder auf die Saison beziehst?

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MR 20. März 2013 um 15:25

Schon auf die Saison, auch wenn das Nürnberg in der laufenden Spielzeit wohl seltener zeigen kann. Eher noch war das bezogen auf den grundlegenden Stil und das Potential des Teams und die Ausrichtung über die ganze jüngere Vergangenheit.

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MB 20. März 2013 um 11:02

Es ist eine leichte Antipathie gegenüber Jones herauszulesen 😉 – ansonsten eine mMn hervorragende Analyse. Gut strukturiert, sprachlich verständlich und trotz dessen stilistisch gut – taktische Muster gut erkannt und klar dargelegt, ohne sich in Details zu verlieren. Das ganze passend unterlegt mit aussagekräftigen/unterstützenden Daten (Verweise auf BuLi.de), ohne dass es nach künstlichen Datengesuche wirkt, die dazu dient krampfhaft die Thesen zu stützen. Darüberhinaus immer wieder mal den Spielverlauf
eingestreut, was mir persönlich wichtig ist, um die Partie zu „(be)greifen“.

Alles in allem Lehrbuchmaterial! Großes Lob!

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RD 20. März 2013 um 10:14

ich glaube unter der ersten Bild Unterschrift müsse es Nürnberg und nicht S… äh also der Name der blauen stehen ^^

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Henry 20. März 2013 um 09:33

Das heißt Club nicht Klub!

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MR 20. März 2013 um 09:50

Huch!

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Johnboy 20. März 2013 um 09:21

Kann es sein das die bildunterschriften fehlen?

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