Mali – Elfenbeinküste 0:1

Auch das zweite Halbfinale des Afrika-Cups endete mit einem knappen 1:0.

Nach dem Ausscheiden von Ghana konnte der andere Topfavorit Elfenbeinküste dieser Rolle nicht nur vom Ergebnis her, sondern auch in Hinblick auf die Leistung gerecht werden. Im Viertelfinale hatte man sich noch etwas schwer getan und stark auf individuelle Klasse sowie gegnerische Fehler vertrauen müssen, doch diesmal steigerte sich die unveränderte Mannschaft und war so auch taktisch das entscheidende Bisschen stärker als die sehr mutig auftretenden Gegner des Teams Mali.

Wie die Ivorer hatten die von Barcelonas Mittelfeldspieler Seydou Keita angeführten Malier sowohl in der Gruppe als auch im Viertelfinale Probleme gehabt, welche sich besonders auf das Erspielen von Torchancen bezogen. Gegen den punktlosen Tabellenletzten Botsuana hatte man lange zurückgelegen und sich erst spät den zweiten Platz hinter Ghana gesichert und auch gegen Gabun brauchte es ein spätes Comeback, eine gehörige Portion Glück sowie ebensolches im Elfmeterschießen, um weiterzukommen.

Grundformationen

Beide Mannschaften hatten auch die Wahl ihrer Spielformation gemein – es war jeweils ein relativ ähnlich interpretiertes 4-3-3 mit einem bulligen Mittelstürmer und einer 2-1-Anordnung im Mittelfeld, wobei diese bei Mali gerade im Spiel ohne Ball oftmals auch abgeändert wurde.

Pressing

Zu Beginn waren die Ivorer die dominierende Mannschaft, während Mali vornehmlich das Spiel ohne Ball führte, wobei sie zwischen Mittelfeldpressing und einem Angriffspressing wechselten. In ersterer Variante formierte man sich eher in einem 4-1-4-1, so dass zumindest Zokora und oft auch Yaya Touré einen festen Gegenspieler hatten, womit relativ leichter Druck ausgeübt werden konnte.

Doch immer wieder presste man auch schon früher, um die Elfenbeinküste nicht in den Rhythmus kommen zu lassen, sie unter frühen Druck zu setzen, ein ruhiges Aufbauspiel zu unterbinden und auch Fehler beim Gegner in Form von Ballverlusten zu erzwingen, doch besonders an diesem Punkt scheiterte man zu häufig, um den großen Aufwand zu rechtfertigen, auch wenn die Mechanismen durchaus interessant anzusehen waren.

Hypothetisches Pressing-Szenario: Der Ball wird von rechts nach links gespielt, die Ketten verschieben, die Ordnung ist immer gleich, wird aber von verschiedenen Spielern eingenommen, damit dies schneller möglich ist, wie an den Verbindungen, welche die Linien der 4-2-3-1-Grundformation darstellen, zu erkennen

In diesem Fall würde man eher ein 4-2-3-1 annehmen, das Zentrum dicht machen und den Ball auf die Außen leiten, wo der eigentliche Prozess beginnen würde. Die offensive Dreierreihe würde zum Ball verschieben, während die beiden zentralen Spieler eher zentral bleiben würden. In die entstandene Lücke hinter der Dreierreihe könnte der betreffende Außenverteidiger schieben und seinen Gegner bedrängen. Bei einem Seitenwechsel wären es meistens die tieferen Mittelfeldspieler, die zum Ball gehen, während die drei anderen dann dahinter rücken würden.

Diese fluiden Mechanismen wirkten – auch wenn sie nicht konstant gespielt wurden – durchaus effektiv, als dass sie den Aufbau der Ivorer hemmten, doch es gab auch einige Situationen, wo sich die „Elefanten“ durch das Pressing durchzuspielen wussten und dann Räume vorfanden, sobald sie den Druck umschifft hatten. In diesen Situationen verliefen die Angriffe aus dem Aufbau heraus wie Konter – und diese schnellen Angriffe sowie echte Konter waren jene Fälle, die man von Zeit zu Zeit immer mehr spielte und bei denen man sehr gefährlich wirkte.

Dass dem so war, wurde von mehreren Gründen ausgelöst, die zwar bei Kontern der Ivorer ebenso griffen, aber eher das gesamte Spiel über galten und dafür sorgten, dass der Favorit die bessere Mannschaft war – weil man die bessere Mannschaft war.

Inverse Außenstürmer, bessere Außenverteidiger und Yaya Touré

Es gab dabei drei Punkte, die neben der individuellen Klasse für diese Überlegenheit des einen von zwei relativ ähnlichen Systemen verantwortlich zeichneten.

Zum einen sind hier die Rollen der Außenstürmer der Elfenbeinküste zu nennen, die immer wieder in die Mitte zogen und dort den freien Zehnerraum besetzten, wobei Gervinho und Kalou immer wieder auch rochierten, aber durch ihre oftmals inverse Aufstellung sowie eine gute Einzelperformance für viel Gefahr in diesen freien Räumen zwischen den Linien sorgen konnten – das Siegtor erzielte Gervinho, als er nach Umspielen des Pressings diesen Raum vorfand und für ein Solo nutzte.

Zum zweiten schoben im Gegensatz zu ihren malischen Pendants die Außenverteidiger der Ivorer stark nach und sorgten für weitere Optionen im Angriff, hielten außerdem das Spiel breit, während die Flügelstürmer vor ihnen in die Mitte gingen und ihnen diesen Raum öffneten, schlugen eine Brücke zwischen Angriff und Verteidigung und drängten den Gegner in Person von Yatabaré und Sow zurück. Gerade Gosso wurde immer wieder in den Raum geschickt und sorgte für viel Wirbel, wobei ebenfalls auffällig war, dass man auch die Balance besser hielt – man war vorne gefährlicher ohne hinten – wie Mali beim Gervinho-Tor – dafür offen zu werden, wobei man hier bei Gosso Abstriche machen muss.

Schließlich zeigte sich auch der zweite große Starspieler neben Kapitän Drogba, Yaya Touré von Manchester City, als wichtiger Baustein. Er verstand es, eine Verbindung zwischen dem eher tiefen Drei-Mann-Mittelfeld und dem Sturm aufzubauen, für direkte Unterstützung für die Außenstürmer sowie unmittelbar Torgefahr mit vertikalen Vorstößen aus der Tiefe zu sorgen. Exemplarisch wurde dies in der ersten Halbzeit, als er von hinten startete, in die Schnittstelle der Abwehr ging, den Ball von Kalou diagonal durchgesteckt bekam und dann nur an der Querlatte scheiterte.

Zusammenfassung der Überlegenheit der Ivorer

Mali mit Engagement und Mut, aber zu wenig Druck und Präzision

Auch in dieser Beziehung waren die Malier den Ivorern unterlegen und hatten dementsprechend Probleme, den Ball nach vorne zu bekommen. Das Mittelfeld spielte zu tief und hatte keine Verbindung nach vorne, so dass man praktisch nur vor dem ivorischen Defensivblock mit den absichernden Sechsern Tioté und Zokora spielte.

Nicht nur spielte Keita als höchster Mittelfeldspieler zu tief, außerdem war die Partie zu sehr auf den Starspieler zugeschnitten und folglich auch von ihm abhängig, was aber die Mannschaft lähmte, wenn Keita aus dem Spiel genommen wurde – und genau das war hier der Fall, gut ausgeführt von Zokora.

So trauten sich die Malier zwar einiges zu und übernahmen auch oftmals die Initiative, doch war die Produktivität aus den obigen Gründen der fehlenden Unterstützung zu gering. Kam man dann doch einmal zu Angriffsaktionen, waren meist die Seiten tauschenden Flügel beteiligt, doch die wenigen aussichtsreichen Situationen, die man hatte, wurden durch falsche Entscheidungen zunichte gemacht – hier versprang ein Ball, dort legte man sich ihn zu weit vor oder rannte in den Gegner, hier spielte man zu hastig den Pass oder brachte eine der vielen Flanken zu unpräzise, dort vertendelte man den Abschluss.

Fazit

Auch diese Partie war nicht besonders berauschend, doch gegen die eher enttäuschend harmlosen und langsam spielenden Malier war die Elfenbeinküste die klar bessere Mannschaft, weil man in den Basisdisziplinen der Systeminterpretation stärker war – die Rollen den vier Außenspieler sowie jene des verbindenden offensiven Mittelfeldspielers waren passender und effektiver.

Nach dem Rückstand fand Mali dann kein Mittel mehr gegen die sehr sicheren Ivorer, die immer mit zwei Sechsern absicherten, allerdings auch kaum getestet wurden. Paradoxerweise könnte genau diese defensive Sicherheit mit bisher nur einem Gegentor aus fünf Spielen der Schlüssel werden, um im Finale die konterstarken Sambier, gegen die man selbst das Spiel machen muss, zu schlagen. Denn so würde man sehr effektiv gegen diese Konter wirken können. Zwar könnte es sein, dass man sich im Angriff die Zähne ausbeißt, denn auch diesmal spielte man gerne auf Konter, doch durch die individuelle Klasse und die in dieser Partie gegenüber den vorigen Spielen verbesserten Punkte bezüglich der Touré-Rolle sowie der Effektivität über die Flügel sollte man absolut in der Lage sein, Sambia zu knacken, auch wenn diese ebenfalls gut zu den Ivorern passen – das Finale dürfte nicht nur das interessanteste Turnierspiel werden, weil es das Finale ist…

juventino 9. Februar 2012 um 21:50

spannende analyse, habe den afrika cup leider nicht verfolgt, aber freue mich sehr für die elfenbeinküste. jetzt aber noch eine frage: kommt eine analyse zum spiel milan-juve von gestern? war ein spannendes spiel, taktisch in meinen augen sehr anspruchsvoll von der juve. würde mich über eine analyse sehr freuen.

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TR 10. Februar 2012 um 14:21

Vielen Dank für das Lob!

Leider hatten wir aufgrund der Pokalspiele und des Afrika-Cups niemanden frei, der sich dieses Spiels annehmen konnte. Gleiches galt für Barcelona-Valencia.

Dafür haben wir – auch wenn es ein etwas schwacher Trost ist – das gestrige Spiel gecovert. Natürlich nicht so bedeutsam, wie Milan-Juve, aber doch durchaus interessant. Vielleicht ist es ja ein kleiner Ausgleich, bald kommt auch die „Alte Dame“ wieder drin 🙂

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juventino 10. Februar 2012 um 20:13

schade! aber die cesena-lazio analyse ist auch top! ich freue mich jetzt schon auf weitere beiträge zur welt des fussballs eurerseits.

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