Kurz ausgeführt: WFES S04-LEV 2005

Pro Spieltag zeigt „sky“ im Sendeformat „Was für ein Spiel“ eine besondere Begegnung aus den letzten Jahren Bundesliga – diesmal passend zum Topspiel des Wochenendes. Eine Kurzanalyse zum Spiel Schalke – Leverkusen (3:3) aus der Saison 2004/2005.

Die Ausgangslage

Vier Spieltage vor dem Ende der Saison hatten die Schalker angesichts von neun Punkten Rückstand auf den FC Bayern nur noch sehr theoretische Titelchancen. Weil die Münchener zeitgleich in Kaiserslautern keinerlei Probleme hatten und locker gewannen, hätten die Schalker ebenfalls einen Sieg zum Erhalt dieser theoretischen, aber utopischen Chance benötigt. Ihre Gegner aus Leverkusen befanden sich in einer sehr engen Verfolger-Gruppe und brauchten ebenfalls die Punkte – zwischen CL-Platz und dem gänzlichen Verpassen Europas war noch alles möglich.

Das Spiel, Analysepunkt I: Schalkes Formation und Pressing

Zum ersten Mal überhaupt in jener Saison ließ Ralf Rangnick bei den Schalkern den Vorjahrestorschützenkönig Ailton nur auf der Bank. Auf dem Feld gab es letztlich eine interessante Mischformation, die sich als Hybrid zwischen dem auf dem Papier dargestellten 4-3-1-2 mit Mittelfeldraute und einem asymmetrischen 4-2-3-1 entpuppte.

In der Defensive wurde daraus aber ein sehr klares 4-4-1-1, das zwar etwas mehr Freiheiten für Spielmacher Lincoln garantieren sollte, aber insgesamt doch auf effektives Pressing ausgerichtet war. So führten die Schalker ihre Formation sehr eng aus und agierten mit defensivstarken Akteuren wie Asamoah, Altintop und Kobiashvili diszipliniert sowie aggressiv. Einige Male wurde einer der beiden defensiven Mittelfeldspieler der Leverkusener im Sechseck aus den Mittelfeldakteuren und Stürmern isoliert, was zu aussichtsreichen Ballgewinnen führte und auch das zwischenzeitliche 3:1 brachte. Manchmal überdrehten die Hausherren allerdings auch und attackierten zu aggressiv, weshalb sich dann Lücken vor ihrer tiefstehenden Abwehr mit den etwas langsameren Bordon und Krstajic öffneten – diese Räume wurden vom beweglichen und teilweise spielmachenden Bayer-Sturmduo Berbatov/Vornonin intelligent bespielt und auch zum Anschlusstreffer (schlecht gesicherter Rückraum) sowie zum entscheidenden 3:3 (Raum zwischen den Linien) genutzt.

Das Spiel, Analysepunkt II: Licht und Schatten im Gelsenkirchener Offensivspiel

Mit dem einrückenden Kobiashvili, dem zurückfallenden und sehr arbeitsamen Ebbe Sand sowie Spielmacher Lincoln konnten die Schalker einige Male im linken Halbraum kombinieren – nicht ganz ausgereift, doch provozierte dies immerhin Freistöße, von denen Lincoln gleich zwei Stück innerhalb von nur sieben Minuten direkt verwandelte. Der Brasilianer war der dominante Mann im Spiel von S04 – und vielleicht lief etwas zu viel über ihn.

Denn es schien manchmal, als ob seine Kollegen sich zu stark auf ihn verlassen würden. So waren die Außenverteidiger entweder zu ineffektiv (Oude Kamphuis) oder viel zu defensiv (Rodriguez), das Mannschaftskollektiv rückte nicht immer konsequent mit auf, die Staffelung im Offensivspiel war nicht wirklich ideal und Asamoah war in seiner hohen, rechtsseitigen Positionen ein wenig abgedrängt und von den Mitspielern isoliert.

Das Spiel, Analysepunkt III: Bayers rechte Seite

Bei den Gästen aus Leverkusen war im Offensivspiel besonders ihre rechte Seite interessant, wo Bernd Schneider aufgrund von Sperren als Außenverteidiger auflief. Zusammen mit dem halbrechten Sechser Ramelow entstanden interessante Wechselwirkungen, da der vielseitige Nationalspieler Ansätze von abkippenden Bewegungen hinter den offensiven Schneider zeigte.

Zusammen mit Paul Freier auf dem rechten Flügel konnten die beiden somit einige Male über die rechte Seite Überzahlen herstellen und durch kombinieren. Bestes Beispiel hierfür war natürlich der erste Treffer der Partie – wie die Schalker konnte auch Bayer durch ihren Überladungsansatz torbringende Standardsituationen provozieren.

Das Fazit und die Lehren

  • Schalke mit (allerdings nicht ausgereiften) Ansätzen von Überladen anno 2005
  • Dennoch schimmerte immer wieder noch die Abhängigkeit von einem klassischen Spielmacher á la Lincoln durch
  • Typisch für Ralf Rangnicks Mannschaften setzten die Schalker auf ein aggressives Pressing mit defensivstarken und schnell umschaltenden Offensivspielern (Asamoah)
  • Die in den folgenden Jahren immer größer werdende Bedeutung der Außenverteidiger wurde von Leverkusen angedeutet (Placentes Vorarbeit vor dem 3:2)
  • Bayer mit Ansätzen eines abkippenden Sechsers und einem sehr beweglichen, teilweise gar spielmachenden Sturmduo
  • Dennoch immer wieder das sehr individuell veranlagte 4-4-2-Schema mit soliden, direkten und richtigfüßigen Außenspielern erkennbar
  • Defensive Kompaktheit und Mitarbeit noch nicht auf dem heutigen Stand, wenngleich in dieser Partie durchaus akzeptabel
  • Teilweise noch Ansätze von Manndeckungen erkennbar, die aber aufgebrochen (Lincoln entzog sich Castro durch Ausweichen nach halblinks) oder nur inkonsequent gespielt (z.B. Voronin gegen Hamit Altintop) wurden
  • Große Bedeutung von Standardsituationen, die in dieser Begegnung drei der sechs Tore brachten

Halfarsen 19. November 2012 um 20:38

„Teilweise noch Ansätze von Manndeckungen erkennbar“, das hört sich ja so an, als ob die ausgestorben wären. Dabei ist in vielen eurer Artikel über heutige Spiele, und das betrifft beileibe nicht nur die von Athletic Bilbao, von mannorientierten Zuordnungen o.ä. die Rede. Vielleicht würde eine Darlegung „Manndeckung früher und heute“ mal lohnen!?

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SR 18. November 2012 um 20:08

Hallo,

danke für die Betrachtung! Allerdings ist mir dieses „Was für ein Spiel“ auf Sky noch nie aufgefallen. Gibst du mir bitte einen Tipp wann (Wochentag und Uhrzeit) und auf welchem Sky-Sender diese Reihe immer gezeigt wird?

Danke!
SR

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TR 18. November 2012 um 20:21

Das kommt immer am Freitag Abend im Anschluss an „Mein Stadion“ – und dann auf dem entsprechenden Sky-BuLi-Kanal. Im Normalfall also um 23:45 Uhr.

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