FC Schalke 04 – FSV Mainz 05 3:0

Zuhause empfing der FC Schalke 04 die Mannschaft des FSV Mainz 05. Dies bedeutete auch das Aufeinandertreffen zwischen dem alten Hasen im Trainergeschäft, Huub Stevens, und seinem jungen Gegenüber, Thomas Tuchel. Alleine diese beiden Faktoren sollten ein aus taktischer Perspektive interessantes Spiel versprechen, welche zumindest einige interessante Ansätze zeigte.

Wechselwirkungen der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Spielbeginn

Abermals begannen die Schalker in ihrer 4-3-3-Formation. Benedikt Höwedes rückte in die defensive Zentrale und bildete mit Kyriakos Papadopoulos die Innenverteidigung. Auf der rechten Außenbahn war somit ein Platz für den Japaner Uchida freigeworden, während links wie gehabt der Österreicher Fuchs auflief. Die Ausrichtung der defensiven Flügel war somit klar: hinterlaufen, unterstützen und mit schnellen Vorstößen die gegnerische Abwehr wohl getimt auseinander ziehen.

Im Mittelfeld war es einmal mehr Roman Neustädter, der mit seiner enormen Laufarbeit und Spielintelligenz eine wichtige Rolle spielte. Nicht nur, dass er unterschiedliche Defensiv- und Pressingformationen ermöglicht, er dient auch im Aufbauspiel als sichere Anspielstation und ruhiger Ballverteiler. Neben ihm begannen Lewis Holtby und Marco Höger, welche auf den Halbpositionen nach vorne schieben konnten. Holtby übernahm den spielgestalterischen Part und war insgesamt etwas höher, doch Höger schob wie sein Vorgänger Jones auf dieser Position mit nach vorne und platzierte sich hoch.

Auf den Flügeln begannen Farfan und Afellay, welche über die Seiten Betrieb machen sollten. Beide zeigten sich in der ersten Halbzeit stark invers, sogar der Peruaner, was er in der zweiten Halbzeit etwas korrigierte. Allerding ging über die rechte Seite mit Uchida, Höger und Farfan lange Zeit noch am meisten nach vorne, die drei bewegten sich als Gruppe gut und versuchten insbesondere in die Räume hinter Elkin Soto bei den Mainzern zu kommen.

Das Problem von Klaas-Jan Huntelaar

Vorne tat sich Huntelaar auf sich alleine gestellt sehr schwer, hatte lange Zeit kaum Bindung zum Spiel und vergab auch eine Großchance. Dies lag an einer taktischen Maßnahme von Tuchel. Der Niederländer wurde nämlich von Bungert zumeist in eine enge Manndeckung genommen, woraus er sich schwerlich befreien konnte.

Dazu fehlte es an einem Sturmpartner oder nah agierenden Flügelstürmer, welcher ihm Räume öffnete. Ohne diese war er aufgrund seiner mangelnden Dynamik aufgeschmissen, ein Dribbling konnte er wegen ungünstiger Positionierung bei Ballannahmen sowie sofortiger Bedrängnis auch nicht anbringen – es wäre aber ohnehin kaum von Erfolg geprägt gewesen, wenn er die Chance dazu erhalten hätte.

Bei seiner Auswechslung hatte er sogar elf Ballkontakte weniger als Torwart Unnerstall und die wenigsten aller von Beginn an aufgestellten Spieler. Er spielte sogar weniger als halb so viele Pässe wie der gegnerische Torhüter und Julian Draxler schaffte es in nur zwanzig Minuten Spielzeit seinen Vordermann in puncto angebrachter Pässe zu überholen.

Die Aufstellung der Mainzer

Thomas Tuchel stellte seine Mannschaft in einer wechselhaften Formation aus 4-3-2-1 und 4-3-1-2 auf. Gelegentlich fungierten Rukavytsya und Ivanschitz als zwei Halbstürmer, doch zumeist war Ivanschitz der nominelle Zehner und Szalai bildete einen zweiten Stürmer mit dem beweglichen Rukavytsya. Durch die drei Sechser wollte Mainz die gegnerischen Flügel einfach doppeln, aber weiterhin im Umschaltspiel gefährlich agieren können. Zumeist war es Szalai, der alleine zockte und Rukavytsya ließ sich etwas fallen. Waren die Ballbesitzphasen des Gegners gar länger andauernd, dann halfen sowohl Ivanschitz als auch Rukavytsya hinten aus und es wurde ein fluides 4-5-1-System.

Im Normalfall aber reichte die Raute aus und Baumgartlinger agierte noch leicht versetzt hinter Soto und Polanski. In der ersten Halbzeit dominierten die Mainzer das Spiel, hatten mehr vom Ball und Raum, kamen allerdings nur zu wenigen Chancen. Die Dominanz resultierte durch die gute Umsetzung der Kompaktheit in der Mitte, außerdem lief Mainz zwei Kilometer mehr, was in zehn Prozentpunkten an mehr Ballbesitz und mehr erfolgreichen Pässen resultierte.

Diese zusätzliche Bewegung sorgte für viele abgelaufene Bälle und mehr Druck beim Gegner, welcher sein Spiel selten ordentlich aufbauen konnte. Besonders Holtby hatte darum wenig Einfluss nach vorne, da er weder über seine eigene Bewegung nach vorne (aufgrund mangelnder Zeit der Mitspieler am Ball) noch über seine kreativen Aktionen (aufgrund mangelnder eigener Zeit am Ball) auffallen konnte.

Der Nachteil war es aber, dass im defensiven Umschaltspiel oder bei gutem Aufbauspiel der Schalker die Außen relativ frei waren, wodurch die Gelsenkirchner zu sechs Flanken alleine in der ersten Hälfte kamen, Mainz hingegen nur zu einer. Wenig verwunderlich, dass der zweite Treffer nach einer Hereingabe kam. Nach dem Seitenwechsel gab es dann einige Anpassungen, wodurch Mainz selbst die ein oder andere Flanke mehr anbringen konnte, diese aber nicht von Erfolg gekrönt wurde. Weitere Anpassungen waren jene konstanten Wechsel des Schalker Pressings.

Schalke und ihre möglichen Pressingformationen

Zu Beginn und in der Phase vor dem 2:0 hatten die Hausherren einige taktische Ausflüge zu ihrem 4-4-2-Pressing, in welchem sich Lewis Holtby nach vorne orientierte. Damit konnten sie gegnerischen Innenverteidiger blockieren, doch aufgrund der Vielzahl an Anspielstationen im defensiven Mittelfeld sowie der Führung wurde diese (ohnehin nur sporadisch genutzte) Formation wieder gänzlich zu den Akten gelegt.

das 4-1-4-1 taugt zwar nur bedingt für ein Angriffspressing, doch die Gefahrenzone gehörte den Schalkern – einerseits schier durch die numerische Überlegenheit, andererseits durch die Kompaktheit, weswegen die Mainzer wenig Chancen fanden

Stattdessen formierten sie sich in ihrem 4-1-4-1, in welchem die Flügelstürmer etwas höher verschieben durften und dadurch zeitweise ein 4-1-2-2-1 formierten. Eine gute Idee von Stevens, da dadurch das Mittelfeld gesichert ist, die Flügelstürmer die Außenverteidiger bedrängen können sowie die Pressingschwäche von Huntelaar sich nicht auf seine Mitspieler auswirkt.

Dennoch sind jene kurzen Nutzungen vom 4-4-2 im Pressing wichtig, da sie für Variabilität sowie höhere Konterstärke sorgen. Das 4-1-4-1 kann bei einer intelligenten Spielweise zu leicht nach hinten gedrängt werden – oder es ermöglicht große Halbräume neben dem Sechser, wenngleich diese Rolle Neustädter gelegentlich zugetraut wurde und er diese Aufgabe einigermaßen gut löste.

Einige Augenblicke vor dem zweiten Treffer gab es diese 4-4-2-Aufteilung und nach einer guten Balleroberung in der Mitte konnte schnell nach vorne gespielt worden, was auch daran lag, dass Holtby sich hinter der gegnerischen Raute platzieren und somit unbedrängt agieren konnte. Alles in allem war das Pressing der Schalker verhältnismäßig schwach, nach der Führung ermöglichte es seinen Zweck jedoch.

Mainzer Pressing in der Raute

Das Attackieren der Mainzer aus ihrer Rautenformation heraus hatte einige sehr interessante Aspekte. Ivanschitz konnte sich beispielsweise seitlich bewegen und ein 4-3-2-1 formieren, er konnte aufrücken und ein flaches 4-3-3 schaffen oder beteiligte sich durch Arbeit im Mittelfeld und manndeckte sogar Neustädter. Dadurch fehlte den Schalkern ihre wichtigste Anspielstation im Aufbauspiel, insbesondere bei der Spielweise mit aufrückenden Achtern und ohne Matip als zusätzlichem Aufbauspieler aus der Abwehr heraus. Eine Manndeckung auf Neustädter ist somit eine intelligente und interessante Lösung, wobei Ivanschitz diese Rolle flexibel ausführte.

die beiden Stürmer blockieren die Innenverteidiger, dahinter manndeckt Ivanschitz und bewegt sich in weiterer Folge horizontal, wenn es die Situation ermöglicht – oder einer der Sechser geht diagonal

Ein tolles Pressingszenario fiel leider nicht besonders ins Gewicht: wenn der Ball auf den Außenverteidiger kam, konnte er vom tiefen Ivanschitz angelaufen werden, hinten sicherte der ballnahe Halbspieler der Mittelfelddreierkette den Raum und der ballnahe Stürmer presste von der anderen Seite. Durch Ivanschitz‘ Deckungsschatten war ein Pass nach innen kaum möglich und dadurch entstand eine unangenehme Situation für den Außenverteidiger. Dies wurde aber zu selten und inkonsequent erzeugt, was an der komplexen Spielweise und der nötigen Laufarbeit von Ivanschitz liegt.

Mainzer Kombinationsspiel in der Raute

Die Raute half allerdings auch mit Ball bei der Überlegenheit der Mainzer im zweiten Spielfelddrittel. Baumgartlinger (99 Ballkontakte) agierte als primärer Spielgestalter und wurde von seinen beiden Halbspielern unterstützt. Diese wiederum konnten mit ihm, Ivanschitz, dem Außenverteidiger auf ihrer Seite sowie dem dahinter liegenden Innenverteidiger interagieren, was ihnen viele Passoptionen bescherte. Dadurch waren sie schwer zu pressen und hatten viel vom Ball.

Ging es Richtung Strafraum, waren diese vielfältigen Optionen nicht mehr gegeben und die Mainzer machten darum wenig aus ihrer Zeit am Ball. Ihnen fehlten die zündenden Ideen und die Kreativität, außerdem bewegten sich die Schalker Innenverteidiger diszipliniert bei den Tiefensprints von Szalai und Rukavytsya mit. Dadurch hatten die Mainzer zwar kein einziges Abseits, während sich die Schalker gleich fünf Mal darin vorfanden. Allerdings hatten die Schalker neun Schüsse auf den Kasten von Wetklo, Mainz feuerte nur drei auf Unnerstall ab.

Fazit

Mainz hatte zwar überraschend viel vom Spiel, konnte sich aber selten wirkliche Chancen herausarbeiten. Die taktische Anpassung als solche war gut und richtig, jedoch zeigten die Schalker in der Defensive eine solide Leistung und konnten nach vorne immer wieder Nadelstiche setzen. In der Höhe wohl dennoch ein etwas glücklicher Sieg, da es vielen Dingen (wie Bewegung in der Offensive oder kreativen Aktionen) fehlte, die Mainzer daraus aber kein Kapital schlagen konnten. Die starke Abwehr und rechte Seite der Schalker sowie die Mainzer Offenheit bei Flanken besiegelten die Niederlage letztlich. Mehr Zielstrebigkeit und Präsenz im letzten Drittel bei den Mainzern hätte das Spiel jedoch durchaus anders enden lassen können.

swe 26. September 2012 um 12:56

Insgesamt ein sehr gelungener Artikel mit einer Aussage habe ich jedoch erhebliche Probleme: „…sowie die Pressingschwäche von Huntelaar…“
Wie in aller Welt kommt der Autor denn auf diese Aussage? Huntelaar läuft für einen Stürmer extrem viel und erzeugt, oft als einzige Spitze, ständig Druck auf die Innenverteidiger, und wurde dafür (auch auf dieser Seite) schon mehrmals gelobt.

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RM 26. September 2012 um 13:37

Der Kommentar ist relativ zu sehen – ich empfinde ihn als Pressingspieler in einem 4-4-2 als ineffizient und erfolglos, für das 4-1-4-1 hingegen ist er gut geeignet (oder andere 1-Stürmer-Pressingsysteme), was meiner Meinung nach an der Abstimmung mit dem Nebenmann liegt. Ist hier etwas sehr oberflächlich von mir formuliert worden, mein Fehler.

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swe 26. September 2012 um 16:06

Danke für die Klarstellung, ich hatte es zuerst als allgemeinen Kommentar zu Huntelaar aufgefasst.

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Die Tanne steht 26. September 2012 um 10:31

Danke für den super Artikel! Ich habe eine Anmerkung zum Schalker Offensivspiel: ich hatte weniger den Eindruck dass Farfan „nur“ invers gespielt hat, sondern dass es sich dabei gleichzeitig um Rochaden mit Huntelaar gehandelt bzw. dieser sich zumindest vom Zentrum wegbewegt hat (analog das Ganze auf links mit Afellay, wie von dir beschrieben). War das vielleicht ein Versuch, Huntelaar der Manndeckung zu entziehen oder zumindest den manndeckenden Verteidiger aus dem Zentrum zu ziehen, um Platz für die einrückenden Außen zu schaffen? Wenn nicht: was ist die genaue Absicht, Farfan ’stark invers‘ spielen zu lassen?

Glückauf!

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