Fortuna Düsseldorf – Schalke 04 2:2

Die Grundformationen in der 1. Halbzeit

Spiel der zwei Halbzeiten in Düsseldorf – nach einem 0:2-Pausenrückstand holt die bis dato total harmlose Fortuna einen Punkt gegen Schalke 04.

Beide Mannschaften traten nur drei Tage nach ihren letzten Auftritten in der Bundesliga schon wieder zu einer Ligapartie an und wollten die beiden Siege gegen Fürth bzw. Mainz unter der Woche als Auftrieb mitnehmen. Norbert Meier auf Seiten der Düsseldorfer vertraute dabei fast seiner siegreichen Mannschaft aus dem Aufsteiger-Duell und brachte einzig Voronin anstelle von Ilsö wieder in die Partie, während Gäste-Trainer Huub Stevens drei personelle Veränderungen vornahm und sich für Matip, Jones und Barnetta anstelle von Uchida, Höger und Farfan in der Startformation entschied.

Die Defensivarbeit der beiden Stürmer am Beispiel des Sieges in Fürth vom vergangenen Spieltag

Gegen die favorisierten Gäste aus Gelsenkirchen bauten die vor dem Spiel noch gegentorlosen Fortunen erneut besonders auf ihre Defensivstärke – eine enge Viererkette, eine flexible Mittelfeldreihe, deren Mitglieder sich in manchen Szenen stark am Gegner orientierten, in anderen Situationen aber in verschiedene Richtungen sich defensiv fluid bewegten, und ein etwas isoliert verteidigendes Sturmduo.

Andriy Voronin und besonders Dani Schahin machten in der Defensivarbeit ein gutes Spiel – ihre Aufgabe bestand darin, sich nah aneinander zu postieren und die Passwege ins Mittelfeldzentrum hinein, besonders auf den tiefsten Sechser Roman Neustädter für die Schalker Innenverteidiger zu versperren, die außerdem durch Schahins Anlaufen auf die Seiten gedrängt werden sollten.

Jones´ Abkippen nach rechts in einer repräsentativen Spielsituation: Die strikte Orientierung von Schahin und Voronin wird durch Jones ausgehebelt, der von den beiden Fortuna-Stürmern nicht verfolgt wird, den Aufbau ankurbeln und im weiteren Verlauf des Angriffs z.B. ein Überladen auf halbrechts und/oder ein anschließendes Verlagern nach links einleiten kann

Darauf reagierte Schalke allerdings geschickt, indem sie ihre beiden Außenverteidiger Höwedes und Fuchs sehr hoch und breit aufrücken ließen – auf der rechten Seite war es für Jones dann möglich, in die dadurch geöffneten Halbräume hinter Höwedes abzukippen. Somit konnten Matip und Papadopoulos etwas tiefer bleiben und spielten viele Bälle auf Jones – weil die Düsseldorfer Stürmer sich fast ausschließlich an den Verbindungen zwischen Neustädter und den Innenverteidigern orientierten, reagierten sie kaum auf Jones´ Bewegungen (erst in der Phase kurz vor der Halbzeit rückte Lambertz verstärkt gegen ihn vor), so dass dieser viele Freiheiten auf halbrechts fand. Da Düsseldorf ohnehin auf Absicherung und kaum auf das Aufbauen von Druck konzentriert war, hatte Schalke mit ihrem anpassungsfähigen Spielaufbau, in den sich auch andere Offensivspieler flexibel einschalten konnten, viel Kontrolle und Sicherheit – Düsseldorfs etwas losgelöst arbeitendes Sturmduo wurde ineffektiv.

Schalke übertrumpft Fortunas Mittelfeld…

Aus ihrer sicheren Aufbaukontrolle heraus konnte Schalke dann ihre große Stärke in den höheren Zonen ansteuern – gerade im Bereich zwischen den Linien der gegnerischen Formation agieren die Schalker Offensivspieler meistens sehr gut. In dieser Partie wurde der sehr bewegungsintelligente Holtby in den zentralen Bereichen vom gelegentlich einrückenden Barnetta, aber ganz besonders von Afellay unterstützt, der sehr frei über den Platz wanderte und mit seinen Kollegen eher auf halblinks überladen wollte, während Jones die frei gelassenen Räume auf rechts ansatzweise zulief.

Die Düsseldorfer hatten dem Schalker Spiel in den Zwischenräumen und ihrem Überladen der halblinken Seite nur wenig entgegenzusetzen. Durch die von Höwedes und Fuchs gehaltene Breite auf den Flanken sowie die defensive Abtrennung von Mittelfeld und Angriff waren die zentralen Mittelfeldspieler der Fortuna zu oft allein gelassen und konnten sich der Schalker Übermacht nicht erwehren. Auch wenn die Hausherren versuchten, mit viel Einsatz und Beweglichkeit der Mittelfeldspieler diesem entgegen zu wirken: Entweder taten sich außen oder im Zentrum Lücken für Schalke auf.

…ist aber zu ineffektiv

Das Problem aus deren Sicht war allerdings, dass sie diese Löcher bei Düsseldorf zwar anspielten, allerdings nicht effektiv genug ausnutzen, weshalb trotz potentieller Anfälligkeit der Düsseldorfer nur wenige Chancen im ersten Durchgang kreiert werden konnten (die ersten beiden bedeuteten sofort zwei Treffer). Wenn man im Zentrum Löcher fand und die Fortuna sich daher enger stellen wollte, konnte man aus der Enge schnell auf die freien Flügel verlagern – doch scheiterten diese Angriffe an teilweise vorschnellen und ohnehin unpräzisen Flanken und Hereingaben. Wenn die Fortuna sich in anderen Szenen zur weitflächigeren Abdeckung breiter aufstellte, wurde dagegen ihre Mittelfeldzentrale entblößt – doch diese Freiräume spielten die Schalker ungewohnt schleppend und unrhythmisch aus.

Dies war auch ein großes Problem bei Kontern, die nach der Schalker Führung im weiteren Spielverlauf immer wieder kamen, und letztlich ein entscheidender Grund, wieso S04 ergebnistechnisch nicht mehr reagieren konnte, als die Gastgeber im zweiten Durchgang mit deutlich verbesserter Offensive durch ihr konsequenteres Flügelspiel in die Partie zurückfand.

Düsseldorfs Flügelfokus und Comeback

Bereits im ersten Durchgang war das Offensivspiel der Fortuna besonders auf die Außenseiten ausgelegt. Trotz der Tendenz von Kruse und Lambertz, bei Konterangriffen auch in die zentralen Räume zu driften, lag der Schwerpunkt der Offensive auf den Flügeln, was in den offensiven Außenverteidigern selbst bei einigen Gegenstößen, vielen Flanken und der Tatsache zeigt, dass ganze 79 % Prozent ihrer Angriffsversuche über die Außen kamen.

Allerdings fehlte es den Düsseldorfern in der ersten Halbzeit noch an den nötigen Verbindungen, so dass man auf den Flügeln von Schalke zu einfach zu isolieren war und die geplanten Durchbrüche daher nur selten gelangen. Aufgrund des sehr kontrollierten Schalker Aufbauspiels und ihrer dominanten Spielhaltung gab es für Düsseldorfer zudem weder viele aussichtsreiche Ballgewinne noch eine große Zahl an eigenen Angriffssituationen.

Die Grundformationen ab der 56. Minute bis zur Schlussviertelstunde

Insofern war die Tatsache, dass die spielerisch etwas beschränkten Düsseldorfer nun nach einem Rückstand selbst das Spiel machen mussten, sogar förderlich, da sie nicht mehr so viel auf qualitative Angriffe oder Konter angewiesen waren, bei denen das enge Schalker Gegenpressing und die eigene Abtrennung zwischen Mittelfeld und Sturm greifen konnten. Stattdessen konnte man sich gegen die etwas passiven Schalker, deren Offensivkräfte bei der klassischen Defensivarbeit nicht vollends diszipliniert waren, viele Anläufe nehmen, um die Flügel zu überladen.

Dabei waren die verbesserten Verbindungen und die Einwechslungen zwei weitere Aspekte für das Düsseldorfer Comeback. Die zentralen Spieler (z.B. der in die Mitte gerückte Lambertz, aber auch Fink) bewegten sich verstärkt mit auf die Außen, um dort einfacher überladen und durchbrechen zu können. Paradebeispiel war der als zweiter Stürmer gekommene Reisinger, der nicht allein für zusätzliche Präsenz im Strafraum sorgen sollte, sondern dessen Laufwege auch deutlich horizontaler angelegt waren als die Voronins.

Eine Standardsituation kurz nach Wiederbeginn brachte Düsseldorf praktisch mit der ersten Chance schnell ins Spiel zurück und befeuerte den weiteren Verlauf der zweiten Halbzeit. Im Folgenden waren es besonders die Flanken der beiden offensiven Außenverteidiger, die – wie schließlich auch beim 2:2 – für Gefahr sorgten. Allerdings war der Ausgleichstreffer eher untypisch, da in jener Szene nicht die Seite überladen, sondern ein Unterzahlkonter gespielt wurde – angedeutet erkennen konnte man immerhin Reisingers Tendenz zum Flügel.

Generell sorgten die besseren Verbindungen im zweiten Durchgang nicht nur für mehr Gefahr auf dem Flügel, sondern wurden ansatzweise auch auf die zentraleren Räume übertragen, in die Lambertz aus dem defensiven Mittelfeld offensiv vorstieß, in die sich Ilsö von rechts hinein bewegte und in die sich auch Schahin immer besser fallen ließ – diese drei sorgten auch für eine schnelle Kurzpasskombination, die aus der Mitte heraus eine Halbchance erzeugte. Überhaupt hätte die Heimmannschaft kurz nach ihrem Ausgleich zweimal fast direkt die Führung nachgelegt, doch letztlich blieb es bei der Punkteteilung.

Fazit

Ein klares Spiel der zwei Halbzeiten: Der erste Durchgang gehörte den Schalkern, denen trotz ihrer durchwachsenen Leistung beim Ausspielen guter Szenen im letzten Drittel ihr variabler und kontrollierter Spielaufbau sowie eine gute Chancenverwertung reichten, um gegen harmlose Düsseldorfer einen scheinbar sicheren Sieg in der Tasche zu haben. Doch diese fanden im zweiten Durchgang zurück, profitierten von schwachen Schalker Kontern und sorgten mit viel Einsatz, deutlich besseren Spielerverbindungen, klugen Wechseln und mehr Risiko im Vorwärtsgang für den Ausgleich.

Die Königsblauen, die wie der sichere Sieger aussahen und sich nun als moralischer Verlierer fühlen, haben es sich allerdings selbst zuzuschreiben. Wäre ihr Offensivspiel weniger verschwenderisch gewesen, hätten sie früher klare Verhältnisse schaffen und dafür sorgen können, dass es zum Düsseldorfer Aufschwung nach der Pause gar nicht erst gekommen wäre. Selbst in der starken Phase zu Beginn der zweiten Halbzeit, als sie ihre Szenen zwischen den Linien besser ausspielten und dann auch zu ihren Chancen kamen, scheiterten die Schalker an der Verwertung dieser Gelegenheiten.

 

Auch an dieser Stelle aus gegebenem Anlass noch einmal ein kurzes Wort zu Boris Vukcevic, dessen schwerer Autounfall uns geschockt hat. Wir richten alle guten Wünsche an Boris Vukcevic und hoffen, dass er es schafft und wieder genesen wird.

Antony Sutton 29. September 2012 um 15:48

Habe das Spiel gestern live im Stadion verfolgt.

Für mich war der Hauptgrund für die Schalker Stärke in Halbzeit 1 ein ungewohnt uneffektives Gegenpressing der Fortuna, was meiner Meinung nach zu einem großen Teil an Voronin und dessen Laufbereitschaft lag. So kamen viel zu viele gute Bälle zu Schalkes Offensivspielern.

Sehe das also komplett anders als in der Analyse dargestellt.

Ohne Voronin, bzw. mit Ilsö läuft es für die Fortuna einfach besser da dieser viel effektiver gegen den Ball spielt und somit es seinen Mannschaftskameraden wesentlich einfacher macht den ball zu erobern.

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JAS 29. September 2012 um 14:45

Ich hab in der 1. Halbzeit ja eher eine total asymmetrische Schalker-Aufstellung gesehen. Wusste nicht genau ob das dann dann Raute (in etwa so):

Affelay Huntelaar
Barnetta Holtby
Neustätter Jones
Fuchs Matip Papado Höwedes

oder Tannenbaum sein sollte:

Huntelaar
Affelay Holtby
Barnetta Neustätter Jones
Fuchs Matip Papadop Höwedes

Auf jeden Fall habe ich Affelay meist links von Holtby, Holtby in der Mitte und Jones als am weitesten rechts spielenden Mittelfeldspieler gesehen. Sonderlich fluid fand ich das nicht.

Ob sich das dann in der 2. Halbzeit relativiert hat, kann ich nicht sagen, da ich beim Schauen eingeschlafen bin… 😉

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tin 29. September 2012 um 12:54

Hunter und Holtby zur HZ raus… unpopulär, angesichts von Belastung (CL) und Spielstand (2:0) aber einzig logisch.

Jones oder der eingewechselte Höger orientieren sich dann aus dem Zentrum heraus eher rechts… Höwedes wird Nahezu frei um einen dritten IV zu geben (fraglich ob dann überhaupt ein Gegentor fällt) … aber vor allem vorne… Barnetta würde nun etwas tiefer stehen… Obasi (oder notfalls Pukki) kommt und bildet mit Affelay die nominelle Zweierspitze… Trumpf Schnelligkeit… zudem Spielpraxis für einen künftig wichtigen Spieler… nach Verletzung und ein sicherer 4, 5 Tore Sieg.

1 Punkt geht auf den Trainer
1 Punkt ist der Tatsache geschuldet, dass Schalke keine richtig gute Nr. 1 hat…

… Befürchtung: Das summiert sich bis Saisonende auf ein Niveau, welches für Schalke nachteilige Konsequenzen mit sich bringt

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RWDJojo 2. Oktober 2012 um 14:19

Den Punkt, den du dem Trainer zuschreibst, kann ich ja noch nachvollziehen. Aber wie hätte Unnerstall die beiden Tore verhindern sollen?

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Felix 29. September 2012 um 01:49

Ich finde, dass Schalke das Spiel nach der 1. Halbzeit eigentlich nicht mehr aus der Hand geben darf. Man spielt überlegen, lässt den Gegner nicht zur Entfaltung kommen, erobert viele Bälle mit aggressivem Pressing, erspielt sich Chancen, kurzum kontrolliert die Partie.
Der Anschlusstreffer direkt nach der Pause, praktisch aus dem Nichts ist natürlich wichtig, da damit das Momentum kippt. Das Publikum ist sofort da und für Schalke wird es gleich schwieriger.
Gefühlt ist es dann eine Mischung aus verwalten und nachlegen wollen; beides klappt nicht.
Der Ausgleich nach einer Halbfeldflanke ist natürlich auch bitter, wobei Düsseldorf in Halbzeit 2 tatsächlich über die Außen für Gefahr sorgte. Richtig gefährlich wurde es aber kaum.
Ist Schalke effektiver steht es nach 60Minuten eher 3-4:1 und man könnte noch höher gewinnen.

Anmerkung: Der englische Kommentar meinte, er fühle sich auf Grund der vielen Positionswechsel an den total voetbal erinnert. In der Analyse wird Affelays zentrumsorientiertes Spiel angesprochen (er war insgesamt fast überall zu finden), aber auf die Positionswechsel wird nicht eingegangen. So ließ sich zwischen durch der Hunter auf die Seite fallen, Holtby rückte auf den Flügel etc. Vllt kommt da ja noch was zu.
Aber auf jeden Fall ein Dankeschön für die schnelle Analyse. Vllt wird der Beitrag ja noch ergänzt, falls die Zeit dazu da ist. Aber als kurzes taktisches Feedback zum eigenen Eindruck sehr hilfreich.

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TR 29. September 2012 um 09:46

Klar, steht ja im Text, sie überluden Düsseldorf zwischen den Linien, daber mehrheitlich auf halblinks. Natürlich muss da viel Bewegung innerhalb des Teams gewesen sein. Bezüglich Jones, Afellay und Barnetta steht es ja auch im Text, Holtbys Bewegungsintelligenz habe ich etwas verallgemeinert (auch aufgrund der Tatsache, dass wir das schon etwas genauer an anderer Stelle betrachtet haben) und Huntelaar war jetzt nicht der Schlüsselspieler (wenngleich er natürlich als Einzelaktion so das 0:1 macht), weshalb ich sein Abkippen auf die Seite „nur“ in der Grafik (wie übrigens auch die generellen Bewegungen) dargestellt habe.

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Felix 29. September 2012 um 14:23

Das sollte auch keine direkte Kritik sein. Eher eine Rückfrage, ob die von mir gemachten Beobachtungen von einem Experten bestätigt werden können.
Das Schalker Spiel der 1.HZ wirkte schon sehr sicher und variantenreich, wobei die letzte Konsequenz häufig fehlte.
Zudem habe ich sowieso Respekt davor in so kurzer Zeit eine so genaue Analyse serviert zu bekommen. Letztlich müsst ihr ja auch entscheiden, wie viel Gewicht ihr auf die verschiedenen Elemente eines Spiels legen wollt und wie ausführlich Themen behandelt werden.
Und ich finde es sehr schön, dass ihr jetzt fast zu jedem Spiel eine Analyse rausgebt, weil so für jeden Fan was dabei ist und man das Spiel der eigenen Mannschaft noch besser verstehen kann.

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