Manchester United – Liverpool FC 2:1

Nachdem Liverpool die Red Devils vor zwei Wochen im Pokal eliminiert hatte, beschworen die englischen Medien nun das große Rematch in der Liga herauf.

Grundformationen

Beide Teams reisten mit gemischten Gefühlen nach ihren Unentschieden vom vorigen Spieltag zu dieser Partie an. Der Gastgeber hatte nach einem 0:3-Rückstand bei Chelsea noch ein Remis erkämpfen können, Liverpool dagegen ein defensives Tottenham nicht hatte knacken und nur 0:0 spielen können. Während Ferguson jene Mannschaft auf den Platz schickte, die in der zweiten Halbzeit an der Stamford Bridge ebenfalls gespielt hatte, nahm Kenny Dalglish auf der anderen Seite einige Änderungen vor – Kelly, Adam, Bellamy und Carroll mussten für die wieder zur Verfügung stehenden José Enrique und Suárez sowie Henderson und Downing Platz machen.

Wie schon in der Pokalpartie waren es die Mannen aus Manchester, die vorwiegend den Ballbesitz und das Geschehen dominierten – auch, weil sie mit Carrick und Scholes im zentralen Mittelfeld über zwei sehr kontrollierende, beruhigende und sichere Passspieler für die Ballverteilung und –zirkulation verfügten, die vom sich zurück ziehenden Liverpool allerdings kaum unter Druck gesetzt und so zum Spielen eingeladen wurden.

United überlädt Spearing zwischen den Linien

Anders als in jenem Spiel, allerdings, konnte United aus dieser Grundlage heraus auch ein gefährliches Angriffsspiel aufziehen und zu guten Torchancen kommen. Der Schlüssel dazu lag im vertikalen Passspiel sowie den abgestimmteren und fluideren Bewegungen im offensiven Mittelfeld und im Raum zwischen den Linien.

Durch die Außenverteidiger Rafael und vor allem Evra sowie meistens den sehr weit außen postierten Flügelstürmer Valencia wurde das Feld breit gemacht und der gegnerische Defensivverbund gestreckt, um den Spielern in der Mitte genügend Raum zu eröffnen. In der Mitte konnte man dann die eigenen Angriffe ausspielen.

Zum einen schoben Carrick und Scholes nicht nur effektiv die Ballzirkulation an, sondern sie spielten auch sehr viele und sehr wertvolle raumöffnende Vertikalbälle in die Schnittstellen und Löcher in der gegnerischen Formation. Zum anderen waren Rooney und Welbeck wie schon gegen Chelsea deutlich besser abgestimmt und kamen in diesen Räumen immer wieder frei.

Zwar wurde er auch von seinen Mitspielern relativ alleine gelassen, doch Jay Spearing stellte sich als defensiver Mittelfeldspieler nicht wirklich geschickt an, da er große Probleme hatte, mit den fluiden Bewegungen, Läufen und Vorstößen der gegnerischen Spieler in die freien Räume zurecht zu kommen – so wurde Liverpool in ihrem 4-1-4-1 genauso überladen, wie beispielsweise die Braunschweiger im Pokal gegen die Bayern.

Nach einiger Zeit versuchte Liverpool dagegen anzugehen, indem sich Gerrard tiefer fallen ließ und eine Zwischenposition kurz vor Spearing bekleidete, doch auch dies half nicht viel weiter, da man es nicht wirklich konsequent betrieb und dadurch eben andere Räume frei wurden. Das Grundübel, dass man nicht schnell genug reagierte, um die Räume zu schützen, und nicht mit dem Tempo und der Technik des Gegners mithalten konnte, war zudem weiterhin vorhanden.

Eine neue Dimension im Angriffsspiel

Vielmehr war es nämlich so, dass die Hausherren zusätzlich ihre zentralen Mittelfeldspieler wechselweise nach vorne brachten, was im Pokal noch gefehlt hatte und nun zu einer ganzen Palette an neuen Optionen führte – die von Liverpool gebotenen Räume konnte man nun in verschiedenen Mustern und mit verschiedenen Spielern in verschiedenen Kombinationen anlaufen. Deshalb wurde man auch immer stärker, je länger die erste Halbzeit dauerte – das Finden und Überladen der Räume funktionierte intuitiv und mit zunehmender Spieldauer konnte man dann diese freien Zonen immer besser ausfindig machen und dann auch technisch hoch anspruchsvoll mit schönen Kombinationen bespielen. Es waren Carrick und Scholes, die die beiden wohl schönsten einleiteten und zumindest in letzterem Fall auch selbst (verschwenderisch ineffektiv) abschlossen.

Eine weitere Dimension erhielt das Angriffsspiel der Ferguson-Truppe durch eine gewisse Asymmetrie, die die Formation zeitweise annahm. Vom linken Mittelfeld aus rückte Ryan Giggs immer wieder als zusätzlicher Spieler mehr oder weniger stark ins Zentrum ein, während Rooney sich ein wenig auf links in eine Hybrid-Position bewegte.

Giggs war im Zentrum sichtlich effektiver als in den direkten Zweikämpfen und Dribblings auf der Außenbahn, brachte zudem auch einen gewissen „Drive“ mit ein, während Rooney ebenfalls von halblinks immer wieder ins Zentrum driftete – damit hatte man effektiv einen zusätzlichen Mann in der Zentrale gewonnen. Diese drei – Giggs, Rooney und Welbeck – formierten sich – gelegentlich unterstützt von Carrick oder Scholes – zwischen den Linien und spielten sich mit Leichtigkeit um Spearing herum, was zu einigen weiteren tollen Spielzügen führte.

Alternativ liefen die Spielzüge ohne Rooney ab, der sich gelegentlich immer wieder wegbewegte, um Spearing, der ihm eben nur manchmal und nicht immer konsequent aus dem Zentrum heraus folgte, aus dessen Position wegzulocken und damit noch größere Räume zu schaffen für die Mitspieler, die dafür in Rooney einen Spielpartner einbüßten, aber dafür viel Platz hatten – so entstanden etwas direktere und kraftvolle, aber weniger grazile Spielzüge.

Liverpool technisch unterlegen

Verglichen mit dem Angriffsspiel des Gegners enttäuschte Liverpool auf ganzer Linie, wobei man sogar eine ähnliche Strategie wie United versuchte, welche allerdings komplett fehlschlug. Gerrard und Henderson sowie der sich ständig fallenlassende oder nach außen rochierende Suárez sollten ebenso um das zentrale Mittelfeld des Gegners herumspielen, doch dabei kamen ihnen zwei große Probleme in die Quere.

Zum einen deckte Man. United die Räume in der Defensivzentrale – auch durch den Einsatz von zwei eher tiefen Mittelfeldspielern sowie mit einem Umschalten auf Manndeckung in bestimmten Situationen – besser ab. Zum anderen konnte man die Räume zwar oftmals besetzen, doch daraus kein Kapital schlagen – Pässe wurden erst gar nicht angebracht oder waren ungenau oder die Ballannahme oftmals so schwach, dass man das Spiel viel zu sehr verlangsamte und ganze Angriffe selbst kaputt machte – kein Vergleich mit der Technik auf der Gegenseite. Ebenso waren auch die zwischenzeitlichen Rochaden zwischen vier Offensivspielern nach den Auswechslungen in der zweiten Halbzeit durch diese einfachen Fehler zur Ineffektivität verurteilt.

Rolle und Spieleinfluss von Glen Johnson

Die praktisch einzige Gefahr, die die Reds ausstrahlten, war Rechtsverteidiger Glen Johnson. Gegen Tottenham hatte er noch auf der linken Seite aushelfen müssen, aber schon dort zu den aktivsten und auffälligsten Akteuren des Teams gezählt – hier bekam er insbesondere durch die Ausrichtung von Giggs in Verbindung mit der schematisch tiefen Position von Scholes viele Freiheiten und ein Loch im Halbraum, welches er zu Soli mit anschließenden zwei sehr gefährlichen Abschlüssen nutzte.

Beim ersten Treffer für United kurz nach Wiederbeginn patzte Johnson allerdings, als er mit schlechtem Stellungsspiel nicht rechtzeitig auf Rooneys Finte reagierte und diesem damit die Führung nach einem Eckstoß ermöglichte (47.). Nur drei Minuten später war es dann erneut Rooney, der auf 2:0 erhöhen konnte.

Gegenpressing und Auswechslungen

Dieser Treffer zeigte einen ganz besonderen Vorteil des Spiels der Hausherren, mit vielen Spielern durch das Zentrum zu überladen – die Möglichkeit zum Gegenpressing. Valencia eroberte auf halbrechts nach dem Ballverlust das Leder sofort zurück, so dass sich viele Räume und eine Überzahl eröffneten, die Rooney dann nutzte. Dass ausgerechnet Jay Spearing jener Mann war, der den Ball an das Gegenpressing abtreten musste, war schließlich die bittere Würze des Ganzen.

Wie bereits erwähnt gelang es Kenny Dalglish anschließend trotz guter Ideen nicht, mit seinen Wechseln das Ruder noch herumzureißen. Zunächst brachte er für die schwachen Downing und Spearing Bellamy und Caroll und ließ Suárez, Henderson, Kuyt und Bellamy oftmals rotieren, was aber durch besagte technische Ungenauigkeiten keinen Effekt erzielte. Mehr und mehr wurde das System dann starrer zu einem 4-4-2, dem die Verbindung zwischen Mittelfeld und Angriff abhanden ging, was sich auch durch die Einwechslung Adams nicht änderte.

Das Anschlusstor durch Suárez fiel nach einem schlecht verteidigten Freistoß, aber hatte sich in keiner Weise abgezeichnet und so war es auch nicht verwunderlich, dass die Heimmannschaft das Resultat souverän über die Zeit brachte.

Fazit

Weil Liverpool offensiv an typischen Problemen litt und diesmal hinten die Räume zwischen den Linien überhaupt nicht geschlossen bekam, war es eine verdiente Niederlage gegen United, die diese Makel auch hervorragend ausnutzten und phasenweise sehr schöne Kombinationen zeigten.

Personell (vor allem durch Rooney-Welbeck) wie spielerisch kehrt die Mannschaft nach einer langen durchwachsenen Phase ohne große spielerische Glanzlichter und dem Verpassen des Achtelfinales der Champions League immer mehr zu jenem Ideal zurück, welches in der Anfangsphase der Saison zu Siegen und Toren am laufenden Band, Traumfußball und mitreißenden Siegen gegen Tottenham oder Arsenal führte – nur diesmal etwas weniger spektakulär, dafür defensiv abgesicherter.

Axel 12. Februar 2012 um 16:35

Hallo zusammen, danke für die Aufarbeitung.

Mir sind noch ein paar Dinge aufgefallen – waere daran interessiert eure Meinung dazu zu hören.

1. Durch die Wiedereingliederung von scholes geht Fergie grosses Risiko, was aber King Kenny nicht aufdecken wollte. Wenn LFC Scholes viel enger gedeckt hätte (will nicht über Steffen Freund reden), dann hätten sie ManU die Seele genommen. So aber hatte er z.T. 20-30 m Platz. Bei manndeckung wäre ihm die Puste ausgegangen…

2. Gerard war sehr enttäuschend, weil er zwar andauernd den Ball forderte, damit aber ausser langen Pässen ins nirgendwo nicht anzufangen wusste. In der Verfassung ist er ein bankspieler…

3. Schade auch zu sehen, dass LFC für extrem viel Geld nur so ein mittel prächtiges technisches Niveau hinbekommt.

Gruß aus dem Land wo 16000 Leute in eine Halle gehen um das Spiel live am tv zu verfolgen.

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