Lazio – AS Roma 3:2

Ein Derby, an das man sich noch lange erinnern wird.

Grundformationen zu Spielbeginn

Nach dem guten Saisonstart und der starken Punkteausbeute hatte Lazio zuletzt etwas nachgelassen, gegen die Fiorentina verloren und eine peinliche 0:4-Schlappe in Catania kassiert – keine guten Vorzeichen vor diesem Römer Derby gegen den Stadtrivalen, der zuletzt besser in Form war und den Abstand auf Lazio auf zwei Zähler hatte verkürzen können. Nachdem die in Europa unterwegs gewesenen Hausherren dort ihre erste Garde geschont hatten, traten sie nun wieder mit der unter Neu-Trainer Petkovic standardmäßig gespielten 4-1-4-1-Formation und dem gewohnten Personal an. Auf der anderen Seite steht mit Zdenek Zeman ebenfalls ein neuer Coach nach der gescheiterten Liaison mit Barca-Nachwuchstrainer Luis Enrique an der Seitenlinie – und auch dieser setzte auf das gewohnte und sehr aggressiv ausgerichtete 4-3-3 mit offensiv spielendem Mittelfeld und Totti als verkapptem Spielmacher auf dem linken Flügel.

Die Roma dominiert – und führt

In der Anfangsphase, die übrigens aufgrund von Flutlichtproblemen kurzzeitig unterbrochen werden musste, war dann die Roma das dominante Team mit viel Ballbesitz, sondern auch die bessere Mannschaft. Mit einem flexiblen Dreiermittelfeld konnte Lazio meistens dagegenhalten und einige Zuspiele abfangen oder Fehler provozieren.

Lazios Pressing erfolgreich: Durch die tiefen Grundpositionen von de Rossi und den Außenverteidigern können Candreva und Mauri einrücken sowie Letzterer Überzahl im engeren Umfeld der Szene herstellen. Klose stellt geschickt den Passweg des Innenverteidigers zu de Rossi zu und zwingt diesen angesichts fehlender Optionen zum langen Ball. Wenn die Außenverteidiger mehr mit vorgingen, wurde es bei der Roma deutlich gefährlicher: So brachte ein entschiedender Vorstoß von Piris in der vierten Minute die wohl beste Kombination des gesamten Spiels.

Wenn dann aber doch einmal ein Angriff durchkam, wurde es schnell besonders brenzlig für die Hintermannschaft der Himmelblauen. Im Angriffsdrittel der Roma sorgten dann besonders die aggressiven und kaum zu verteidigenden Vorstöße der Mittelfeldspieler sowie Angriffe über die linke Seite für Gefahr. Bei letzteren Aktionen dribbelte Totti einige Male invers zur Mitte und wurde anschließend situativ von verschiedenen Spielern hinterlaufen, die er mit sehenswerten Hackentricks bediente – manchmal war es Linksverteidiger Balzaretti, manchmal aber auch der halblinke Achter Florenzi. Weil Lazio darauf zunächst keine Antwort fand und sich zu einfach von diesen Aktionen überrumpeln ließ, entstanden hieraus zwei gute Gelegenheiten – eine ging dann auch dem Eckstoß voraus, den Lamela nach zehn Minuten zur (wegen eines Foulspiels aber irregulären) Führung einköpfte.

Probleme im Spielaufbau, Gefahr über Flanken

Mit diesem frühen Treffer schienen sich die Prognosen hinsichtlich der aktuellen Instabilität Lazios zu bestätigen. Die Himmelblauen mussten nun selbst das Kommando übernehmen, taten sich dabei allerdings ungleich schwerer als ihre Rivalen. Manches Mal konnte man sich bei ihren Versuchen im Spielaufbau an den einen oder anderen enttäuschenden Auftritt aus der Vorsaison – damals noch unter Edy Reja – erinnert fühlen.

Allerdings rührte das Loch im schwach besetzten Mittelfeld diesmal nicht durch zu geringes Aufrücken, sondern im Gegenteil durch eine zu hohe Stellung der Offensivspieler hier. Wie in der Grafik unten zu erkennen, waren daher der Spielaufbau oder Kombinationen durch das Zentrum nur schwer möglich. Somit kamen die Mannen von Vladimir Petkovic fast nur über Standardsituationen, lange Bälle und konsequentes Flankenspiel, bei dem die sehr offensiv ausgerichteten und nicht immer gut genug von Lamela und Totti verfolgten Außenverteidiger viel Unterstützung leisteten, zu ihren Chancen.

Hier eine beispielhafte Szene für die Probleme Lazios im Spielaufbau – das offensive Zentrum ist komplett unbesetzt. Stattdessen wird das Spiel über die Flügel forciert (hier durch den folgenden Diagonalball von Ledesma auf Konko). Ebenfalls zu erkennen, dass die Achter Lazios ihre Gegenspieler durch geschickte Läufe vom Ball weg ziehen sollten (gelber Kasten links), um die schnelle Unterstützung der ballnahen zentralen Roma-Spieler auf den Flanken zu verhindern und den eigenen Akteuren (gegen die nicht immer ganz disziplinierten Außenspieler der Roma) mehr Platz zu geben (roter Raum).

Die Überlegenheit schwimmt im Regenguss davon

Doch dann kam der große Regen – nach etwa 20 Minuten artete dieser in fast schon sintflutartige Verhältnisse aus und verhinderte gerade in der ersten Halbzeit ein normales und vernünftiges Rollen des Balles. Wegen den veränderten Bewegungseigenschaften des Spielgeräts sowie des schwer bespielbaren Bodens wurde die leichte spielerische Unterlegenheit der zurückliegenden Laziali kaschiert. Stattdessen war ihre auf das Flügelspiel und die Wucht auf den Seiten definierte Strategie aufgrund der Bedingungen nun effektiver als normal und wurde daher auf Anweisung von Petkovic auch intensiviert.

Folglich drückten die immer besser zurechtkommenden und beeindruckend schnell angepassten Hausherren – gerade Candreva und Konko auf rechts holten aus einigen unter normalen Voraussetzungen „toten“ Spielsituationen durch intelligente Reaktionen noch Freiräume oder Ecken heraus – ihren Stadtrivalen immer tiefer in die eigene Hälfte. Durch eine ganze Reihe von Flanken, Flügeldurchbrüchen und Standardsituationen (wenngleich die Eckbälle durch den enormen Schlamm nahe der Eckfahne kaum vernünftig auszuführen waren) sowie hohe Präsenz in den Angriffszonen erhöhten sie stetig den Druck.

Lazio dreht das Spiel

Symptomatisch für die eigentlich problembehaftete, aber letztlich doch erfolgreiche Spielanlage Lazios in der Offensive war die Situation vor dem Ausgleichstreffer: Wie unten zu erkennen, hatte die Szene durch die sehr enge und hohe Stellung der Offensivakteure und die daraus entstehende Unterzahlsituationen für den im Zehnerraum isolierten Hernanes eigentlich kaum Chancen auf Erfolg – der Brasilianer musste sich dann geschickt durch zwei Gegner hindurchwinden, um den Freistoß zu erzwingen, den Candreva mit Gewalt und unter Mithilfe von Roma-Keeper Goicoechea im Tor unterbringen konnte.

Das 1:1: Man erkennt die schwache Staffelung von Lazio und die eigentliche Isolation Hernanes´ (Anmerkung: Biava konnte sich hier durch Ledesmas Absicherung vorschieben, Mauri und González hatten in dieser Szene situationsbedingt die Plätze getauscht)

Hernanes war es dann auch, der mit einem beherzten Sololauf über die halblinke Seite durchbrach und mit einer Hereingabe den Führungstreffer von Klose nur wenige Minuten später vorbereitete. Weil in der Nachspielzeit dann auch noch de Rossi wegen mehrfacher Tätlichkeit gegen Mauri sich die Rote Karte einhandelte, hatte Lazio beim Pausentee alle Trümpfe in der eigenen Hand. Dies setzte sich nach Wiederbeginn auch umgehend fort, als in Folge eines langen Diagonalballes und eines dicken Patzers von Piris schon nach zwei Minuten Stefano Mauri mit dem dritten Treffer die Vorentscheidung gelang.

Im Anschluss bot die zweite Halbzeit bei weitem nicht mehr so viel wie noch der erste Durchgang. Während Lazio mit defensiven Wechseln – besonders hervorgehoben sei dabei der 36-jährige Brocchi, der mit unglaublicher Dynamik und Aggressivität in einer defensiven Freirolle auch taktisch klug überall auf dem Feld abräumte – eher auf Sicherheit spielte, kam die Roma in Unterzahl kaum nach vorne und brauchte über zwanzig Minuten für den ersten Abschluss des zweiten Spielabschnittes. Auf ihrer Seite wirkte die überraschende Auswechslung des gefährlichen Totti zunächst unglücklich, doch der neu gekommene Pjanic brachte neuen Schwung und konnte kurz vor Ende mit einem hinterlistigen Freistoß nahe der Mittellinie den zu weit vor dem Tor stehenden Marchetti überwinden. Vor diesem Freistoß hatte Mauri seine zweite Gelbe Karte gesehen – doch trotz der wieder ausgeglichenen Spielerzahl kam die Roma erst in der letzten Sekunde noch zu einer dicken Chance, welche sich aber ebenso wenig angekündigte hatte wie der Anschlusstreffer zuvor.

Fazit

Letztlich gewann mit Lazio verdientermaßen auch die insgesamt bessere Mannschaft. Die Roma war zu Beginn überlegen, zog sich nach der frühen Führung aber zu weit zurück und wurde dann praktisch durch das Wetter dafür bestraft, das die Strategie der gegnerischen Mannschaft effektiver machte. Weil Lazio dies erkannte und die Flügelangriffe intensivierte, konnten sie das Potential der Situation ausschöpfen und in einer Phase um die Halbzeitpause die Partie schnell zu den eigenen Gunsten entscheiden. Allerdings sollte dieser Derby-Sieg nicht die immer noch vorhandenen Problemstellen im Bereich der Offensivkompaktheit und der Verbindungen zwischen den einzelnen Spielern in den Hintergründ rücken.

JayM 19. November 2012 um 22:54

Schön dass ihr das Spiel analysiert habt 🙂

Allerdings finde ich das Match aus taktisch-spielerischer wegen des Wetters nur bedingt aussagekräfitg. Wie im Artikel richtig erkannt – bei Lazio funktioniert das Zusammenspiel zwischen den Mannschaftsblöcken noch nicht so wirklich, so wie letzte Saison unter Edy Reja. Man ist immer wieder auf Einzelaktionen angewiesen, um Tore zu erzielen.

Und die Roma hat halt wieder mal bewiesen dass Zeman keine Ahnung hat wie man eine sichere Abwehr organisiert und deshalb sein Heil im Angriff sucht. Und es darf ja nicht regnen, dann geht gar nichts mehr. Lazio hat das Wetter einfach beinhart für sich genutzt…

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