1. FC Nürnberg – Eintracht Frankfurt 1:2

Am Freitagabend stieg das Duell um die, zumindest vorzeitige, Tabellenführung.

Vor 46.000 Zuschauern im Nürnberger Stadion setzte sich Eintracht Frankfurt knapp mit 2:1 durch und bleibt damit weiter ohne Punkteverlust. Vier Siege in den ersten vier Spielen bedeuten auch einen neuen Bundesligarekord, denn noch nie startete ein Aufsteiger mit dieser Bilanz. Eintracht-Coach Armin Veh erwartete einen kompakteren Gegner, als dies zuletzt gegen den HSV und Hoffenheim der Fall und er sollte nicht enttäuscht werden.

Grundformationen

Grundformationen zu Beginn

Dieter Hecking bestellte für das Freitagsspiel die gleiche Startelf wie für den 3:2-Auswärtssieg in Mönchengladbach und auch die Ausrichtung war sehr ähnlich. Man forcierte das Flügelspiel und zog gegen den Ball enge Linien auf. Die beiden Flügelspieler zogen oftmals nach innen um von den aufrückenden Außenverteidiger überlaufen zu werden, was jedoch nur bedingt geschah – vor allem Pinola hielt sich offensiv zurück. Die Mittelfeldzentrale präsentierte sich erneut fluid, was vor allem an Balitsch lag, der immer wieder nach vorne stieß.

Eintracht Frankfurt begann mit einer 4-2-3-1-Grundordnung, die aber nur selten als solche wahrgenommen wurde. Rode und Meier bewegten sich viel in vertikaler Richtung, während die Außenverteidiger wie gewohnt hohe Positionen anstrebten. Weiters war auch bei den Hessen zu erkennen, dass die offensiven Außenspieler das Zentrum ansteuerten, besonders Inui versuchte den Raum hinter Balitsch zu nutzen.

Starke Anfangsphase des FCN

Der FC Nürnberg startete mit viel Schwung und trat in der Anfangsphase sehr dominant auf. Die Frankfurter, die vor dem Spiel hinter den Bayern ligaweit den meisten Ballbesitz hatten (62,7% im Schnitt), waren davon sichtlich überrascht. Kiyotake rückte beim Pressing neben Pekhart vor und auch Mak positionierte sich in der Anfangsviertelstunde phasenweise sehr hoch, so dass die Pressing-Formation durchaus als 4-3-3 beschrieben werden kann.

Die Franken eroberten im zweiten Drittel zahlreiche Bälle, setzten anschließend die Außenspieler mit direkten Vertikalpässen ein um die Räume hinter den offensiven Außenverteidigern zu attackieren. Dadurch, dass sie sehr ballsicher wirkten, waren sie oft nur mit Fouls zu stoppen – sieben SGE-Fouls standen nach 20 Minuten nur einem von Nürnberg gegenüber. Zambrano hatte beispielsweise Glück nicht schon vorzeitig duschen geschickt zu werden, als er in der 19. Minute Pekhart an der Strafraumgrenze zu Fall brachte.

Verletzungsbedingte Umstellungen

Grundformation Frankfurt ab der 21. Minute

Schon früh musste Veh aufgrund von Verletzungen umstellen. Die angeschlagenen Schwegler und Occean wurden durch Lanig und Hoffer ersetzt. Die taktische Ausrichtung änderte sich dadurch aber kaum. Lanig gab wie Schwegler eher den tiefen Spielmacher und wagte sich kaum über die Mittellinie, während Rode weite, vertikale Wege ging.

Hoffer übernahm Occeans Rolle ebenfalls eins zu eins, allerdings orientierte er sich bei Nürnbergs Spielaufbau auffällig oft zu Klose, wodurch man dessen Diagonalpässe, wie zum Beispiel gegen Gladbach, in den Rücken der Außenverteidiger verhindern wollte. Rein auf die Angriffs-Aufgaben beschränkt blieb der Österreicher aber blass – abgesehen von seinem Treffer zum 1:0, der für den Spielcharakter aber durchaus eine Wende darstellte. Die Eintracht wurde sicherer und kontrollierte das Geschehen, beschränkte sich dabei aber nicht ausschließlich auf Querpässe in der Abwehrlinie.

Auch das Gegenpressing funktionierte fortan besser und bei der Eroberung zweiter Bälle errungen die Frankfurter die Oberhand, so dass es ohne Gegentor in die Kabinen ging.

Das unkompakte Pressing des 1. FC Nürnberg – Frankfurts Doppelsechs hatten keinen Druck

Spiel gegen den Ball

Nürnberg startete wie eingangs erwähnt mit einem recht hohem Mittelfeld- bzw. Angriffspressing. Dieses wurde aber mit fortschreitender Spielzeit immer weniger kompakt. Oftmals liefen nur Pekhart und etwas versetzt Kiyotake den Spielaufbau der Eintracht an, während hinter ihnen ein Loch klaffte, das aus der fehlenden Rückendeckung resultierte. Die nebenstehende Grafik veranschaulicht diesen Sachverhalt.

Die Frankfurter Hintermannschaft erfährt keinen Druck, da eine Vielzahl an Dreiecksbildungen möglich ist, zum Beispiel Zambrano-Lanig-Jung oder Zambrano-Anderson-Rode. Besonders deutlich wurde dieser Effekt wenn die Eintracht in eine Dreierkette – meist ließ sich Lanig fallen – abkippte. Nur fünf Zweikämpfe bestritten die beiden Sechser auf der Zentralachse des Gegners – zu wenig, um ihn konsequent unter Druck zu setzen.

Kompakter im Spiel gegen den Ball zeigten sich die Gäste. Zu Beginn nahmen sie die weitverbreitete 4-4-2-Ordnung ein, mit Fortdauer des Spiels formierten sie sich aber immer öfter in einem 4-1-4-1, wobei Lanig als Sechser absicherte und Rode sowie Meier sich davor positionierten. Letzter schob sich im Falle, dass seine Mannschaft früher draufgehen wollte, eine Ebene vor, wodurch ein aggressives 4-1-3-2 entstand. Diese Pendelbewegung führte auch Kiyotake aufseiten Nürnbergs aus, was dazu führte, dass die beiden Zehner mannschaftsintern die Laufdistanz-Wertung anführten (12,8km bzw. 12,4km).

Fluide Mittelfelder

Generell sah man auf beiden Seiten die ein oder andere Mischform sowie Rotationen, die besonders auf das hohe Arbeitspensum der Mittelfeldspieler zurückzuführen ist. Bei Nürnberg wechselten die beiden Flügelspieler oft die Seiten, hielten aber jeweils kaum die Breite. Vor allem auf Maks rechter Seite hätten sich einige gute Möglichkeiten aufgetan um den Gegner zu überrumpeln. Weil Inui sein Spiel ebenfalls zentral anlegte, hätte Chandler gemeinsam mit Mak den rechten Flügle überladen können. Dadurch, dass der Slowake aber einen mittigen Schwerpunkt hatte, stand unterm Strich eine eins-gegen-eins-Situation der beiden Außenverteidiger.

Dafür, dass trotz der zentralorientierten Flügelspieler die Seiten nicht verwaisten, sorgten vor allem die Außenverteidiger und die ausweichenden zentralen Mittelfeldspieler. Nürnbergs Kiyotake schlug 17 Flanken, Ballitsch vier. Demgegenüber stehen sechs von Oczipka, fünf von Jung und vier von Aigner. Dass allerdings nur sieben dieser insgesamt 36 Hereingaben ankamen, zeigt, dass beide Mannschaften ihr Visier nicht richtig eingestellt hatten.

Auch beim 2:0 konnte man die Mannigfaltigkeit der Frankfurter Formation erkennen. Lanig spielte bei einem seiner seltenen Vorstöße den Ball auf Inui, der ungewöhnlich breit stand und nach schnellem Dribbling zur Mitte abschloss. Vielmehr trug aber das lasche Abwehrverhalten der Nürnberger zu diesem Treffer bei, denn weder Lanig noch der Japaner wurden entscheidend attackiert.

Das Tor war nicht nur aufgrund der ungewöhnlichen Positionen der beiden Protagonisten untypisch, denn die Eintracht fuhr ihre Angriffe zum Großteil (44%) über die gegenüberliegende, rechte Seite, was rückblickend betrachtet keine große Überraschung war. Dort hatte man mit Aigner den einzigen Flügelspieler, der seine breite Position hielt. Weiters drängte Jung energischer nach vorne als sein Mitspieler links und auch die Doppelsechs hatte starken Rechtsdrall, was besonders am umtriebigen Rode lag.

Finale Umstellungen

Formationen in der Schlussphase

Nach dem zweiten Gegentor war Hecking gezwungen seine defensivorientierte Taktik anzupassen. Für den 48-Jährigen war dies eine neue Konstellation, denn noch nie zuvor war seine Mannschaft in dieser Saison in Rückstand geraten. Er brachte zunächst Gebhart und Frantz für die offensiven Außenbahnen, wobei vor allem Ersterer seine Position breiter interpretierte als sein Vorgänger.

Eine weitere Konsequenz war die Auswechslung von Chandler für Stürmer Polter. Die Position rechts in der Viererkette nahm anschließend Balitsch ein und im Zentrum ließ sich Kiyotake ein paar Meter weiter zurückfallen. Das Tor sollte aber nicht aus dem Spiel heraus fallen, sondern einmal mehr Resultat einer Standardsituation sein.

Nürnbergs Stärke bei Standards

Fünf der bisherigen sechs Saisontoren des 1. FC Nürnberg ging ein ruhender Ball voraus. Ein Grund für diese Stärke der Franken ist Neuzugang Kiyotake, der extrem präzise Standards schlägt. Ein vages Muster lässt sich aus diesen Treffern bereits erkennen. Vor jedem Tor bildete sich ein Pulk von vier Spielern. Gebildet wird es meist durch die kantigen Klose, Simons, Pekhart und Balitsch bzw. beim 1:2 Polter. Zwei von ihnen laufen in jene Zone, in die der Ball gespielt wird. Der Schütze zeigt dies mit einem Armzeichen an.

Einer markiert meist einen Dummy, läuft Alibiwege um Gegenspieler wegzuziehen oder blockiert sie einfach indem er ihnen den Weg versperrt. Der verbliebene Spieler steuert dann das Komplement des Empfängerduos an. Wird der Ball also auf den kurzen Pfosten geschlagen, orientiert er sich zum langen hin. Bei Eckbällen wird außerdem je ein Spieler, manchmal auch zwei, am kurzen Fünferraum abgestellt um Flanken gegebenenfalls zu verlängern oder im Falle eines Abprallers zur Stelle zu sein.

Das 1:2 gegen Eintracht Frankfurt weist außerdem Ähnlichkeit mit dem 1:0 letzter Woche gegen Borussia Mönchengladbach auf. Beide Male flankte Kiyotake aus halblinker Position zentral vor den Torraum, beide Male fand man dort zusätzlich zum Spieler aus dem Pulk einen weiteren, der mit Anlauf aus der zweiten Reihe kam.

Fazit

Es ist mit Sicherheit kein Nachteil eine derartige Stärke bei ruhenden Bällen vorweisen zu können, allerdings sollten die Alarmglocken zumindest leise schrillen, wenn dies die einzige Waffe ist, die eine Mannschaft hat. Dieses Duell hat gezeigt, dass der 1. FC Nürnberg Probleme bekommt wenn er mal in Rückstand geriet. Das forsche Aufspielen zu Beginn ist definitiv nicht zu verachten, dennoch wurde man auch in dieser stärksten Phase ausschließlich nach Standardsituationen gefährlich – ein Kopfball von Pekhart, den Trapp parierte, und ein Freistoß von Esswein, der knapp am Tor vorbei streifte.

Die Eintracht fing sich mit den Einwechslungen und spielte in Führung liegend souverän. Dass sie allerdings erst in diese kontrollierende Position kam, ist aber ebenfalls einer Standardsituation sowie individuellen Fehlern des Gegners geschuldet. Nachdem der Club nämlich eine Ecke klärte, rückte Pinola zu langsam raus und hob dadurch die Abseitsstellung Hoffers auf. Das zaghafte Abwehrverhalten vor dem 0:2 wurde bereits erwähnt. Ansonsten wusste bei beiden Teams vor allem die fluiden Mittelfeldreihen zu gefallen.

DonTioto 27. September 2012 um 12:27

Hallo Experten! 🙂

wird es auch eine so tolle Zusammenfassung vom bisher besten (oder zumindest aufregendsten) Spiel der Saison geben?!?

Also SGE gegen BVB! 😉

Vielen Dank.

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Julia 23. September 2012 um 19:49

Willkommen AS!

Bei Frankfurt fiel mir in der 2. HZ auch eine leichte Konteraffinität auf. Verwundert nicht bei der tiefen Stellung (s. ausreichend große Grafik). Das Umschalten passierte oft recht schnell und das Spiel lief direkt vertikal. Fiel mir bisher noch nicht auf bei der SGE. Gibt es Statistiken an denen man das festmachen kann? Oder sah das nur ich so?

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Rudelbildung 23. September 2012 um 23:06

Ich habe das genauso gesehen Julia und kann dir dazu auf jeden Fall eine Statistik geben. Whoscored notiert 25 % aller Frankfurter Torabschlüsse nach einem Konter (Jedoch muss man hier bemerken, dass die Begriffe bei whoscored oft sehr schwimmig sind).

Kann dir ansonsten aber nur zustimmen, es war sehr deutlich, dass die Frankfurter den Nürnbergern die Initiative überlassen haben und damit auch richtig gepokert haben. Dem FCN fiel mit dem vielen Ballbesitz nämlich sehr wenig ein.

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fcblgar 23. September 2012 um 12:20

Hallo AS, tolle erste Analyse. Das einzige, was du noch ändern könntest wäre, die Grafiken ein bisschen größer zu machen, damit man sie leichter lesen kann. Qualitativ hat das aber natürlich keinen Einfluss auf die gelungene Analyse.

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vastel 23. September 2012 um 17:30

Tip:

Einfach mal auf die Grafiken draufklicken 😉

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Jx 23. September 2012 um 18:53

Das ist ein toller Tip, allerdings ist man a) an größere Grafiken aus den anderen Analysen gewohnt und b) unterbricht es arg den Lesefluss, wenn man auf jede Grafik erstmal draufklicken muss, um alles erkennen zu können.

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AS 24. September 2012 um 09:42

Danke, das mit den Grafiken werde ich in Zukunft berücksichtigen.

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Rudelbildung 22. September 2012 um 18:33

Willkommen AS und danke für die gute Analyse!

Eine Frage habe ich jedoch:

„Dafür, dass trotz der zentralorientierten Flügelspieler die Seiten nicht verwaisten, sorgten vor allem die Außenverteidiger und die ausweichenden zentralen Mittelfeldspieler. Nürnbergs Kiyotake schlug 17 Flanken, Ballitsch vier. Demgegenüber stehen sechs von Oczipka, fünf von Jung und vier von Aigner. Dass allerdings nur sieben dieser insgesamt 36 Hereingaben ankamen, zeigt, dass beide Mannschaften ihr Visier nicht richtig eingestellt hatten.“

Wo hast du die Zahlen her? Laut Bundesliga.de schlug Kioytake 3 Flanken und nicht 17. Balitsch schlug eine und nicht vier und so könnte man fortsetzen.

Generell wurden auch keine 36 Flanken geschlagen, sondern insgesamt nur 21. Die Zahlen klingen völlig falsch für mich.

Eine andere, mehr generelle Frage an alle hier: Wieso ließ Hecking in der Schlussphase nicht Chandler auf dem Platz anstatt Balitsch als Rechtsverteidiger zu installieren. Wie AS richtig anspricht resultierten fast alle Chancen der Nürnberger aus ruhenden Bällen – und damit zumeist hohen Bällen. Wieso nimmt man einen der besten Flankengeber raus und setzt auf Balitsch rechts, der wahrlich keine guten Flanken schlägt? Das verstehe ich nicht so ganz.

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AS 22. September 2012 um 20:31

Hab die Daten von whoscored.com. Anscheinend ist aber mit „Cross“ nicht das gleiche gemeint wie mit „Flanke“. Könnt mir vorstellen, dass das mit den unterschiedlichen Datenbanken zusammenhängt. bundesliga verwendet soweit ich weiß Impire und whoscored.com die opta-Datenbank. Dort dürften auch flache Hereingaben u.ä. miteinbezogen werden.

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RM 22. September 2012 um 20:33

Vielleicht sind bei Bundesliga.de nur weite Hereingaben im letzten Drittel gemeint, wodurch Halbfeldflanken wegfallen. Ein Mysterium.

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Jacques Noris 23. September 2012 um 00:15

Genau deshalb musste Chandler raus: Nicht nur um die Offensive zu stärken und Überzahl im Mittelfeld zu schaffen, sondern weil Chandler eben nicht besonders gut flankt für einen Außenverteidiger. Das ist seine größte Schwäche, oft kommen von ihm nur nutzlose Halbfeldflanken.

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Rudelbildung 23. September 2012 um 10:14

Man schafft ja nun keine Überzahl im Mittelfeld, wenn man einen Stürmer für einen Mittelfeldspieler bringt und von 4-2-3-1 auf 4-4-2 Raute umstellt während Frankfurt weiter in einem 4-2-3-1 agiert.

Das man die Offensive mit Polter stärken will ist unbestritten, aber ich stimme dir nicht zu, dass Chandler schlechter flankt als Balitsch. Das hat man bei seinen beiden Flanken denke ich auch erahnen können (die von Balitisch, wo die erste hinterm Tor landete und die zweite viel zu lang war).

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Jacques Noris 23. September 2012 um 18:41

Chandler hatte einen richtig schlechten Tag gegen Frankfurt, schon deshalb war es die richtige Entscheidung ihn rauszunehmen. Die Aufgabe von Baltisch war es dann wohl nicht, mit Flanken die Stürmer zu füttern, sondern endlich die rechte Seite dicht zu machen. Ich habe es eher gesehen, dass Klose öfters ins Mittelfeld mit aufgerückt ist und da fast eine Art 6er gespielt hat, sodass es eher ein 3-5-2 war.

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Jx 22. September 2012 um 16:22

Ein Unbekannter! ^^

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