Jahn Regensburg – FC Bayern München 0:4

Regensburg steht eine Halbzeit lang gut, kann die Linien im zweiten Durchgang aber nicht dicht genug halten.

Bayerns Grundformation

Grundformationen

Jupp Heynckes bot fast die gleiche Elf wie im Supercup gegen den BVB auf. Can, Kroos und Mandzukic vertraten also weiterhin die vermeintlichen Platzhalter Alaba, Schweinsteiger und Gomez.

In der Innenverteidigung gab es die einzige Änderung, wo neben Boateng statt Dante Badstuber auflief. Dieser gefiel wie gewohnt mit guten Vertikalpässen im Spielaufbau. Die Außenverteidiger Can und Lahm hinterliefen ihre Vordermänner Ribery und Robben selten, sondern sicherten etwas eingerückt hinter ihnen ab.

Im zentralen Mittelfeld spielte Toni Kroos den offensiven Part neben Gustavo. Ribery bewegte sich sehr frei über das Feld, um lokale Überzahl herzustellen, Robben zeigte die üblichen Positionswechsel mit Müller. In der Spitze bewegte sich Mandzukic gut auf der Abseitslinie, ließ sich aber auch häufiger fallen, um am Kombinationsspiel teilzunehmen.

Regensburg mit guten Ansätzen, die sie aber nicht durchhalten konnten

Regensburg stand sehr tief, sodass das nominelle 4-2-3-1 häufig zu einem 6-3-1 wurde. Die Außenspieler fielen dann auf Höhe der Viererkette zurück.

Sembolo, einzige Spitze, war als einziger Regensburger nicht primär mit Defensivaufgaben bedacht. Er blieb bei gegnerischem Ballbesitz fast ausschließlich auf Höhe der Münchener Innenverteidigung. Zweck sollte die Behauptung von langen Pässen oder Befreiungsschlägen nach Ballgewinnen des Underdogs sein. Dies gelang allerdings nicht sehr häufig, da die restlichen Spieler des Zweitligisten zu langsam oder gar nicht aufrückten.

Regensburg überließ den Bayern wie erwartet die Kontrolle über das Spiel und beschränkte sich auf drei Maßnahmen, die – zumindest in der ersten Hälfte – gut funktionierten:

Ribery und Robben wurden stets gedoppelt. Die „offensiven“ Außen halfen den Außenverteidigern hier in der Regel, sodass man keinen zentralen Spieler herausziehen musste. Eine folgenschwere Ausnahme stellte der Führungstreffer durch Mandzukic dar. Hier schoben die Regensburger zu langsam auf die linke Seite, was Ribery ein Eins-gegen-Eins-Duell gegen Rechtsverteidiger Ziereis bescherte. Mit etwas Glück setzte sich der Franzose durch und bediente Mandzukic – 1:0.

Der zweite Punkt auf Regensburgs Checkliste war das Schließen der Räume zwischen den Linien. Dies funktionierte in der ersten Halbzeit dank guter läuferischer Leistung und einer umsichtigen Zentrale nahezu perfekt. Begünstigt wurde dies allerdings auch von Bayerns zu langsamen Passspiel.

Die dritte Maßnahme der Regensburger war so simpel wie sinnvoll. Wenn man sich einmal nach Ballgewinn mit mehr als zwei Spielern ins letzte Drittel bewegte, wurde sehr schnell und mit viel Risiko der Abschluss gesucht. Der Zweitligist wollte es natürlich vermeiden, den Münchenern Konterräume zu präsentieren – was so auch gut funktionierte.

Mit zunehmender Spieldauer konnte Regensburg nicht mehr alles beherzigen, was sie in der ersten Hälfte noch gut umgesetzt hatten. Bayern ließ den Ball nun schneller laufen, was aufgrund der voranschreitenden Müdigkeit der Regensburger zwangsläufig zu vielen geöffneten Räumen führte.

Shaqiris direkt verwandelter Freistoß führte zum endgültigen psychischen Knockout der Hausherren – der physische war ohnehin schon bei fast allen erreicht. Das Spiel war entschieden, Heynckes verhalf Schweinsteiger und Pizarro noch zu wichtiger Spielpraxis.

Regensburg verteidigte tapfer weiter und investierte nichts mehr in Offensivbemühungen – man wollte wohl Schadensbegrenzung betreiben. Für ein Aufbäumen hatten sie offenbar keine Kraft und keinen Glauben mehr, so dass das Spiel mit zwei schön herausgespielten Toren durch Mandzukic und Pizarro ausklang.

Stärkung des Zentrums statt Hinterlaufen: Die neuen Aufgaben der Außenverteidiger

Schon gegen den BVB agierten die bayrischen Außenverteidiger in Ballbesitz eher absichernd und eingerückt. Ein Hinterlaufen, das den Vordermann im Idealfall von einer Doppelung befreien kann, war nur äußerst selten zu sehen.

Diese Aufteilung hat einige Vor- und einige Nachteile, die im Folgenden kurz ausgeführt werden sollen:

Eingerückte Außenverteidiger: Sichere und schnelle Option für Spielverlagerungen. Die Konterräume werden zudem verkleinert.

Durch die eingerückte Spielweise kommt die Spielstärke der beiden mehr zum Tragen, da sie den Ball in den Halbräumen oder sogar in der Zentrale bekommen. Von dort aus haben sie deutlich mehr Möglichkeiten im Passspiel als von einer Position unmittelbar an der Seitenlinie.

Emre Can ist ein zentraler Mittelfeldspieler, der sich in dieser Rolle deutlich wohler fühlt als in der des die Linie entlang sprintenden Hintermanns von Ribery. Er muss seine Spielweise in dieser Rolle also nur leicht umstellen, obwohl er eine fremde Position spielt.

Lahm auf der anderen Seite hat schon oft gezeigt, dass er aus zentralen Räumen heraus sehr umsichtig agieren kann – man erinnere sich zum Beispiel an das Testspiel in Wembley 2007.

Ein weiterer positiver Aspekt dieser modifizierten Rolleninterpretation ist, dass die Bayern so deutlich schneller das Spiel auf die andere Seite verlagern können: Will der Gegner keine Eins-gegen-Eins-Situationen gegen Robben oder Ribery zulassen, bleibt der eingerückte Außenverteidiger eine sichere Anspielstation im Zentrum, über die man schnell auf den anderen Flügel spielen kann. So „sparen“ die Münchener den Umweg über die Innenverteidigung, was im Idealfall für die nötige(n) Sekunde(n) Vorsprung sorgen kann, um eine Gleichzahl- oder sogar Überzahlsituation auf dem Flügel herzustellen.

Ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist außerdem, dass die Konterräume für den Gegner nun viel kleiner sind. Hinterläuft der Außenverteidiger, gibt es ein riesiges Loch zwischen Ribery, Kroos und Badstuber, welches vom Gegner häufig mit langen Bällen gesucht wird. Gerade Lewandowski  konnte dort in den direkten Duellen gegen Bayern viele Bälle erlaufen und behaupten. Diese Räume sind in dieser Anordnung wesentlich kleiner und somit für den Gegner schwerer zu bespielen.

Bei all den Vorteilen gibt es aber natürlich auch Nachteile, wie zum Beispiel die mangelnde Breite. Der Gegner kann ohne einen hinterlaufenden bayrischen Außenverteidiger sehr sehr eng agieren – eine Doppelung gegen Ribery, Robben und Co. ist nun einfacher zu bewerkstelligen.

Sehr passiv verteidigende Mannschaften, wie in etwa Chelsea im Finale der Champions League, werden es sicherlich in Kauf nehmen, den Bayern eine einfache Rückpassoption zu gewähren. Ihr Hauptaugenmerk dürfte dann auf dem geduldigen Verschieben liegen.

Es wird auf jeden Fall interessant sein, zu sehen, wie der FC Bayern in den nächsten Wochen mit dieser Modifizierung zurecht kommen wird. Halten sie das Passtempo hoch, kann die neue Spielweise der Außenverteidiger eine echte Waffe sein, zumal die Konterräume für den Gegner kleiner werden. Verschleppt man allerdings das Tempo wie in Halbzeit 1 gegen Regensburg, werden wir viele Situationen erleben, in denen Ribery, Robben oder wer auch immer auf dem Flügel spielt, gegen mindestens zwei Gegner steht und den Ball direkt wieder zum Außenverteidiger zurück spielt.

Shaqiri: Stark zwischen den Linien

Besonders auffällig war gestern natürlich der Neuzugang Xherdan Shaqiri, der in der Halbzeitpause für Ribery kam (leichtes Fieber). Der Schweizer zeigte viele gute Bewegungen mit dem Ball, aus taktischer Sicht interessanter waren aber seine Freilaufbewegungen, mit denen Regensburg überhaupt nicht zurecht kam.

Shaqiri suchte immer wieder den Raum zwischen den Linien. Nach Schweinsteigers Einwechslung agierte Müller sehr breit.

Hatte Badstuber den Ball, was im Spielaufbau der Normalfall war, suchte Shaqiri von seiner eigentlichen Position auf dem linken Flügel häufig den Weg ins Zentrum – was für viel Verwirrung im Regensburger Abwehrverbund sorgte. Die Außenspieler folgten ihm nicht in die Mitte, die Innenverteidiger wollten natürlich nicht die Kette verlassen und die Secher konnten Shaqiri im Rücken schlichtweg nicht sehen.

So konnte Shaqiri den Ball oft zwischen den Linien annehmen und mit Tempo auf die Viererkette zugehen, was ihm sichtlich gefiel. Nahezu jeder Angriff in der zweiten Hälfte ging über ihn, was einerseits an der zunehmenden Ermüdung Regensburgs, andererseits aber auch an seiner Bewegungslust lag:

Mal überlud er die rechte Seite – Müller agierte hier nach Robbens Auswechslung sehr breit, was Lahm wiederum für Vorstöße nutzte – mal ging er links die Linie entlang und häufig zog er ins Zentrum. Folgerichtig war der „Kraftwürfel“ an allen Toren in der zweiten Halbzeit beteiligt.

Zusammenfassung

  • Regensburgs Matchplan funktionierte relativ lange gut, da sie sehr diszipliniert waren und Bayern kein Tempo aufnahm
  • Das Führungstor entschied das Spiel, da der Zweitligist im Offensivspiel kaum Mut und noch weniger Gefahr ausstrahlte
  • Bayern war wieder einmal äußerst ungefährlich bei Ecken, Boateng weiterhin ein Wackelkandidat
  • Shaqiri sorgte für viel Wirbel, seine Bewegungen zwischen den Linien gepaart mit einer gesunden Risikobereitschaft machen ihn zu einem sehr unberechenbaren Spieler

Fazit

Bayern gewann ebenso verdient wie standesgemäß, dennoch muss man Regensburg ein Kompliment aussprechen. Ihr Plan ging lange auf, das erste Tor wäre ohne die Portion Glück im Dribbling nicht gefallen. Kräftemäßig hätte der Zweitligist die konsequente Spielweise wohl nur durchgehalten, wenn sie mit einem Positiverlebnis in die Halbzeit gegangen wären.

Das einzige, was man Regensburg vorwerfen kann, ist dass es zu keinem Zeitpunkt ein letztes Aufbäumen gab, da wohl die Kraft fehlte und man keine richtige Klatsche kassieren wollte.

Taktisch hatte die Partie nicht so viel zu bieten, Bayern hatte in der ersten Halbzeit die gewohnten Probleme gegen einen extrem defensiven Gegner. Mit zunehmender Spieldauer ließen sie den Zweitligisten durch ihr verbessertes Pass- und Positionsspiel aber genug laufen, um ihn kräftemäßig an seine Grenzen zu bringen. Das Freistoßtor von Shaqiri sorgte dann für den endgültigen K.O.

Der Schweizer konnte ebenso Pluspunkte sammeln wie Badstuber, der viele gute Pässe zwischen die Regensburger Abwehr- und Mittelfeldreihe spielte. Boateng leistete sich hingegen einige Wackler und muss weiterhin um seinen Platz bangen. Bei Regensburg sollte man den technisch starken Djuricin positiv herausheben, der für ein wenig Spielkultur in Ballbesitz sorgte.

Bayern scheint auf einem guten Weg zu sein, Schweinsteiger konnte wichtige Minuten sammeln und wirkte körperlich wie mental recht gefestigt, Mandzukic fügte sich weiterhin gut als Gomez-Vertreter ein.

Ein echter Härtetest war dieses Spiel aber nicht. Wie weit Bayern wirklich ist, werden wir dann schon eher am Samstag gegen Fürth sehen.

 

AW 21. August 2012 um 18:27

Wie würdet ihr den Positionstausch Kroos-Gustavo in der zweiten Halbzeit erklären?

Mehr Defensivstärke, um Can zu unterstützen?

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PP 21. August 2012 um 21:17

Zwischendurch war mir auch so, als hätten sie getauscht. Als ich dann näher drauf geachtet habe, tauschten sie ab und zu aber auch wieder zurück. Deine Vermutung klingt aber plausibel 😉 Zudem konnte Gustavo den sich bietenden Raum, den Shaqiri bei seinen Diagonalläufen öffnete, in manchen Gelegenheiten anlaufen.

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Stephan 21. August 2012 um 17:30

Ich hatte das Gefühl, dass Bayern gestern vermehrt versucht hat, Regensburg zu pressen und den Ball schon sehr weit vorne zu gewinnen. Müller und Robben haben sehr schnell die defensive Ordnung gefunden, um anschließend ihre Gegner anzulaufen. So konnten die Bälle sehr schnell zurück gewonnen werden.

Es wird interessant zu beobachten sein, inwiefern sich dieses Pressingverhalten in zukünftigen Spielen zeigt. Vielleicht hat sich Heynckes da ein wenig vom BVB abgeschaut…

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jk 21. August 2012 um 14:38

Der Spieler heißt „Shaqiri“ nicht „Shaquiri“, wie er in eurer Grafik genannt wird 😉

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PP 21. August 2012 um 14:07

Das stimmt natürlich, danke für den Hinweis 😉 Ist korrigiert.

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blub 21. August 2012 um 13:36

Minimaler fehler: im supercup lief Dante statt badstuber als partner von boateng auf. zu oft im kreis gedacht? passiert^^

zum spiel: halten wir fest, das Regensburg nicht chelsea ist.

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klaus 21. August 2012 um 13:25

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@rammc 21. August 2012 um 11:53

„Emre Can ist ein zentraler Mittelfeldspieler, der sich in dieser Rolle deutlich wohler fühlt als in der des die Linie entlang sprintenden Hintermanns von Ribery. Er muss seine Spielweise in dieser Rolle also nur leicht umstellen, obwohl er eine fremde Position spielt.“

Ich empfand das eigentlich als größtes Problem in der ersten HZ. Badstuber hat zweitweise sehr stark nach Links geschoben. Sodass für Can quasi kein Platz war, da Ribery auch sehr tief stand. Er wurde quasi von seinen eigenen Leuten aus dem Spiel genommen. Somit hat immer eine Anspielstation gfehlt. Da „nur“ Ribery angespielt werden konnte.

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zack 21. August 2012 um 11:49

obwohl kroos den offensiveren part der 6er inne hatte, ist mir aufgefallen, dass er und gustavo zu oft auf einer höhe agierten. in kombination mit der „neuen“ rolle der außenverteidiger, entsanden so oftmals zu viele horizontale Linien, was es erschwerte situative überzahl zu schaffen. besonders in anbetracht der tief stehenden regensburger. sollte ich hier nicht voll auf dem holzweg sein, fände ich diesen aspekt noch erwähnenswert.

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DB 21. August 2012 um 13:48

Vor allem von Kroos hätte ich erwartet, dass er sich häufiger im letzten Drittel in Kombinationen mit einbringt oder zumindest versucht, das Spiel ab und an zu beschleunigen.
Zudem müsste er – meiner Ansicht nach – häufiger den Ball von seinen Mitspielern fordern und sich dementsprechend anbieten. Gerade wenn das Spiel auf den Außen ins Stocken gerät, muss meistens der Pass zum AV gespielt werden, während Kroos recht teilnahmslos in der Mitte steht, ohne auch nur einen Versuch zu unternehmen, sich anzubieten bzw. wenn der Passweg frei ist, den Ball auch zu fordern.

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