SV Werder Bremen – FSV Mainz 05 2:1

Tuchels Raute trifft auf Werder – in einem ausgeglichenen Spiel mit Mainzer Chancenplus macht Hunt den Unterschied.

Tuchels Plan mit der Raute

Gegen die Spielstärke der erneut unverändert antretenden Bremer im Zentrum hatte sich Thomas Tuchel überlegt, am besten mit der bekannten Mainzer Rautenformation kontern zu können, welche Anpassungsfähigkeit und Stärke in der Mitte garantieren sollte. Daher wurde das gegen Hoffenheim noch sehr sinnvolle 4-4-2 über Bord geworfen und folglich auch  neues Personal auf den Platz gebracht: Mit dem auf der Sechs spielenden Kirchhoff, Zabavnik und Ivanschitz kamen drei neue Leute ins Spiel.

Wie üblich bei der Raute wurde im gegnerischen Aufbau das Spiel auf die freien Außenverteidiger, also in diesem Fall Gebre Selassie und Schmitz, provoziert, zu denen der jeweils ballnahe Halbspieler herausschob, während sein ballfernes Pendant mit dem Sechser eine Art situative Doppelsechs formte. Dazu konnte alternativ der auf der Zehn spielende Ivanschitz sich entweder etwas tiefer neben den ballnahen Halbspieler fallen lassen und damit die Kompaktheit erhöhen oder sich weiterhin an Junuzovic orientierten. Überhaupt sorgten die Mainzer mit ihrem Defensivspiel dafür, dass alle drei spielstarken Bremer Mittelfeldakteure immer einen Gegenspieler in der Nähe hatten.

Insgesamt funktionierte diese Strategie der Rheinhessen durchaus gut: Auch wenn sie gegen die unberechenbaren Bremer selten wirklich vollständig kontrollierten Zugriff erhielten, gelang es ihnen doch zumindest, die Werderaner aus den gefährlichen und unmittelbar tornahen zentralen Räumen herauszuhalten. Stattdessen provozierte auch ihre Spielweise viele weite Flügelwechsel der Grün-Weißen auf die ballferne Seite, wo der aufrückende und freie Außenverteidiger in einer Pärchenbildung mit dem Spieler vor ihm den Flügel hindurchbrechen konnte. Daraus resultierte eine ganze Reihe an Flanken (insgesamt 39 Stück), die nicht ungefährlich in den Strafraum segelten, aber meistens doch von den 05ern bereinigt werden konnten. So waren die Mainzer im Großen und Ganzen durchaus zufrieden damit, dass sich der Gastgeber aus der Mitte heraushalten ließ, solange ihm die Außen angeboten und die Flanken durchaus zugelassen wurden.

Mainzer Chancen aus dem Umschaltmoment und aus dem Aufbauspiel

Doch die Rautenformation sollte nicht nur ihren defensiven Zweck erfüllen, sondern auch im Umschaltmoment die entscheidende Waffe sein, um die großen Räume, die das angriffslustige und offensive Bremer Mittelfeld hinter sich ließ, zu nutzen. Gerade die hängende der beiden Spitzen – Nicolai Müller bzw. der später für ihn eingewechselte Risse – setzte sich immer wieder leicht von vorderster Front ab und kippte leicht in den halbrechten Raum vor der Abwehr, wohingegen Szalai eher auf die Außen rochierte. Weil bei Gegenstößen die Angriffe in diese Freiräume situativ über Ivanschitz, die Akteure auf den Halbpositionen oder gar die Außenverteidiger laufen konnten, hatte Mainz hier eine große Palette an Angriffsoptionen, wenngleich es natürlich meistens Müller und Ivanschitz waren, die die großen Räume hinter dem riskanten Bremer Mittelfeld nutzten – diese beiden hatten auch die beiden besten Mainzer Chancen in Durchgang eins und vergaben sie ebenso inkonsequent wie das Team einige weitere Szenen nicht gut ausspielte.

Auch beim eigenen Spielaufbau gab es einige freie Räume im Mittefeld für die Mainzer, was mit dem recht aggressiven Bremer Pressing zusammenhing, die mit den Achtern auf die Mainzer Achter pressten, während Junuzovic auf Ivanschitz Acht gab und Stoßstürmer Petersen im Dreieck aus den Mainzer Innenverteidigern und Kirchhoff arbeitete. Oftmals rückten aber de Bruyne und Hunt zwecks der Erzeugung von Druck noch weiter auf, was dann viel Raum hinter ihnen öffnete. Obwohl die Mainzer durch den hohen Druck auf ihre Abwehrspieler in diesen Szenen wenig souverän wirkten und recht häufig den langen Ball wählten, kamen sie über genau diesen Umweg doch noch in gefährliche Bereiche, da viele Abpraller bei ihnen landeten, da sie besser in den Freiräumen verteilt waren. Im Gegensatz zu den Gladbachern bei deren 0:4-Niederlage vor zwei Wochen kamen die Mainzer so einige Male zwischen den Linien frei und auch auf diesem Wege zu Torchancen.

Entwicklungen und Veränderungen im zweiten Durchgang

Aufgrund des immer noch bestehenden Rückstandes veränderte sich die Mainzer Strategie nach dem Seitenwechsel insofern, dass sie nun mehr solcher Aufbausituationen annahmen und diese auch mit flachen Vertikalpässen geschickter lösen wollten. Wenngleich sie auch auf diese Weise weiterhin nach vorne kamen, mussten sie dennoch aufpassen, aufgrund ihrer weit aufrückenden Außenverteidiger nicht selbst von den Hausherren ausgekontert zu werden, was im Ansatz einige Male passierte.

Eine weitere Veränderung bei den Mainzern, welche allerdings eher die Defensive stabilisieren sollte, sah so aus, dass nun häufiger auch der jeweils ballnahe Stürmer den ballbesitzenden und vorstoßenden Bremer Außenverteidiger diagonal von hinten verfolgte, wodurch die Mannschaft von Thomas Schaaf noch konsequenter auf den Außenseiten festgenagelt werden sollten. Wenn notwendig, wurde diese Aufgabe auch einige Male von Ivanschitz übernommen, während die Achter nun vermehrt im Zentrum blieben.

Dagegen versuchten die Hausherren, wieder mehr Variabilität und Bewegung in ihr Spiel hineinzubekommen, weshalb beispielsweise Arnautovic im Verlauf des zweiten Durchgangs immer häufiger im Zentrum auftauchte. Bei ihren Versuchen, in die gefährlichen Mittelfeldräume neben den einzigen Mainzer Sechser Kirchhoff zu kommen, bewegten sich die Werderaner allerdings ein ums andere Mal zu übertrieben hochstehend direkt an der Mainzer Viererkette, was in Sachen Staffelung und Raumnutzung nicht optimal war.

Trotz dieser enger werdenden Spielweise der Grün-Weißen rechnete Thomas Tuchel wohl mit einer kraftvollen Bremer Endphase samt Gewalt auf den Flügeln und stellte mit der Einwechslung von Junior Diaz (für Ivanschitz) nach einer kurzen Phase des Abwartens auf ein 4-1-4-1 um, welches die Bremer Außenverteidiger nun doch direkter in den Griff bekommen sollte. Doch in gewisser Weise war das „Problem“ an diesem Wechsel, dass unmittelbar nach der dicken Chance für den ebenfalls eingewechselten Yunus Malli auf der anderen Seite eben jener Junior Diaz den entscheidenden Freistoß zum 2:1 verschuldete.

Fazit

Eine interessante und unterhaltsame Begegnung, wenn auch ein durchaus klares Aufeinandertreffen zwischen Bremens breitem und spielstarkem 4-1-4-1 und der engen, aber flexiblen Mainzer Raute – so spielten die 81 % ihrer Angriffe über die Flügel, die Mainzer dagegen mit 40 % die meisten ihrer Offensivaktionen durch das Zentrum. Am Ende hatten die Bremer mehr Dominanz und Spielkontrolle, die Mainzer aber eine Überlegenheit hinsichtlich der Chancen. Es wäre ein leistungsgerechtes Unentschieden geworden, hätte Hunt kurz vor Schluss mit seinem Freistoßtor nicht den Unterschied ausgemacht. Der Bremer Kapitän spielte engagiert, war überall zu finden, rackerte, unterstützte auf den Flügeln, dabei oftmals sogar weit links und zeichnete letztlich für die beiden entscheidenden Tore verantwortlich – er war das Zünglein an der Waage.

Pillapunk 6. November 2012 um 18:39

Zu wenig um ein Spiel zu gewinnen ist, wenn man kein Tor schiesst. Bremen hat zwei geschossen und davon eins aus dem Spiel heraus. Das ist gegen Mainz, die defensiv hervorragend gestaffelt sind eine ordentliche Quote. Defensiv hat man Mainz mit teilweise eklatanten individuellen Fehlern mehrmals eingeladen etwas zählbares mitzunehmen. Es lag aber weder am Schiedsrichter noch an sonstwem, dass diese Chancen ungenutzt blieben und einzig und allein aufgrund der miesen Chancenverwertung hat Mainz auch keine Punkte mitgenommen. Spitzenmabnschaften lobt man gerne für ihre Effizienz, im Umkehrschluß darf dann auch schlampige Chancenverwertung kritisiert werden.

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Lothar 5. November 2012 um 12:26

Ne, ist schon richtig. Ich meine, Rheinhessen 😉 Mainz ist die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz, liegt dennoch in Rheinhessen ^^

Grüsse

en Meenzer

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Inf 5. November 2012 um 11:07

Beim lesen des Artikels hat man das Gefühl als hätte nur Mainz gespielt, während Bremen es einfach nur geschafft hat irgendwie zwei Tore zu schießen. Gibt es einen bestimmten Grund für die Gewichtung des Textes?

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Sebastian 5. November 2012 um 18:02

Möglicherweise weil Bremen aus dem Spiel heraus nicht viel gelungen ist, war zumindest mein Eindruck. In der 1. Halbzeit das Tor und der Pfostentreffer ansonsten war nicht viel. Der Sieg war in meinen Augen sehr schmeichelhaft für Bremen. Der Freistoß zum 2:1 sah für mich ebenso eher wie eine Schwalbe von Hunt aus, der einfach in seinen Gegenspieler gerannt ist und nur diesen Freistoß wollte.

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Pillapunk 5. November 2012 um 19:27

Bremen hat schon mehr für das Spiel getan als Mainz. Die Mainzer Großchancen resultierten aus katastrophalen individuellen Aussetzern einzelner Bremer Spieler. Über 90 Minuten gab es auf beiden Seiten häufig offene Räume und über weite Strecken viel Tempo und das Bemühen um direktes Passspiel. Letzlich waren beide Teams aber kämpferisch voll auf der Höhe und haben immer wieder schnell die zuvor geöffneten Räume geschlossen. Bremen liegt bei Flanken, Torschüssen, Ballbesitz und Passquote (klar) vorn, Mainz dagegen hatte die richtig hochkarätigen Chancen. Am Ende war der Sieg doch für beide möglich und Bremen hat ihn sich durch Leidenschaft und Konsequenz verdient. Zum Freistoß vorm 2:1 – Eine Schwalbe war das m.M.n. nicht, denn Diaz lässt das Bein stehen und Hunt nimmt den Kontakt dann (wenn auch gerne) an.

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Sebastian 6. November 2012 um 18:19

Passquote, Flanken, mehr Ballbesitz schön und gut. Es kommt halt darauf an was man damit macht und das war eigentlich zu wenig um so ein Spiel zu gewinnen. Die Flanken beispielsweise waren ja beinahe alle harmlos, genauso die Passquote und der Ballbesitz, die eben nur wenige Möglichkeiten generiert haben. In der zweiten Halbzeit eben nur die eine Chance bzw. das Tor und da pfeifft auch nicht jeder Schiedsrichter, zumal er es nur wenige Minuten vor der Szene auch nicht gemacht hat obwohl es eindeutig war (glaube bei dem Soto war das).

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dargndorp 4. November 2012 um 23:03

Danke für die Spielbesprechung – allerdings sind die Mainzer keine Rheinländer, allensfalls Rheinhessen.

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TR 4. November 2012 um 23:06

Ich war mir unsicher und hab mich dann wohl für das Falsche entschieden 😀
Naja, danke für den Hinweis, ist schon korrigiert.

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xoss 5. November 2012 um 00:19

Sorry, aber beides ist falsch. Mainz liegt in Rheinland-Pfalz, nicht in Hessen. Daher Rheinland-Pfälzer.

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Meenzer 5. November 2012 um 12:13

Mainz liegt in Rheinhessen und dieses befindet sich zwar in Rheinland-Pfalz, die Mainzer sind trotzdem Rheinhessen, alleine schon wegen der Sprache

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Pseu 5. November 2012 um 13:19

Einmal mehr ein Grund auf diese dämlichen beschreibenden Bezeichnungen zu verzichten.
Aus taktischer Sicht ist es doch völlig irrelevant, ob jetzt Rheinländer, Hessen oder wasweißichwas.

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