Manchester City – FC Bayern München 2:0

Im letzten Spiel der Gruppenphase reiste der FC Bayern München nach Manchester. Gegen die Citizens hatte man bereits mit einem sehr guten Spiel in dieser CL-Saison gewonnen und später den Gruppensieg fixiert, darum trat man nun mit einer 1b-Mannschaft an. Bei den Engländern ging es allerdings noch um den Einzug ins Achtelfinale und es spielte die gesamte Stammelf, was letztlich der größte Unterschied in diesem Spiel war: die Differenz der individuellen Stärken beider Vereine. Taktisch konnten sich dennoch einige interessante Aspekte aus diesem Spiel nehmen lassen, wobei Manchester City aufgrund des Sieges des SSC Neapel in weiterer Folge in der Europa League antreten muss bzw. darf.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Beginn des Spiels

Die Formationen waren jenen vom Hinspiel sehr ähnlich. Manchester City trat mit einem 4-2-3-1/4-4-1-1-Mischsystem an, in welchem die Flügelstürmer eine sehr freie Rolle besitzen und sich hauptsächlich auf die Spielgestaltung im zweiten und letzten Drittel beschränken, defensiv also gewisse Freiheiten genießen. Mit Nasri und Silva besitzt man für diese Spielweise zwei extrem starke Spieler, insbesondere der kleine Spanier gehört dieses Jahr wohl zu den formstärksten Fußballern auf dem Planeten. Beide driften immer wieder ins Zentrum oder tauschen die Seiten, wobei Nasri der etwas weniger präsente und mehr auf Läufe ohne den Ball fixiert ist, was allerdings eine erfrischende Ergänzung zum kreativen und ballverliebten Silva darstellt. Zwischen diesen beiden kam Kun Agüero zum Einsatz, Maradonas Schwiegersohn spielte etwas tiefer als gewöhnlich, doch als hängender Stürmer bewies er seine Klasse und die offensive Freiheit kam ihm sehr entgegen. Manchmal würde er mit Dzeko vorne eine Doppelspitze bilden oder gar mit dem Bosnier rochieren, doch im Normalfall suchte Agüero die Nähe zu Silva und zum Ball, er ließ sich ins Mittelfeld oder auf die Seiten fallen und beteiligte sich am dynamischen Kombinationsspiel nach vorne. Hinter diesen vier offensivorientierten Spielern kamen Yaya Toure und Gareth Barry auf der Doppelsechs zum Einsatz, wobei der Brite etwas tiefer und deutlich horizontaler agierte. Die beiden teilen sich die Aufgabenbereiche wie im Spitzenfußball immer üblicher werdend in die jeweiligen Richtungen auf, Barry sorgt für die Absicherung vor der Abwehr und hinter den Außenverteidigern, während Toure die Offensive unterstützt oder Löcher im eigenen Defensivverbund möglichst weit in der gegnerischen Hälfte auffüllt – eine Stärke, welche er im Pressingspiel des FC Barcelona perfektioniert hat. Die Viererkette hatte wie gewohnt zwei offensive Außenverteidiger, dieses Mal die Neuzugänge Clichy auf links und Savic auf rechts, und die Innenverteidiger Lescott und Kompany vor Joe Hart.

Die Bayern spielten ein relativ ähnliches System wie ihr Gegner, doch der hängende Stürmer ist allerdings eher als Mittelfeldspieler anzusehen – Danijel Pranjic fugierte nämlich als Bindung zwischen Sturm und defensivem Mittelfeld, seine Agilität und Fixierung auf Kurzpassspiel sollte dies bewerkstelligen, doch er blieb großteils blass, konnte sich im letzten Drittel selten behaupten und lieferte sehr wenige Pässe in die Spitze. Rechts auf der offensiven Flügelposition trat David Alaba an, der als inverser Winger einerseits Torgefahr, aber andererseits auch defensive Unterstützung für den ihn hinterlaufenden Rafinha darstellen sollte, was einigermaßen gut gelang: fast die Hälfte aller Angriffe von Manchester City kamen über die andere Seite der Bayern.

Hier konnte man auch das grundsätzliche Problem der Bayern an diesem Abend festmachen, da man mit Olic und Contento zwei Linksfüße auf der Außenbahn hatte, welche beide einige Probleme miteinander und dem mannschaftlichen Kollektiv generell besaßen. Olic, welcher als gelernter Mittelstürmer und trotz seiner unglaublichen Laufarbeit als Flügelspieler in der Defensive kaum zu gebrauchen ist, ließ Contento oftmals im Stich und konnte sich in der Offensive nur schwer zurechtfinden. Er fand selten Passwege zu Petersen, aber konnte sich selbst nicht für weite Pässe aus der Tiefe oder in einem direkten Kombinationsspiel öffnen, dass er als Linksfuß auch noch Contento beim Hinterlaufen behinderte bzw. ihn nicht richtig einsetzen konnte. So kam es, dass Diego Contento sich offensiv zwar einigermaßen gut bewegte, aber viele Wege umsonst ging und dann hinten fehlte oder im Nachteil aufgrund einer falschen Position war. Zwar erhielt er Unterstützung von Tymoshchuk auf der halblinken Sechserposition, aber dennoch konnte das grundsätzliche Problem nicht beseitigt werden, da die offensive Ausrechenbarkeit und Ineffektivität schwerer wog als die taktischen Mängel in der Abwehr. Gustavo auf der halbrechten Sechserposition agierte sehr ähnliche wie Tymoshchuk, beide versuchten Bälle abzufangen und den Gegner unter Druck zu setzen, doch wenn die gesamte Mannschaft des FC Bayern nach hinten rücken und City den Ball überlassen musste, taten sie sich schwer Zugriff, auf ihre Gegenspieler zu erhalten – weil sie schlichtweg keine wirklichen hatten, Manchester Citys Rochaden konnten die beiden nur schwer einfangen und waren deshalb einige Male vollkommen auf dem falschen Fuß. Badstuber und Boateng dahinter waren nur die letzten einer langen Reihe von schwierigen Aufgaben, sie hatten sehr agile Gegenspieler und mussten desweiteren auf Vorstöße der gegnerischen Außenverteidiger achten, welche im Verbund mit den Flügelstürmern Contento und Rafinha einige Male dermaßen überliefen, dass die Innenverteidiger Bayerns zur Seite ausweichen und hohes Risiko gehen mussten. Insbesondere bei Badstuber war dies oft der Fall, doch er löste seine Aufgabe den Umständen entsprechend sehr gut.

Bayerns fehlende Kompaktheit zwischen den Linien

Ein großes Problem in der Formation der Bayern war die fehlende Kompaktheit, man hatte zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen, insbesondere der offensiven Dreierreihe und der Doppelsechs, einen zu großen Abstand, doch auch in der Horizontale waren die Abstände zwischen den zentralen Spielern und jene auf der Außenbahn oftmals viel zu groß. Besonders aufgrund der fehlenden Spielmacher im Zentrum war dies ein Problem, zwar konnten Diagonalbälle auf die andere Spielfeldseite angebracht werden, doch ihnen fehlte die Dynamik und City konnte relativ problemlos verschieben, während der Ball noch in der Luft war.

Bayerns Offensive fand durch die auseinandergerissene schematische Positionsverteilung nicht zueinander, da bspw. Olic sehr hoch und ungeschickt auf dem Flügel agierte. Bei seiner Spielweise und Ballverarbeitung konnte sich immer entweder der Außenverteidiger Savic nahe an ihm positionieren oder die gegnerische Doppelsechs die Passwege nach vorne sperren, was Petersen vor große Probleme stellte. Der ehemalige Cottbuser musste sich tief in die eigene Hälfte fallen lassen und erhielt keinen einzigen guten Ball in die Tiefe des Raumes, was ihn ineffektiv machte. Mit Alaba auf rechts hatte man zwar einen etwas stärkeren Partner und Spieler für diese Position, aber aufgrund Pranjics fehlender Kreativität und dem defensiven Zentrum wurde er nicht ausreichend unterstützt, Manchester Citys Abwehrverbund konnte also Alaba und Petersen mit einfachen Mitteln voneinander isolieren.

Ein weiteres Manko ergab sich bei den Bajuwaren ebenso in der Defensive, welche aufgrund des fehlenden Pressings nach hinten gedrängt wurde. Olic ackerte zwar wie gewohnt, doch mit Pranjic und Petersen sowie großen Abständen zur Doppelsechs konnte Manchester City immer wieder Löcher im Forecheking der Gäste aus München finden und sich aus schwierigen Situationen befreien.

Fluide Dreierreihe Manchester Citys gibt Probleme auf

Eminent wichtig für den Erfolg Citys – nicht nur gestern, sondern in der gesamten diesjährigen Saison – ist die flexible Offensive, welche defensiv zwar nachlässig, aber offensiv über jeden Zweifel erhaben ist. Mit Nasri und Silva, welche in einer Halbposition und quasi wie zwei Zehner agieren, hat man eine extreme Kreativität und Dynamik in der Vorwärtsbewegung. Mit dem wichtigen Positionstausch von Agüero und Dzeko wurde dieser Effekt noch verstärkt. Lange Zeit in dieser Saison hatten die beiden Mittelstürmer eine ähnliche Aufteilung wie die Doppelsechs: einer spielte den horizontalen Part (Agüero, welcher um den Strafraum herum bis auf die Flügel spielte) und der andere den vertikalen Part (Dzeko, der hinten viel Defensivarbeit machte und vorne dann in den Strafraum von hinten rauschte), doch von dieser Aufteilung ist man nun abgekommen.

Gegen die Bayern gab es keine solche strikte Aufteilung mehr und umso interessanter wurde die Formation. Mit Dzeko als Wandstürmer vorne, der sich aber dennoch einige Male in das Pressing und die klassische Defensivarbeit weit in der eigenen Hälfte einschaltete, hatte man einen sehr guten Prellbock für den körperlich starken Boateng und Badstuber musste sich deshalb etwas mehr auf Agüero konzentrieren, welcher aber dermaßen viele Freiheiten genoss, dass er fast schon als sehr hoher zentraler Mittelfeldspieler angesehen werden könnte – wobei er aufgrund seiner primären Aufgaben klar als Stürmer einzuordnen ist. Durch seine tiefe Rolle konnte er allerdings immer frei darüber entscheiden, ob er mit Dynamik in den Strafraum gehen, die verwaisten Flügel okkupieren oder mit Silva und Nasri ein Kurzpass-Kombinationsspiel aufziehen würde, diese Entscheidungsfreiheit brachte Agüero dazu, sämtliche seiner Stärken gleichermaßen ins Spiel einzubringen – dazu war er ebenso wie die beiden Spielmacher neben ihm taktisch kaum zu verteidigen.

Fazit

In einem ganz netten Spiel tat sich City trotz viel Ballbesitz schwer, doch die fluide Spielweise und Bayerns individuelle Schwäche sorgten letztlich für eine aufsteigende Formkurve bei den Engländern. Sie konnten das Spiel souverän für sich entscheiden, doch den Bayern dürfte dies mit ihrem zweiten Anzug herzlich egal sein. Trotz Silva, Agüero und Co. qualifizierte sich der Premier-League-Spitzenreiter nur für die Europa League und muss einen herben Rückschlag einstecken, doch spätestens im nächsten Jahr trifft man sich im höchsten aller Pokalwettbewerbe wieder – vielleicht wieder gegen die Bayern.

vonChrismarck 9. Dezember 2011 um 02:01

Auch ich habe Pranjic nicht so negativ gesehen. Heynckes hat ihm als alleinige Quelle von Kreativität im zentralen Mittelfeld einfach zu viel zugemutet. Das Problem sah ich, abgesehen davon, dass man allgemein nicht eingespielt war, eher im defensiven Mittelfeld.
Pranjic hat unter van Gaal einige gute Spiele dort gemacht. Wäre ich Heynckes, hätte ich Pranjic anstelle von Gustavo aufgestellt, Alaba die Zehn überlassen und dafür Usami auf dem Flügel aufgeboten.
Das wäre zwar defensiv weniger stabil gewesen, aber dafür hätte man eine ähnlichere Besetzung zu Schweinsteiger/Kroos gehabt und nicht einen Spieler außen vor gelassen. Ohne die ganzen Stammkräfte war ein Sieg sowieso schon recht schwierig…

Von den Citizens habe ich dafür einen weit schwächeren Eindruck als Du gewonnen. Wenn Bayern tief stand ist ihnen nicht viel eingefallen. Wirklich gefährlich wurden sie nur, wenn sich Räume hinter Bayerns Viererkette boten.

Die Tore waren natürlich trotzdem brillant heraus gespielt. Auch wenn ich das „Zuspiel“ von Dzeko auf Silva vor dem 1:0 nicht als absichtlich oder geplant ansehen kann. Er hat einfach versucht den Ball irgendwie nach vorne, am besten hinter die Verteidigung, zu bekommen und der Rest war technische Extraklasse.

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geco 9. Dezember 2011 um 15:17

Im Großen und Ganzen bin ich mit den Beobachtungen einverstanden, muss aber auch vonChrismarck Recht geben: City war an diesem Abend nicht übermäßig stark und profitierte in erster Linie von einigen Unstimmigkeiten in Bayerns Defensive. Neben den Toren kamen sie nur zu 2-3 gefährlichen Torschüssen (Agüero und Nasri in der 2. Hälfte), was für ein Team aus derart vielen Ausnahmespielern nicht sonderlich beeindruckend ist und schon gar nicht gegen ein nicht eingespieltes Bayern-Team.
Noch einige andere Beobachtungen: Kompany agierte im Spielaufbau oft weit vor Lescott, er war dann praktisch ein dritter Sechser. Barry ließ sich häufig auf die Höhe der IV zurückfallen, so dass man eine weitere zentrale Anspielstation hatte (ähnlich macht es der HSV unter Fink), während die Außenverteidiger hoch aufrückten. Ich hatte den Eindruck, dass Savic wesentlich offensiver und effektiver agierte als Clichy. Täusche ich mich da? Savic ist meines Wissens aber auch gelernter Rechtsaußen, zum anderen könnte das am vergleichsweise schwachen Abwehrverhalten von Olic/Contento gelegen haben. Damit noch zu Olic. Ungeschickt habe ich ihn keinesfalls gesehen. Vor allem im ersten Durchgang war er der gefährlichste Bayernspieler, hatte den ersten Torschuss und war auch an Alabas Chance (ca. 15. Min.) beteiligt.
Er wäre aber im Zentrum oder im offensiven Halbfeld wesentlich besser aufgehoben gewesen. Vielleicht hätte Heynckes in diesem Spiel einmal umstellen sollen auf 4-1-4-1 oder 4-4-2 mit Petersen und Olic im Sturmzentrum, um Citys Innenverteidiger über Flanken mehr zu beschäftigen. Ohne Kroos und Schweinsteiger und mit Pranjic auf der 10 fehlten Mut und Durchschlagskraft, um mit dem Kombinationsspiel durchs Zentrum wirkliche Torgefahr zu erzielen.

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RM 8. Dezember 2011 um 20:41

Kann man so sehen und ich denke, ich erwähnte auch, dass Pranjic agil und sicher im Passspiel war – aber ihm fehlt einfach die Präsenz und die Durchsetzungskraft im letzten Drittel, ergo könnte dies die Ursache sein, wieso er trotz des riesigen Raumes (welcher ja durch Olic verursacht wurde) kaum Anspiele erhielt. Letztlich beeinflusst jeder Spieler alle anderen um ihn herum, ebenso tun das die Gegner … mit Citys Doppelacht/-sechs kommt ja noch ein Faktor hinzu, welcher Pässe zu Pranjic und von ihm erschwerte. Ein sehr schwierig zu bewertender Fall.

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FiLiPiNi 8. Dezember 2011 um 20:23

Wieder einmal ein sehr schöber Artikel, allerdings muss ich dir bei der Bewertung Pranjics in gewisser Weise widersprechen. Ich persönlich fand, dass Pranjic sich sehr agil bewegte und überall zu finden war. Er hatte im offensiven Zentrum stellenweise unglaublich viel Raum. Er wurde nur einfach nicht angespielt. Wolf Fuß hatte es sehr passend ausgedrückt: „Die anderen erwarten ihn einfach nicht auf dieser Position“. Es schien, dass ihm niemand das Vertrauen entgegenbrachte, die Funktion des Spielmachers zu übernehmen, dabei zeigten die Bayern einige gute und schnelle Passstafetten, wenn Pranjic „Regie führte“. Dies ist jetzt natürlich nur meine subjektive Einschätzung bei einmaligem Ansehen des Spiels.

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