1. FC Kaiserslautern – Borussia M’Gladbach 1:2

Auswärts bei den roten Teufeln auf dem Betzenberg erwartete die Gladbacher beileibe keine leichte Aufgabe. Zwar war man aufgrund des aktuellen Saisonverlaufs und der personellen Besetzung beider Teams hoher Favorit, jedoch ist ein Auswärtsspiel immer eine schwere Sache – und da man aktuell den Druck verspürt, oben dabei bleiben zu wollen, können sich auch mentale Blockaden bilden. Das Spiel war ein unterhaltsames mit Chancen auf beiden Seiten, welches die Fohlen knapp für sich entscheiden konnten. Sah es in der ersten Halbzeit noch nach einem souveränen Sieg aus, so ließen die Hausherren nicht locker und konnten in der Schlussphase des Spiels noch für Gefahr sorgen.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Beginn des Spiels

Die Gastgeber traten mit einem auf dem Papier recht klassisch aussehenden 4-2-3-1 an, welches aber nicht ganz der Wahrheit entspricht. Beispielsweise wechselten die beiden vorderen Stürmer ihre Anordnung einige Male so, dass sie sich auf dem Flügel wiederfanden oder einen Zweiersturm bildeten. Dazu sei allerdings gesagt, dass dies nicht an Sandro Wagner lag, sondern an der positionellen Interpretation seines Partners Swierczok. Auf den Außenbahnen trat man mit Sahan und Tiffert an, welche sich in die Offensive miteinschalteten und nicht nur für die Breite zu sorgen hatten, sondern sich einige Male Richtung gegnerischem Tor orientierten und die beiden zentralen Mitspieler unterstützten. Von der Doppelsechs erhielt man Hilfe in der Defensive wie Offensive, welche sich die Aufgabengebiete relativ klar aufteilte. Borysiuk spielte den defensiveren und horizontalen Part, er versperrte Passwege und gewann Zweikämpfe – allerdings rückte auch er ein paar Mal mit auf und organisierte das Spiel teilweise. Neben ihm hatte man mit de Wit einen wuseligen Spieler, welcher die Löcher auf der Seite absicherte und sich vorne als Anspielstation anbot. Jessen und Dick halfen vorne zwar bei der Breite mit und gingen teilweise bis zur Grundlinie durch, ihre Hauptaufgabe war dennoch die Sicherung der Abwehr mit den beiden Innenverteidigern gemeinsam.

Gladbach trat einmal mehr mit ihrem 4-2-2-2 und den asymmetrischen Flügeln an. Jantschke und Daems, wobei letzterer etwas offensiver war, hatten die Aufgabe für Breite im Spielaufbau zu sorgen und jenen großteils den Innenverteidigern zu überlassen. Besonders Dante war hier der primäre Anspielpartner und Organisator, während die beiden Sechser vor ihm als Ballverteiler und Zirkulationsstellen dienten. Sie waren defensivorientiert und gingen nur selten mit nach vorne, die Hauptaufgabe war die Absicherung für das Quartett vor ihnen, welches mit de Camargo und Reus einen spiel- wie laufstarken Sturm hatte. Beide Spieler liefen eine extrem große Menge an Kilometern in diesem Spiel, ohne spielerisch negativ aufzufallen. Problematisch wurde es erst nach der Auswechslung Herrmanns, worauf wir im nächsten Absatz zu sprechen kommen. Neben den beiden Stürmern waren Arango und Herrmann die nominellen Außenbahnspieler. Wichtig hierbei ist, dass Arango sich oftmals Richtung Zentrum fallen ließ und eine Art verkappten Spielmacher gab, Herrmann hingegen bewegte sich sehr oft Richtung gegnerisches Tor. Somit hatte er die Rolle eines zurückgezogenen und verschobenen Stürmers inne, welcher mit seiner extremen Dynamik und Schnelligkeit hinter die Abwehrreihe kommen sollte und von den spielstarken Akteuren in der Mitte, allen voran natürlich Marco Reus, bedient werden sollte. Bis zu Herrmanns Verletzung funktionierte diese Spielweise einmal mehr sehr gut und war effektiv.

Wieso es nach Herrmanns Auswechslung stockte

Ohne Herrmann, welcher sich einen Schlüsselbeinbruch zuzog, rückte Marco Reus wieder auf die rechte Außenbahn. An sich natürlich keine schlechte Lösung und individuell wohl sogar ein Fortschritt, dennoch bewirkte die Kettenreaktion darauf eine mannschaftlich schwächere Leistung, welche die Einzelspieler in der Offensive ebenfalls belastete. Reus auf Rechtsaußen war zwar seine Stammposition, aber ohne einen raumschaffenden Spieler vor sich blieb er vergleichsweise wirkungslos. Hanke auf der Bank sorgte dafür, dass de Camargo mehr laufen musste – was er auch in bewundernswerter Manier tat, mit über 13,5km lief er deutlich mehr als alle anderen Spieler. Dennoch offenbarte sich ein großes Problem: de Camargo konnte alleine nicht ausreichend Raum schaffen, da ihm Leckie nur unzureichend half. Von rechts hatte Reus also einen schweren Stand, um in Tornähe zu gelangen, ohne seine Defensivaufgaben zu vernachlässigen. Mit Herrmann auf dieser Position und Reus im Sturmzentrum war dies anders gewesen, da Herrmann noch eine Spur schneller ist und Reus deutlich mehr Bindung zum Spiel hat, als Leckie. Hinzu kam das Aufleben der Lauterer, welche Gladbach nun früher unter Druck setzten und für erhöhtes Pressing sorgten. Es entwickelte sich im Bezug auf Ballbesitz eine Pattstellung, beide Teams waren statistisch gesehen von den Spielanteilen her ausgeglichen, die Gastgeber konnten sich sogar mehr Torchancen – wenn auch weniger Großchancen – erarbeiten.

4-2-3-1 vs 4-4-2 hieß das Duell

Rein schematisch gesehen hatten die Kaiserslauterner ohnehin einen Vorteil, welcher später durch die Verletzung Herrmanns und die dadurch zu Bruch gehende positive Asymmetrie verstärkt wurde. Die Gastgeber konnten nicht nur schneller nach vorne spielen, sondern standen im Mittelfeld kompakter und konnten die Verbindung der Doppelsechs zu den Stürmern mit drei zentralen Spielern kappen. Dadurch zwang man die Gladbacher auf eine Fokussierung des Flügelspiels, welche mit eher defensiv- statt offensivstarken Außenverteidigern und ohne Herrmann (und der oben beschriebenen Kettenreaktion) zu einer vereinfachten Doppelung von Arango und Reus führte. Da dem defensiven Zentrum im Mittelfeld die spielgestalterischen Fähigkeiten zur Überwindung dieser Barriere fehlten, hatten die roten Teufel nun die Überhand gewonnen, zeigten aber dennoch keine zweifellos gute Leistung. Gegen schwache Gladbacher ohne Herrmann und mit einem taktischen Vorteil in der Hand machte man trotz viel Kampf und Laufarbeit zu wenig, um den Sieg zu verdienen – selbst ein Unentschieden wäre noch etwas schmeichelhaft gewesen, hatten die Gladbacher doch zumindest in der Anfangsphase mit sehr schnellem Spiel überzeugen können.

Laufleistung

Geputscht durch die spielerisch relativ schwache Leistung und den Kampfeswillen des Gegners entwickelte sich ein Bundesligarekord – das unaufhörliche Verschieben ohne Ballbesitz und Freilaufen mit Ball sorgte bei den Gladbachern nicht nur für das Verhindern von zahlreichen Großchancen, sondern sogar für das Erreichen der läuferisch besten Leistung der Saison. Mit unglaublichen 130,5km lief man über drei Kilometer mehr als der Gegner, welcher ebenfalls eine tolle läuferische Leistung zeigte. Zum Vergleich: bereits ab 120 Kilometern hat man einen sehr guten Wert und in der Champions League konnte man diese Saison bereits einige Male Partien beobachten, unter anderem vom AC Mailand, wo selbst die siegreichen Mannschaften klar unter 110 gelaufenen Kilometern blieben. In der deutschen Bundesliga hat der FC Bayern beispielsweise ebenfalls einen Schnitt von deutlich unter 120 Kilometern pro Spiel.

Fazit

Kein tolles Spiel von beiden Seiten, aber die taktische und kämpferische Leistung war beachtlich. Die Lauterer attackierten, die Gladbacher spielten zu Beginn stark und ließen danach nach. Ein Spiel mit Höhen und Tiefen ging letztlich knapp und dennoch verdient für die Borussen aus, welche sich nun auf Platz zwei hocharbeiten konnten.

sf 21. Februar 2012 um 16:09

Danke !!

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RM 21. Februar 2012 um 14:07

Hallo!
Eine Analyse der Gladbacher ist spätestens zu Saisonende in Planung, ich werde dieses Mannschaftsporträt übernehmen und gar eines speziell zu Favre machen, falls es sich zeitlich ausgeht – wovon ich ziemlich sicher ausgehe.

Liebe Grüße und Danke für das Lob!

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vonDumm 23. Februar 2012 um 01:12

Das findet man als Gladbachfan natürlich besonders schnieke 🙂

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sf 21. Februar 2012 um 13:24

Richtig @geniocreatore

Ich vermisse auch desöfteren die Analysen der Gladbachspiele nach den Spieltagen. Wieso gab es keine Analyse nach dem Schalkespiel, wo ein überragendes Tor nach dem anderen erzielt wurde. Und Schalke ist nunmal keine Laufkundschaft. Hätte ich an der Stelle äußerst interessant gefunden.

Vielleicht wäre es sogar mal an der Zeit die komplette Mannschaft unter Favre unter die Lupe zu nehmen, mit einer Mannschaftanalyse oder einem Trainerporträt. Schließlich kommt es nicht aller Tage vor, dass ein fast sicher Absteiger im darauf folgenden Jahr um die Meisterschaft mitspielt.
Und das mit dem schnellsten Fußball, der derzeit in der BuLi gespielt wird. Ähnlich wie es Favre auch schon mit seiner Mannschaft zu Berliner Zeiten geschafft hat. Wie er zuvor in der Schweiz gearbeitet hat, weiß ich nicht. Aber ich denke, er scheint einen Plan zu haben, eine Idee vom Fußball. Diese Handschrift zu entschlüsseln wäre doch mal was?

Ansonsten sehr schöne Seite, macht bitte weiter so!

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TE 21. Februar 2012 um 13:40

Gladbach gegen Schalke haben wir in einer Kurzanalyse auf 11freunde.de besprochen: http://www.11freunde.de/bundesligen/149190/der_borussen-express_rollt

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Philipp 21. Februar 2012 um 15:42

http://www.11freunde.de/bundesligen/149467/der_huntelaar-trick

Danke auch hierfür.

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geniocreatore 21. Februar 2012 um 05:41

Kleiner Fehler: Hanke saß nicht auf der Bank, sondern fiel wegen Grippe aus.

Ansonsten danke, wäre schön wenn ihr mehr Gladbach-Analysen bringen könntet. Es gibt imo keine Mannschaft in der Bundesliga die derzeit interessanter spielt.

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Gulan 20. Februar 2012 um 22:05

Die Analyse hat einen entscheidenden Punkt angesprochen. Defensiv sind Gladbachs 6er hervorragend, offensiv finden sie nicht statt. Solange das Offensiv-Quartett ein Feuerwerk abbrennt, ist das noch zu verschmerzen. Aber wenn der Gegner sich taktisch auf Arango und Co. einstellt, wird es schon schwieriger. Bin mal gespannt wie Favre jetzt auf den Ausfall von Hermann reagiert.

Zukünftig bietet sich aus meiner Sicht mit dem Weggang von Reus und Neustädter die Chance auf mehr taktische Varibilität. Ein Reus lässt sich eh nicht 1:1 ersetzen und für Neustädter bietet sich ein 8er an, der auch aus dem defensiven Mittelfeld offensive Impulse setzen kann. Allerdings könnte das auch zu Lasten der defensiven Stabilität gehen, worauf Favre ja schon großen Wert legt.

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Michael Meyer 22. Februar 2012 um 11:14

IMHO hat sich gerade auch mit Reus im offensiven Bereich eine enorme Variabilität etablieren lassen – bzw. selbige wurde von Favre ständig weiter entwickelt. Ursprünglich mit Reus im MF sah man lediglich den gelegentlichen Seitentausch mit Arango. Mittlerweile sind Reus und Hanke mit unterschiedlichen Aufgaben fast auf dem ganzen Platz unterwegs, während Herrmann und Arango nicht nur die Seiten tauschen, sondern Herrmann immer öfter auch zentral spielt, wobei Hanke dann zunehmend auf die rechte Seite driftet, um dort abzusichern. Und während ich dies schreibe, stelle ich fest, wie schwer es sein wird, Herrmann in den nächsten Wochen zu ersetzen.

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