Holstein Kiel – FSV Mainz 05 2:0

Liest man nur die Eckdaten dieser DFB-Pokalpartie könnte man zu dem Schluss kommen, den typischen Pokalerfolg eines Außenseiters verpasst zu haben: Eigentor in der Anfangsphase, langes Anlaufen des Bundesligisten und 2:0 in einer Phase, in der die Kräfte begannen nachzulassen.

Dies war jedoch mitnichten der Fall. Holstein Kiel zog vollkommen verdient und ohne jede Zweifel in die Runde der letzten Acht ein, war während der gesamten Spielzeit die bessere Mannschaft und hätte das Ergebnis noch wesentlich höher gestalten können. Dennoch war die Grundlage des Erfolgs die stabile Defensive, die kaum Torchancen für die Mainzer zuließ und zu keinem Zeitpunkt den Eindruck machte, auch nur annähernd in Gefahr zu geraten.

Extreme Konzentration auf die Zentrale spielt Kiel in die Karten

Startaufstellungen

Die Romantiker unter den Fußballfans dürften begeistert gewesen sein ob der Bedingungen in Kiel: Ein aufgeweichter, an der Grenze zur Unbespielbarkeit anzusiedelnder Platz, ein ausverkauftes Stadion, Flutlicht und natürlich das obligatorische Duell „David gegen Goliath“.

Schon in den ersten Minuten hatte man den Eindruck, dass die Gäste große Probleme hatten mit Untergrund und Ball zurechtzukommen. Wie es im Vorfeld der Partie zu erwarten war, formierten sich die Gastgeber in einer kompakten Defensivordnung. Diese bestand aus zwei sehr eng beieinander stehenden Viererketten sowie zwei Stürmern, von denen sich Sykora mit zunehmender Spieldauer immer häufiger ins Mittelfeld fallen ließ, um dort bei der Defensivarbeit zu helfen.

Das frühe Eigentor durch Ujah (6. Spielminute) spielte den Hausherren naturgemäß zusätzlich in die Karten. Nun konnte man den Gegner in der gegnerischen Hälfte frei spielen lassen, die Passwege in die eigene Hälfte hinein jedoch vehement unterbinden. Hierbei half der schlechte Platz, der ein normales Aufbauspiel extrem schwieirg machte. Die Mainzer hatten damit sichtlich zu kämpfen, schafften es nicht, das Spiel aus der Innenverteidigung aufzubauen, sodass sich einer der defensiven Mittelfeldspieler immer wieder fallen ließ, um den Ball abzuholen.

Das gesamte Aufbauspiel der Mainzer war – wie man es schon aus der Bundesliga gewohnt ist – sehr zentral ausgerichtet, weil die beiden Außenverteidiger weit vorschoben um im Mittelfeld bzw. Angriff für die nötige Breite zu sorgen. Damit machte sich der FSV für den Regionalligisten jedoch auch ausrechenbar. Kiel-Trainer Gutzeit konterte die Spielweise der Mainzer, indem er beide Viererketten sehr zentral agieren ließ, und zudem die Abstände zwischen Verteidigung und Mittelfeld minimierte, sodass es zentral keinerlei Anspielmöglichkeiten für die Domstädter gab.

In der ersten Halbzeit versuchte Mainz sich im letzten Drittel durch die Hilfe der Stürmer auf den Außen in den Rücken der Abwehr zu kombinieren. Dies gelang auch einige Male, allerdings waren dann entweder die Hereingaben zu ungenau oder aber in der Mitte fehlte ein Abnehmer, sodass keine echte Torchance zustande kam. Für die Gäste kam erschwerend hinzu, dass die Außenbahnen offenbar besonders rutschig waren, was das Kombinationsspiel auf den Seiten zusätzlich erschwerte.

So kam es, dass der FSV während der gesamten Spielzeit extreme Schwierigkeiten hatte, sich gegen die relativ tief stehenden Kieler Torchancen zu erspielen. Die Mitte war auf beiden Seiten überbesetzt, die Außen unterbesetzt und zudem sehr rutschig, Bälle in den Rücken der Abwehr aufgrund der tiefen Stellung und den aufmerksamen Verteidigern kaum möglich. Was den Mainzern blieb, waren Flanken aus dem Halbfeld, die zwar einige Male zu gefährlichen Anschlussaktionen führten, letzten Endes aber zu wenig waren, um den Viertligisten wirklich zu gefährden.

Perfektes Spiel der Gastgeber

Die Defensivleistung der Kieler wurde schon beschrieben. Trotz ihrer Einfachheit war sie extrem effektiv, zudem kräftesparend und damit praktikabel, um das Tempo 90 Minuten halten zu können und nicht wie so viele Underdogs in der Schlussphase einzubrechen. Auch die Offensivtaktik war im Grunde nicht sonderlich kompliziert, doch gerade das machte sie wahrscheinlich so effektiv:

Während die Mainzer ihr Spiel im Vergleich zu einem gut gepflegten Untergrund kaum umstellten, waren die Kieler an ihren schlechten Platz gewöhnt und konnten sich damit auch eine auf die äußeren Verhältnisse zugeschnittene Offensivtaktik zurechtlegen. Nach Ballgewinn wurde schnell in die Tiefe gespielt, meistens wurde einer der Flügelspieler oder der bewegliche Heider in die Korridore zwischen dem jeweiligen Mainzer Innenverteidiger und der Außenlinie gespielt. Besonders Heider kam so in der ersten Halbzeit einige Male bis zur Grundlinie und konnte gefährlich in die Mitte flanken, ohne jedoch einen Abnehmer zu finden.

Dabei war es keineswegs so, dass sich bloß die vier Offensivspieler an den Angriffen beteiligten. Wenn schon im Mittelfeld der Ball gewonnen wurde, griff Kiel mit bis zu sieben Leuten an, um die Mainzer zu überrumpeln, was auch einige Male gelang, jedoch ohne zählbaren Erfolg. Tatsächlich fielen letzten Endes beide Kieler Tore nach Standardsituationen, unter großer Beihilfe des Gegners. Und dennoch hätte man mehrmals aus dem Spiel heraus treffen müssen, zweimal wurde Holstein auch zu Unrecht wegen angeblichem Abseits zurückgepfiffen.

Dazu kamen etliche Chancen, selbst in der Schlussphase, als Thomas Tuchel auf drei Angreifer umstellte und zur Schlussoffensive blasen wollte. Selbst in den letzten zehn Minuten ließ Kiel nur eine Möglichkeit der Mainzer zu und hatte seinerseits noch einige Möglichkeiten das Ergebnis dem Spielverlauf entsprechend zu gestalten.

Fazit

Zu keinem Zeitpunkt war der Sieg des Außenseiters, der von Beginn an als spielbestimmende Mannschaft auftrat und das Spielgeschehen auch ohne Ballbesitz kontrollierte, ernsthaft in Gefahr. Eine beeindruckende Leistung des Regionalligisten, sowohl offensiv wie auch defensiv war man dem Bundesligisten klar überlegen. Mit einer solchen Vorstellung muss man sich auch nicht vor Viertelfinalgegner Borussia Dortmund fürchten.

Trotz der tollen Vorstellung der Heimmannschaft darf man nicht vergessen, dass hier ein Unterschied von drei Spielklassen bestand. Dass man diesen nie wirklich bemerkte, lag auch an den Mainzern, die nie die richtige Einstellung zu den äußeren Umständen, dem Rückstand und dem Gegner fanden und im Spiel nach vorne relativ einfallslos wirkten. Hier darf man auch Trainer Tuchel kritisieren, wieso er trotz desaströsem erstem Durchgang am sehr zentral angelegten  4-3-1-2-System festhielt und weshalb er keinerlei Lösungen zum Umgang mit der Kieler Spielweise zu haben schien.

Peter 25. Dezember 2011 um 00:05

Ich stimme dem Artikel und auch dem Vorredner zu, allerdings gebe ich zu bedenken, dass in jedem Zweikampf und auch in der Körperhaltung aller (!) Spieler zu sehen war, dass für die Kieler das Spiel des Jahres anstand und für die Mainzer eine „Pflichtaufgabe“.
Dieses nicht aus den Köpfen seiner Mannschaft herauszubekommen ist meines Erachtens der wahre Kritikpunkt an Tuchel. Immerhin sind die Kieler 2. in der Regionalliga und haben bereits zwei Zweitligisten aus dem Pokal geworfen, man durfte also gewarnt sein.
Auf der anderen Seite gebührt ein ebenso großes Lob an die Verantwortlichen von Holstein, die alle Spieler stets auf dem Boden hielten, solange das Spiel lief. Dieses Spiel war zwar schön für alle Beteiligten, aber wichtiger ist der Aufstieg. Während des Spiels war aber an den Kielern nicht zu erkennen, wie es steht, keiner hat seine Aufgaben vernachlässigt und alle haben sich voll in den Dienst der Mannschaft gestellt.

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Rasengrün 22. Dezember 2011 um 02:30

In der Tat auffällig, dass Tuchel im Spiel keine Antwort gefunden hat und so schon das zweite eher überraschende Ausscheiden in dieser Saison für Mainz zu Buche steht. Matchplan hui, Improvisation pfui?

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