AC Milan – ACF Fiorentina 1:2

Flexible Defensivtaktik der Fiorentina im wandelbaren 3-5-2 stößt Milan ohne Thiago Silva von der Tabellenspitze.

Nach dem Aus in der Champions League gegen den FC Barcelona konnte sich Milan voll und ganz auf das Titelrennen konzentrieren. Mit einem Vorsprung von zwei Punkten in den Spieltag startend musste man gegenüber Juventus Turin vorlegen und traf dabei auf die Fiorentina, die in diesem Jahr vom Aspiranten für den europäischen Wettbewerb zu einem Abstiegskandidaten geworden ist.

Trotz der zuletzt schwachen Form konnten die seit einigen Spielen sieglosen Gäste bei dieser Partie einen überraschenden Sieg selbst nach dem zwischenzeitlichen Rückstand noch einfahren, was hauptsächlich an ihrer sehr passenden Taktik gegen den Tabellenführer lag.

Die flexible Defensivtaktik der Fiorentina im wandelbaren 3-5-2

Grundformationen

Gegen die bekannte Raute Milans, bei der die offensiven Drei oftmals sehr freie Rollen ausüben dürfen, wählte Florenz´ Trainer Delio Rossi sein bevorzugtes 3-5-2-System, welches sich gegen die Milanisti allerdings hervorragend eignete. Nicht nur bei einer ersten einfachen und allgemeinen Betrachtung bietet das 3-5-2 den Vorteil, dass man gegen die beiden gegnerischen Stürmer eine sehr sinnvolle wie vorteilhafte Dreierkette – wie es auch Barca unter der Woche demonstriert hatte – aufbieten kann, auf den Außenbahnen nicht mit einer doppelten Besetzung nach hinten gedrängt wird sowie in diesem konkreten Fall Personal gegen Milans eher schwache Außenverteidiger vergeudet und im Mittelfeld mit drei Spielern kompakt bleibt.

Ebenso sinnvoll gestaltete sich die Ausführung des Systems in der Defensivarbeit. Man formierte sich relativ tief, überließ Milan den Ballbesitz und deren Innenverteidigern Zeit am Ball, woraus in Abwesenheit von Nesta und Thiago Silva aber weder Bonera noch Mexes viel machen konnten. Einer der beiden Stürmer deckte den Sechser Milans ab, während auch der andere die Wege ins Zentrum verdichtete. Dahinter wurden die Außenverteidiger relativ eng am Mann in direkten Duellen verteidigt.

Sehr interessant war, wie man mit den zentralen Mittelfeldspielern Milans verfuhr. Da diese meistens über ihre starke und erneut sehr dominante linke Seite – fast 45 % der Angriffe Milans kamen über links – spielten und aufbauten, ließ sich Muntari als tiefstehender Spielmacher immer wieder in den Raum fallen, den Zambrotta durch sein weites Aufrücken öffnete. Darauf reagierte die Fiorentina aber geschickt: Mit dem sehr dynamischen und athletischen Kharja hatte man einen Mann, der Muntari adäquat unter Druck zu setzen vermochte, während seine beiden Mittelfeldkollegen dahinter eine asymmetrische Übergangs-Doppelsechs bilden würden, die insbesondere Milans offensiven Mittelfeldmann Emanuelson vom Geschehen abschneiden sollte.

In manchen Situation wechselte man zudem auf ein 4-4-1-1, was durch relativ leichte Verschiebungen in der Formation möglich war: Pasqual ordnete sich zur Viererkettenbildung ein, während Lazzari etwas auf die linke Seite hinüberschob und de Silvestri von einem Wing-Back zu einem äußeren Mittelfeldspieler wurde. Auf diese Weise sollte auf den Außenbahnen eine situative und gelegentliche Doppelbesetzung entstehen, um insbesondere die immer wieder kehrenden Läufe von Ibrahimovic und Emanuelson in diesen Raum abzudecken und dort ein Überladen oder die Möglichkeit von entstehenden Freiräumen zu verhindern. Beim Verschieben auf die linke Seite mussten sich also nur drei Spieler leicht umpositionieren und man konnte sogleich für zusätzliche Stabilität sorgen, war aber weiterhin flexibel, wenn der Ball in anderen Spielfeldbereichen war.

Milan führt zunächst, wird dann aber ausgekontert

Wenn es defensive Probleme bei der Fiorentina gab, dann gab es dafür zwei Ursachen, welche die kleinen Schwächen in ihrer Hybrid-Formation darstellten. Zum einen hatte man ein wenig Probleme mit Maxi, da man nicht genau wusste, welcher Verteidiger ihn decken sollte (zumeist tat es dann Nastasic), und dieser sich gut bewegte und gelegentlich mit Ibrahimovic zusammenspielte, wenn jener sich einmal befreien und wie beim Gegentor flanken konnte. Zum anderen war man aufgrund der Asymmetrie der eigenen Formation im rechten Halbraum ein wenig unterbesetzt, was Nocerino zu einigen dynamischen Vorstößen und einer ziemlich offensiven Rolle nutzte, doch entscheidend nutzen konnte er dies nicht. Meistens versuchte man es daher mit Flanken (insgesamt 38), die bis auf die Elfmetersituation – herausgeholt wurde der Strafstoß von Maxi, verwandelt von Ibrahimovic (31.) – zwar einige Chancen nach demselben Muster, aber eben kein weiteres Tor einbrachten.

Trotz des Rückstandes ließen sich die Gäste allerdings nicht verunsichern und konnten unmittelbar nach Wiederbeginn durch Jovetic den Ausgleich markieren (47.). Dabei war dieser Treffer Sinnbild der Angriffsbemühungen der Violetten gegen eine generell zu passive Defensive Milans.

Immer wieder marschierten die Florentiner Wing-Backs de Silvestri und Pasqual mit nach vorne und entblößten die allein gelassenen oder aufgerückten Außenverteidiger Milans, wobei ihnen in diesem Duell half, dass sie im Gegensatz zu ihren Gegenübern eine Absicherung hinter sich wussten. In Zusammenarbeit mit den beiden Stürmern sowie dem vorbrechenden Kharja, die die Bälle geschickt auf die Außenbahnen verteilten oder weiterleiteten, entblößte man die Enge der Mailänder Formation sowie die Schwäche ihrer Außenverteidiger mit diesem energischen Vorpreschen. In einer Szene aus der ersten Halbzeit waren die beiden Wing-Backs die am höchsten postierten Spieler der kompletten Mannschaft, während alle drei Mittelfeldspieler für sie absicherten.

Beim Ausgleichstor war es dann ebenso ein Seitenwechsel auf de Silvestri, der alle Zeit hatte, um Jovetic durch die Schnittstelle anzuspielen – dieser ging auf und davon und entblößte dabei die enormen Schnelligkeitsdefizite von Mexes auf üble Weise. Auch beim zweiten Gegentor kurz vor Schluss sah die Milan-Innenverteidigung schlecht aus, als man die beiden Stürmer der Fiorentina im Strafraum kombinieren ließ (89.). Pikant, dass ausgerechnet der unter vielen italienischen Fans verlachte Amauri das Tor erzielte: Von Juventus, wo er komplett enttäuschte, ist er nun nach Florenz ausgeliehen – und ausgerechnet er macht das Tor, welches Juventus die Tabellenspitze wieder bringt, denn diese bezwangen am frühen Abend das heimstarke Palermo mit 2:0.

Fazit

Dies ist das Ergebnis eines Spieltages und eines Spiels, in dem Milan alles andere als überzeugen konnte. Lange schien die Meisterschaft auf Juventus hinauszulaufen, noch vor zwei Wochen sprach vieles für Milan und nun scheint Juventus wieder die allerbesten Karten zu haben.

So sehr man die Leistung Milans kritisieren muss, so schwer hat es Trainer Allegri auch, denn er muss enorme Verletzungsprobleme bewältigen –Nesta, Thiago Silva, van Bommel und Boateng waren nicht die einzigen fehlenden Schlüsselspieler. Die Fiorentina setzte mit diesem Sieg ein Ausrufezeichen und ergatterte wichtige drei Zähler, wobei sie gegen den Tabellenführer aus taktischen Gründen gar eine bessere Chance auf Punkte hatten als gegen manches andere Team – sie mussten ihre Taktik gut spielen und das taten sie.

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