VfB Stuttgart – 1899 Hoffenheim 0:3

Während die Gäste mit solider Defensive und schnellen Gegenattacken überzeugen, rutscht der VfB Stuttgart immer weiter in die Krise.

Gegen die nach ihrem überzeugenden Sieg über Hannover unveränderten Gäste aus dem Kraichgau wollte der VfB die starke zweite Halbzeit aus dem Spiel in Bremen fortführen und mit einigen personellen Veränderungen eine Trendwende einleiten. Dieses variablere Spiel, das man von den Schwaben zum Ende der Partie im Weserstadion hatte beobachten können, gelang ihnen diesmal allerdings nicht – stattdessen war diese Begegnung ein weiteres Paradebeispiel für die bisherigen generellen Probleme der Stuttgarter: Ihre fehlende Offensivkompaktheit.

Repräsentative Spielsituation für die generellen Stuttgarter Aufbauprobleme mit den fehlenden Verbindungen von Offensive und Defensive: Der kompakte gegnerische Block nistet sich zwischen den Stuttgarter Angriffs- und Aufbauspielern ein.

Stuttgart mit bekannten Problemen

Durch die zu aggressive Ausrichtung, die zu vorschnellen Bewegungen und die zu hohe Stellung der Offensivreihe wird diese vom Stuttgarter Spielaufbau abgetrennt und lässt dieses Aufbauspiel versanden, da die Bälle durch die fehlenden Verbindungen zwischen Offensive und Defensive kaum einmal über das Mittelfeld hinaus getragen werden können und daher zu selten bei den potentiell gefährlichen Offensivspielern ankommen – wobei diese selbst jene Situationen, die dann doch im letzten Drittel zustande kommen, durch hektisches Spiel und schlechte Abstimmung zu oft vergeben.

Gegen die Hoffenheimer war nun wie in so vielen Spielen zuvor besonders ersteres Problem der Teilung zwischen Offensive und Defensive und dem dadurch enorm erschwerten Spielaufbau erkennbar. Die aufbauenden Spieler sammelten zwar Ballbesitzzeiten in der Tiefe, die Innenverteidiger schoben viele Bälle quer, fanden aber keine Anspielstationen – die potentiell dafür in Frage kommenden Spieler hingen vorne zu weit entfernt in der Luft.

Hoffenheim spielt diszipliniert, isoliert und presst im Sechseck

Verstärkt wurde diese Problematik durch das Spiel der Hoffenheimer, die die soliden und grundlegenden Aspekte des Defensivspiels deutlich disziplinierter umsetzen als noch vor zwei Wochen. Mit ihren beiden sehr soliden und eng stehenden Viererketten verschluckten sie endgültig jegliche Hoffnungen der Stuttgarter auf Zuspiele in die Offensivbereiche.

Schematische Darstellung der Funktionsweise des Hoffenheimer Sechsecks: Hajnal lässt sich einmal fallen, wird durch diese unkollektive und einzelne Bewegung allerdings zwischen den Hoffenheimern isoliert.

Dabei bildete die Vierer-Kette im Mittelfeld zusammen mit den beiden eher tief agierenden Stürmern im Pressing eine Art Sechseck, das die einzelnen Stuttgarter Versuche, die Verbindungsstelle im Mittelfeld zwischen den tiefen Ballverteilern und den hohen Angreifern zu besetzen, einfach isolierte.

Immer wieder konnte die TSG, die durch Stuttgarts Probleme nur ihr normales Spiel durchzuziehen brauchte, auf solche Momente warten und dann situativ den jeweiligen isolierten Stuttgarter Gegenspieler mit Überzahlsituationen pressen. Dadurch entstanden die nötigen Ballgewinne sowohl im Zentrum als auch auf den Flügeln, um auf Basis der defensiven Sicherheit auch mit schnellen Gegenangriffen nach vorne gefährlich zu werden.

Hoffenheims überladende Gegenstöße

Gegen die mangelnde Stuttgarter Kompaktheit, die bei Ballverlusten gleichzeitig auf die Defensive übersprang und große Lücken hinterließ, war es nach solchen Ballgewinnen für die sich bereits in Überzahl befindlichen Hoffenheimer Spieler mit ihrem Tempo, ihrer Wendigkeit und ihrer Interaktion auf engem Raum kein Problem, diese Gegenangriffe gefährlich vorzutragen.

Die Grundformationen der ersten Halbzeit

Immer wieder wurden die unterlegenen Stuttgarter von einer sich kollektiv bewegenden Hoffenheimer Spieler-Traube, die geschickt die Freiräume zwischen Offensive und Defensive und hinter den Außenverteidigern sowie den inkonsequenten Rückwärtsgang der VfB-Offensive nutzte, in verschiedenen Räumen überladen, was zu einer Reihe an ansehnlichen Kurzpassspielzügen gerade auf der rechten Hoffenheimer Seite und generell vielen schnellen Gegenangriffen führte.

War das 0:1 in den Anfangsminuten (das allerdings die Hoffenheimer begünstigte und ihrem Spiel in die Karten spielte) noch eine famose Einzelleistung des dribbelnden Usami, standen die beiden weiteren Treffer, die kurz nach Wiederbeginn der Partie schon vor der 60. Minute den Deckel auf das Spiel machten, symbolisch für die Art und Weise, wie Hoffenheim die anfällige und durch die offensiven Probleme unkompakt gewordene Defensive des süddeutschen Rivalen spielerisch mit schnellen und dynamischen Angriffen ganz alt aussehen ließ. Beim 0:2 gewannen gleich vier Kraichgauer den Ball im Kollektiv und kombinierten sich dann zum Treffer, den letztlich Joselu markierte.

Ein interessanter Punkt bei den Hoffenheimer Gegenangriffen war, dass oftmals die beiden offensiv ausgerichteten Außenverteidiger Beck und Johnson weit mit aufrückten und sich an diesen Spielzügen beteiligten. Bei Ballgewinnen auf den Außen waren sie bereits in Ballnähe, rückten dementsprechend mit vor und konnten von den defensiven Mittelfeldspielern abgesichert werden. Generell hatten sie viele Freiheiten sich mit nach vorne einzuschalten und sollten sich dabei in vielen Fällen auf eine Absicherung verlassen. So kam es, dass Johnson nicht nur das dritte Tor erzielte, sondern bei diesem Konter auch jener Spieler war, der von hinten durchlief und dabei als primärer Konterspieler den vertikalen Laufweg in die Spitze suchte. Mit einer derartigen Erweiterung des Hoffenheimer Angriffsrepertoires kamen die Stuttgarter nicht wirklich zurecht.

Fazit

Ein verdienter Sieg für die Gäste – mit ihrer soliden Defensive zogen sie im Baden-Württemberg-Duell dem VfB, der seine großen Probleme der fehlenden Offensivkompaktheit noch nicht überwunden hat, den Zahn und konterten nach geschickter Überzahlbildung und Isolieren der Gegenspieler im Pressing mit schnellen und überladenden Gegenangriffen.

Nach der zweiten Halbzeit von Bremen war dieser Rückfall beim VfB doch überraschend – nun dürften ziemlich unruhige Zeiten auch auf Bruno Labbadia zukommen. Nach dem schwachen Saisonstart und dem medialen Spott meldete sich die TSG aus Hoffenheim mit diesem Sieg endgültig zurück. Mittlerweile hat es Markus Babbel geschafft, das Defensivkonzept zu stabilisieren, wenngleich man immer noch bei Flanken und Standards in der Luft anfällig ist (Ibisevic-Chance in den Anfangsminuten, Gentners komischer Lattentreffer in Halbzeit zwei), und auch die Offensive besser in Gang zu bekommen. Aufgrund der verbesserten Defensive gibt es mehr Ballgewinne und Gegenstoßsituationen, so dass nicht alle Angriffe erst über das mittelmäßige Aufbauspiel hinaus gebracht werden müssen, während die Außenverteidiger mehr und variabler eingebunden werden.

Zuschauer 28. September 2012 um 11:36

Ahh okay… wie ich gerade gesehen habe heißt es im Original auch „abgetrennt“, damit wäre meine Frage beantwortet.

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Jx 27. September 2012 um 14:57

Interessante Analyse – wie immer 😉

Da ich das Spiel nicht gesehen habe, gibts inhaltlich für mich nicht viel zu sagen. Aber eine stilistische Sache möchte ich ansprechen:
Gerade in diesem Artikel sind deine Sätze TR sehr lang. Besonders der Satz „Durch die zu aggressive Ausrichtung, die zu vorschnellen Bewegungen und die zu hohe Stellung der Offensivreihe wird diese vom Stuttgarter Spielaufbau ab und lässt dieses Aufbauspiel versanden, da die Bälle durch die fehlenden Verbindungen zwischen Offensive und Defensive kaum einmal über das Mittelfeld hinaus getragen werden können und daher zu selten bei den potentiell gefährlichen Offensivspielern ankommen – wobei diese selbst jene Situationen, die dann doch im letzten Drittel zustande kommen, durch hektisches Spiel und schlechte Abstimmung zu oft vergeben.“ ist abnormal lang und gerade in der Position neben der Grafik sehr schwer zu lesen & verstehen. Etwas kürzere Sätze erhöhen das Verständis & den Spaß am Lesen. 🙂

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Zuschauer 28. September 2012 um 11:36

Ergibt der Satz überhaupt Sinn?
Ich bin mir nciht ganz sicher, aber müsste das nicht „wird diese vom Stuttgarter Spielaufbau abgeschnitten“ und nicht „wird diese vom Stuttgarter Spielaufbau ab“ heißen?

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Kimho 27. September 2012 um 01:41

Habt ihr von Spielverlagerung eigentlich eine Idee warum Stuttgart so oft in den Hinrunden schwächelt? Ich kann mich an mehrere Saisons erinnern in denen erst mal gar nichts lief und die Rückrunde war dann überragend – und das unter verschiedenen Trainern.

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Pseu 27. September 2012 um 09:53

Das wäre wohl ein Fall für einen Gastkommentar eines Sportpsychologen. Wie wär’s? 😉

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PS 27. September 2012 um 00:33

Danke für diesen schnellen und gut ausgearbeiteten Artikel!

Kommt mir das eigentlich nur so vor oder spielt der VfB mit zu schnell vorstoßenden Spielern, sodass eine effektive Spieleröffnung nicht stattfinden kann – außer mit langen Bällen? Oder ist das ebenfalls mit der mangelnden Offensivkompaktheit gemeint?

Mir sind die Hoffenheimer nicht als eine zwingend überlegene Mannschaft vorgekommen, vielmehr ist die schwache Form der Schwaben in Kombination mit einer Art Normalform des Kontrahenten ohne Defensivschwächen das Problem – allerdings die gesamte bisherige Saison schon. Seht ihr das anders? Also mehr eine Stuttgarter Schwäche denn eine Stärke der anderen Seite.

P.S: Die Fragen bitte nur beantworten, wenn ihr Zei habt. Dafür, dass ihr dass in eurer Freizeit macht, ist das eine enorme Fülle an Artikeln, wofür ich als Leser nur dankbar sein kann. Daher (nochmals) vielen Dank dafür!

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Pseu 27. September 2012 um 09:24

Das ist wirklich grausam anzusehen. Die Offensivspieler rennen nach vorne, reihen sich auf höhe der gegnerischen Abwehr auf und warten. Hinten wird ein bisschen der Ball hin und her geschoben und irgendwann kommt ein langer Ball. Und das funktioniert jetzt schon seit Ewigkeiten so; bzw. es funktioniert nicht.
Wenn man wenigstens IV hätte, die lange Bälle spielen können (Hallo Delpierre!), aber nichtmal die hat man.
Ich würde gerne mal Kuzmanovics sehen, da er ein Spieler ist, der sich gerne mal hinten Bälle abholt und nach vorne treibt.

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Pseu 27. September 2012 um 14:11

Ich kenne den Beitrag; stimmt ja auch alles darin.
Es ist nur erschreckend, dass man im Verein diese Probleme entweder nicht erkennt, oder keine Alternative kennt.
Das Aufbauspiel ist ne Katastrophe und die Defensivspieler dafür zurzeit viel zu schwach. Niedermeier und Maza können einfach keinen 35-Meter Pass spielen (Delpierre kann das), da reiht sich ein Fehlpass an den anderen. Oder man schenkt den Ball direkt her.
Das Pressing nach langen Bällen funktioniert überhaupt nicht.

Es gibt einfach nur genau einen Plan, so ein Spiel zu „gestalten“, und der funktioniert nicht.

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Pseu 27. September 2012 um 14:12

Ah, war ja nicht an mich. Die Struktur ist irgendwie seltsam.. 😀

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Denis 27. September 2012 um 19:32

Genau, das war an PS adressiert. 😀

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