VfL Wolfsburg – SC Freiburg 3:2

Felix Magaths Wölfe sind auf dem Weg nach oben und wollten gegen die stark abstiegsgefährdeten Freiburger nun den nächsten Schritt machen.

Grundformationen

Dabei blieben sie auch in diesem Spiel ihrem flachen 4-4-2 der vorherigen Partien treu. Nach dem vor allem in der Defensiv- und Taktikarbeit zufriedenstellenden Remis gegen Borussia Mönchengladbach gab es somit für Magath kaum einen Grund zu Änderungen – einzig in der Offensive musste Polter für Sio auf die Bank, während Mandzukic seine „Strafe“ abgesessen hatte und diesmal wieder von Beginn an dabei war, was Sissoko aus dem Team verdrängte.

Christian Streich und seine Freiburger hatten große Verletzungsprobleme, so dass sie die Mannschaft nach dem jüngsten 2:2 gegen Bremen erneut umbauen mussten. Für den verletzten Krmas kehrte Diagné nach Sperre zurück, während Caligiuri Rosenthal ersetzte und im Sturm erstmals Neuzugang Santini für Putsila zum Einsatz kam – das 4-4-2/4-4-1-1 wurde allerdings beibehalten.

Wolfsburg mit brutalem Flügelspiel

In diesem Spiel wollten die Hausherren über eine Route zum Erfolg kommen, die man seit der Rückkehr von Felix Magath schon oft als Strategie genutzt hat – konsequentes Flankenspiel. Gerade in der Anfangsphase hatten die Freiburger damit Probleme und fingen sich zwei Gegentore in der ersten Viertelstunde – es hätten auch mehr sein können.

Grundlage für dieses Wolfsburger Spiel war die Pärchenbildung auf den Außenpositionen zwischen den beiden Außenverteidigern Träsch und Rodriguez, die immer wieder sofort mit nach vorne stießen und am Ende neben Schäfer die Spieler mit den meisten Sprints und Läufen des Teams waren, sowie den beiden Flügeln Dejagah und Schäfer, deren richtigfüßige Aufstellung sie oft Richtung Grundlinie zog.

Auch der offensivere der beiden zentralen Mittelfeldspieler, Petr Jiracek, konnte durch die Absicherung durch Josué immer wieder sich weit auf die linke Seite bewegen und dort dem Flügelspiel – das oft zu zweit praktizierte Hinterlaufen ist in diesem Zusammenhang das „einfachste“ und effektivste taktische Mittel – mit einer dritten festen Anspielstation eine neue Dimension geben, da durch das entstandene Dreieck die Möglichkeiten, wie der Angriff verlaufen würde, vielfältiger und damit für die Freiburger schwerer zu verteidigen waren – sie wurden von Wolfsburg überladen.

Gleiches geschah auf der anderen Seite, wo sich häufig der emsige, athletische und dynamische Mario Mandzukic – ebenso wie er es auf der linken Seite auch noch zusätzlich machte – als Kombinationspartner auf die Seite verschob und das Überladen praktizierte.

War der Spielzug dann abgeschlossen und hatte sein Ziel gefunden, fand sich ein Außenspieler (auf rechts primär Träsch, auf links primär Schäfer – die Spieler mit den meisten Flanken) meist zwischen Strafraumhöhe und Grundlinie auf der Außenbahn wieder und brachte anschließend eine Flanke oder Hereingabe in die Mitte (26 waren es nach 90 Minuten), wo die beiden Stürmer sowie der ballferne Kollege als Abnehmer warteten.

In der Tat gerieten die Freiburger, deren Abstimmungsprobleme in der im Winter komplett neu zusammengestellten Viererkette natürlich noch ein großes Problem sind, gehörig ins Schwimmen, sobald eine dieser zahlreichen Hereingaben hoch oder gerne auch als Aufsetzer in die Mitte segelte.

In der 6. Minute entstand daraus eine Eckball-Serie, an deren Ende die Wolfsburger das 1:0 durch Jiracek markierten, in der 14. Minute brachte eine Flanke von rechts das 2:1 durch Schäfer.

Besonders dieser zweite Treffer war ein Paradebeispiel für die typischen Spielzüge der Wolfsburger, die in ihren Grundzügen immer wiederkehrten – es gab einen für die rechte Flanke und einen für die linke. Eingeleitet wurden diese Angriffe von den Außenverteidigern, die den Ball nach vorne tragen würden.

Die beiden Spielzüge der Wolfsburger über rechts (konkret am Beispiel des 2:1) und links (hier mit zwei Varianten, nachdem der Ball zu Schäfer gekommen ist: entweder der grüne oder der blaue Weg)

Auf rechts würde Träsch den Ball auf Dejagah spielen, welcher entweder wieder den Doppelpass mit Träsch oder mit Mandzukic suchen würde, bis der Ball am Ende von Mandzukic oder Dejagah wieder zu Träsch kommen würde. Auf links würde Rodriguez mit dem Ball im Dribbling nach innen ziehen, Jiracek anspielen, welcher dann gegen die Laufrichtung der Freiburger Defensive Schäfer die Linie entlang schicken würde.

Zusammen mit ihren Varianten erfüllten diese Spielzüge ihren Zweck in gutem Maße – es ist wenig kreativ oder intellektuell, aber dafür einstudiert und effektiv, ebenso beachtlich, wie viel Raum man mit diesen Kombinationen öffnen kann.

Lange Bälle helfen nicht…

Freiburg dagegen hatte zu Beginn noch einige Probleme und erzielte in den gegnerischen Dauerdruck hinein den zwischenzeitlichen Ausgleich durch Flum (11.) doch ziemlich aus dem Nichts. Der Treffer war allerdings ein Beispiel für das Freiburger Spiel der Anfangsphase.

Eher untypisch für diese Mannschaft schlug man eine hohe Anzahl an langen Bällen und genau ein solcher Pass von Keeper Baumann war der Ausgangspunkt des 1:1. Das Problem der Freiburger schien ihr inkonsequenter Spielaufbau zu sein:

Abwechselnd ließen sich Makiadi und Flum nach hinten fallen, doch dafür rückten die Außenverteidiger nicht weit genug auf, sondern zögerten ein wenig, während Makiadi und Flum sich stur auf halbrechts fallen ließen und die andere Seite damit etwas verwaiste. Durch das aggressive Anlaufen der zwei Wolfsburger Angreifer wurde ein ruhiger Aufbau unterbunden, doch weil im Mittelfeld durch die tiefen Mittelfeldspieler sowie Außenverteidiger nicht genug Optionen gegeben waren, wurde der Ball nach vorne geschlagen, wo man sich allerdings weder im Luftduell durchzusetzen (nur 43 % erfolgreich) noch den zweiten Ball zu gewinnen vermochte – eben durch das tiefe Mittelfeld.

…dann spielt Freiburg wieder wie Freiburg…

Nach einiger Zeit wurde es dann besser, weil Caligiuri sich vermehrt von der linken Seite weg orientierte und Jendrisek als hängende Spitze variabler spielte. Dies erhöhte auch die Möglichkeiten zum typischen Kombinationsspiel der Mannschaft, was vor allem in Form des Überladens auf der rechten Seite praktiziert wurde, wo Santini als Raumöffner fungierte und die beiden Flügelstürmer gemeinsam auftauchten. Beim 1:1 hatte man dieses Verhalten Caligiuris bereits gesehen und später führte es zu zwei weiterem großen Chancen.

Auf der Seite von bundesliga.de in der Spielmatrix (leider funktionieren die Direktlinks aktuell nicht) lässt sich Caligiuris Sprintbild aufrufen, dass sein Ausweichen auf die rechte Seite gut unterstreicht.

So wuchsen die Breisgauer immer mehr ins Spiel, gewannen an Sicherheit und fingen langsam aber sicher an, zu dominieren. Durch die Tatsache, dass beide Teams hoch verteidigten, ergaben sich durch den verengten Raum sowie die 4-4-2-ähnlichen Anordnungen auf beiden Seiten viele direkte Duelle, die die Freiburger – auch durch ihr wieder besseres Pressing – nun immer mehr zu ihren Gunsten entschieden – 56,6 % gewonnene Zweikämpfe waren es am Ende.

Die hohen Abwehrreihen führten aber noch zu einem weiteren wichtigen Faktor in dieser Partie – das Flügelspiel mit seinen Flanken wurde effektiver. Oftmals hört man, dass man gegen ein Team, das oftmals flankt, hoch verteidigen sollte, um die Kopfballstärke im Zentrum zu neutralisieren, doch dies ist nur bedingt richtig.

…und wird für den eigenen Mut (fast) belohnt

Durch die hohe Abwehr ergeben sich zum einen große Räume hinter der Abwehr, in welche der Flügelspieler starten kann, und zum anderen solche, in die die Flanke gespielt werden kann – kommt der Ball in die Mitte, befindet sich die Abwehr in der Bewegung des Zurückkommens, so dass mehr Platz für die Flanke vor der Abwehr vorhanden ist, und die Stürmer hervorragend in den Ball hinein starten können, während die Verteidiger sich sehr gut koordinieren müssen, um gleichzeitig beim Sprinten, Decken des Raums und der Gegner sowie beim Klären der Flanke alles richtig zu machen. So wie die Wolfsburger bei ihren Aktionen davon profitierten, entdeckten die Freiburger mehr und mehr, dass sie dies auch tun konnten.

Gegen die besonders auf den Außen aufgerückten Wolfsburger reichte ein langer Flachpass von Sorg die Linie entlang auf Schmid, um die Wolfsburger auszuhebeln. Selbst wenn Rodriguez in Position war, musste er doch aufgrund der hohen Abwehr die Schnittstellen zumachen und deshalb eng stehen, was Schmid, der den Ball zwischen sich und Rodriguez gespielt bekam, Raum und Zeit zum Beschleunigen gab – schon war er fast auf Strafraumnähe und konnte den Ball flach hereingeben. Es war exakt dieser Spielzug, der das 2:2 brachte (38.), und wenn Caligiuri der Ball nicht abgerutscht wäre, hätte er auch das 3:3 produziert (78.).

Auf whoscored.com ist nicht nur das konsequente Flügelspiel des VfL, sondern auch die Dominanz der rchten Freiburger Seite zu erkennen – bedingt durch die Aufbauspieler Flum und Makiadi, Caligiuri und das Überladen sowie die angesprochenen Direktangriffe über Sorg und Schmid/Rosenthal – 44 % der Wolfsburger Angriffe kamen über links, 45 % der Freiburger über rechts.

Auswirkungen der Auswechslungen im zweiten Durchgang

Doch so reichte den Wölfen im zweiten Durchgang ein abgefälschter Schuss von Jiracek (61.), der das Spiel Wolfsburgs mit seinen Läufen dann noch einmal kurz belebte, gegen den Spielverlauf, um die drei Punkte einzufahren. Zwar versuchten die Freiburger alles, doch waren sie wie in obiger Szene zu ineffektiv, auch wenn Streich Rosenthal für neue Power und Joker Reisinger für den noch nicht voll durchsetzungsfähigen Santini brachte.

Für die letzten 10 Minuten wartete der Freiburger Coach dann mit einer besonderen Idee auf, die sehr mutig und ebenso taktisch klug war, allerdings aufgrund Magaths vorherigem Wechsel nicht aufging – möglicherweise hatte der Schach-Fan diesen Zug seines Gegenübers vorhergesagt und rettete damit den Sieg.

Streich nahm nämlich Linksverteidiger Lumb vom Platz und brachte dafür Neuverpflichtung Sebastian Freis als hängende Spitze. Dafür rückte der bisher im Sturm agierende Jendrisek zurück in die Rolle des Linksverteidigers, was für Offensivkraft, Druck und Breite sorgen und die guten Flanken des Slowaken einbringen sollte, doch im rechten Mittelfeld spielte bei Freiburg nun Ochs, der Jendrisek hervorragend neutralisierte und teilweise auch schon dessen defensive Schwächen attackierte. Es blieb beim etwas glücklichen 3:2 für den VfL.

Fazit

Offensiv ist die Strategie der Wolfsburger sehr vielversprechend, wenn auch die Einleitung in der Spieleröffnung sowie der Variantenreichtum und die Effektivität noch verbessert werden müssen, defensiv waren diesmal nach zuletzt stabilen Auftritten große Lücken auf Außen zu erkennen.

Nach dem Remis gegen Werder nun wieder ein Rückschlag für den Sportclub, der leicht zu verhindern gewesen wären. Doch der Fluch der neuen Viererkette sowie die eigene Ineffektivität brachten sie um den verdienten Lohn. In diesem Spiel konnte man aber auch erkennen, dass die Mannschaft absolut an ihre Grenzen gehen muss, um in dieser Besetzung mithalten zu können. Es braucht wohl in jedem Spiel eine famose Laufleistung (diesmal: 10,4 km intensive Läufe; 124 km Gesamtdistanz; 7,5 km/h Höchstgeschwindigkeit), um gewisse Defizite kompensieren und das eigene Spiel wettbewerbsfähig aufbauen zu können. Trotz wieder einmal sehr guter Ansätze, die viel besser waren als es das Ergebnis aussagte, wird man bis zur letzten Sekunde um den Klassenerhalt oder gar den Relegationsplatz zittern müssen.

tactic_addicted 13. Februar 2012 um 18:41

Frage an den Autor und andere Experten:

warum kann ich dem Flügelspiel Wolfsburgs nicht durch kompaktes Verschieben von Abwehr und Mittelfeld entgegentreten? Stelle ich das Mittelfeld dann leicht versetzt nach vorne, kann ich die Außen noch vom Zentrum isolierten, so dass Verlagerungen nur mit langen Bällen möglich ist. Zeit zum Verschieben auf die andere Seite. Gerade wenn ich sehe, dass der Außenverteidiger den Ball hat, weiß ich doch schon fast, welche Seite ich zustellen muss.
Denke ich da zu einfach?

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TR 13. Februar 2012 um 20:12

Naja, gerade wenn da drei Spieler sind, der AV mit Tempo nach vorne prescht u nd dann beide Kollegen angespielt werden können, ist es für die Gegenspieler schwer, das Tempo aufzunehmen. Außerdem hat nicht jeder Gegner solche Probleme in der Kette wie die Freiburger und nicht jeder Gegner gerät bei „simplen Flanken“ so ins Schwimmen. Es gibt manche taktische Mittel, die kann (oder will) man kaum Verhindern. Überlaufen gehört wohl dazu.

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tactic_addicted 13. Februar 2012 um 23:23

Aber ist das nicht eine alltägliche Situation? Da Sie das in diesem Artikel so betont haben, schien es mir so, also läge eine Besonderheit in der Wolfsburger Art des Flügelspiels.

Kann man nicht Abwehrreihe und Mittelfeld auf einer Seite sehr eng nebeneinander stellen, so dass einfaches Überlaufen nichts bringt?

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juwie 12. Februar 2012 um 18:20

Im drittletzten Absatz steckt ein Fehler: Ochs kam bei Wolfsburg.

Ansonsten aber wieder ein hochinteressanter Bericht!

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Tobias 11. Februar 2012 um 12:35

Wieder ein guter Bericht, der besonders durch die Auflistung der speziellen Spielmuster Wolfsburgs hochinteressant ist. Wie schon beim Kieler Spielzug im DFB-Pokal Bericht, mein Kompliment!

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