Hertha BSC Berlin – Bayer 04 Leverkusen 3:3

Das wohl packendste Spiel in dieser Runde war das Aufeinandertreffen zwischen Hertha BSC Berlin und Bayer 04 Leverkusen. Die beiden Mannschaften lieferten sich einen Showdown mit sechs Toren und wechselten sich zwischen taktisch interessanten Aspekten, guten Einzelaktionen und haarsträubenden Fehlern, vorrangig in der Defensive, ab.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Beginn

Mit ihrem kompakten 4-2-3-1/4-4-1-1-Mischsystem, in welchem eine kleine Lücke zwischen Verteidigung und Mittelfeld klafft, traten die Herthaner zuhause gegen den Favoriten aus Leverkusen an. Der Gegner und sein vielgescholtener Trainer Dutt schienen unter der Woche einen Befreiungsschlag gegen Chelsea gemacht zu haben, doch sie erwartete eine schwere Aufgabe im Berliner Stadion. Mijatovic und Hubnik hatten die Aufgabe, das defensive Zentrum dicht zu machen, die Innenverteidiger wurden dabei von der Doppelsechs, bestehend aus Ottl und Niemeyer unterstützt, deren vorrangige Aufgabe es war, keine Kreativität aus dem Leverkusener Zentrum entstehen zu lassen. Auf den defensiven Außenbahnen kamen wie üblich Kobiashvili und Lell zum Einsatz, die sich situationsabhängig in die Offensive einschalteten und Rukavytsya auf links bzw. Ebert auf rechts unterstützen sollten. Die beiden Außenstürmer versuchten einige Male zu rochieren, doch oftmals lief es darauf hinaus, dass Ebert auf seiner Seite blieb, während Rukvytsya sich ins Zentrum oder gar nach rechts bewegte und sein Platz dann von Raffael ausgefüllt werden musste, was sich allerdings ein paar Mal positiv in der Offensivbewegung der Hertha äußerte. Raffael spielte wieder als HS/ZOM-Mischling, vor ihm durfte Pierre-Michel Lassoga beginnen, welcher einstmals für den Gegner die Schuhe geschnürt hatte. Die Konstellation mit einem mitarbeitenden, aber dennoch weitgehend fixen Stürmer und einer teilweise flexiblen Dreierreihe dahinter sorgte dafür, dass die Herthaner zu Beginn des Spiels ein sehr effektives Pressing betreiben konnten, welches vorrangig im Mittelfeld stattfand. Da die Leverkusener sich auf den Außenverteidigerpositionen breit, davor aber zu eng und generell zu tief und weit auseinander aufstellten, konnten die Herthaner ohne viel zeitlichen Aufwand die gefährichen Passwege zusperren und vorne auf Ballgewinne mit extrem schnellem Umschalten spekulieren. Dieses dynamische Spiel in die Spitze nach einer Balleroberung war der Schlüssel, um die unkonzentriert wirkende gegnerische Defensive stark ins Wanken zu bringen.

Bayers Problem war neben der stark unsortiert wirkenden Defensive das Problem im Spielaufbau und im Weiterleiten des Balles in der Spitze, zumindest zu Anfang des Spiels. Viele Pausen im Aufbauspiel und Probleme unter Bedrängnis sorgten dafür, dass die Idee Dutts, ein dominantes Spiel mit Positionswechseln im zweiten und letzten Drittel, zum Scheitern verdammt schien. Die Viererkette, bestehend aus Schwaab rechts und Kadlec links, während Friedrich neben Töprak begann, hatte einige Male große Probleme, jemanden im Zentrum oder in der offensiven Sturmreihe für ein Anspiel zu finden. Schürrle und Sam hatten Probleme mit der Bindung ins Spiel, Ballacks Rolle als Zehner ist ihm nicht auf die Brust geschneidert, da er im modernen Fußball, insbesondere jenem von Dutt, physisch zu wenig agil ist, während auf der Doppelsechs mit Rolfes und Bender die Kreativität von hinten teilweise total fehlt. Sam und Schürrle versuchten einige Male durch Rochaden oder Einzelaktionen etwas zu bewegen, doch manchmal standen sie zu weit oder zu dicht beieinander, hatten im Zentrum oder auf ihrer Außenbahn kaum effektive Anspielstationen und zu Beginn des Spiels hatten sie ohnehin starke Probleme, überhaupt einen Ball aus der Abwehr zu erhalten.

Hertha abermals mit fluider Defensivarbeit

Eindrucksvoll an der Hertha ist ihre kollektive Fähigkeit, sich am Defensivspiel zu beteiligen, was das Spiel spätestens im ersten Drittel des Spielfelds für den Gegner extrem eng und kompakt macht, was sehr schwer zu bespielen ist. Danach versucht man mit möglichst schnellem Umschaltspiel die aufgerückte gegnerische Mannschaft auszuhebeln, doch ideal ist es, wenn man die gegnerische Mannschaft bereits beim Aufrücken erwischt und sie dann attackiert – Leverkusen bot sich willig an, da sie einen sicheren Spielaufbau von hinten versuchten, ihnen es aber teilweise an der Qualität in gewissen Bereichen dafür fehlt. Die Berliner attackierten im richtigen Moment und konnten einige Male in gefährlichen Positionen den Ball erobern und nach vorne spielen, mit einer 2:0-Führung wurden sie dafür belohnt. Auffällig war auch, dass die Viererkette der Berliner extrem eng beieinander steht, sich aber im Notfall auflöst und einen der Mittelfeldspieler, vorrangig Niemeyer, in diese Kette integriert, um numerisch wieder ausgeglichen zu sein. Dies hat dann zur Folge, dass die Außenspieler im Mittelfeld in der Defensive deutlich breiter stehen, als in der Offensive und die Sechser zwingend spielintelligent und defensivorientiert agieren müssen, was ihren Einfluss auf das Offensivspiel beschränkt, doch bei einer auf Konter ausgerichteten Mannschaft ist dies kein allzu großer Nachteil.

Das Pressing ist spielentscheidend

Im Laufe des Spiels zeigte sich, dass die Leverkusener mit den unterschiedlichen Arten von Pressing seitens der Hertha verschieden ausgeprägte Probleme hatten. Beim Mittelfeldpressing zu Beginn hatten sie nur wenig erfolgreiche Offensivaktionen, doch als die Berliner in Führung gingen und sich verstärkt zurückzogen, also Abwehrpressing praktizierten, öffneten sich für die Gäste Räume und sie konnten ausgleichen bzw. sogar in Führung gehen. Die Schlussoffensive Herthas war dann wieder von einer schematisch höheren Variante des Forechecking begleitet, was mit einer der Gründe für das Aufleben des Spiels in dieser Phase war. Es ist zu beobachten, dass die Herthaner nun ein weiteres Mal sichere Führungen abgaben und die Ursache könnte darin liegen, dass die gesamte Spielphilosophie und –ausrichtung durch die Führung so umgekrempelt wird, dass der Gegner stark profitiert, während die eigene Ordnung auseinander gebracht wird und die Schwächen einzelner Spieler stärker zu Tragen kommen.

Fazit

Sechs Tore, unterschiedliche Phasen im Spiel, ein wahres Gefühlskarussell für beide Fanlager – Zuschauerherz, was willst du mehr? Für die Trainer ist es allerdings kein solch berauschender Nachmittag gewesen, beide haben gesehen, dass ihre Teams nicht nur individuell, sondern ebenfalls taktisch gewisse Mängel haben, die abzustellen schwer sind.  Herthas tiefe Stellung, eher schwach praktiziert und mit individuellen Schwächen, verschaffte Leverkusen gute Chancen. Leverkusens Anfälligkeit bei Mittelfeldpressing hingegen verschaffte Hertha ein paar Hochkaräter – diese zwei Faktoren sorgten dafür, dass beide Teams wenig Distanzschüsse und viele Strafraumszenen hatten. Es wird interessant zu beobachten, was mit den beiden Mannschaften im weiteren Saisonverlauf geschieht, wenn auch Hertha mit den deutlich niedrigeren Ansprüchen wie Möglichkeiten dem eigenen Trainer keine starke Kritik vorzuhalten hat – ganz anders als CL-Teilnehmer Bayer Leverkusen und der hochgelobte und vielkritisierte Robin Dutt.

Biffkovic 29. November 2011 um 02:33

Habe ich wirklich keinmal den Namen Derdiyok gelesen? Wie bewertet der Experte denn die Einwechslung von Kießling und die einhergehende Systemumstellung im Sturm?

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schneebaer 28. November 2011 um 11:08

Finde die Analyse recht schwach, viele schwammige Kommentare („ihnen es aber teilweise an der Qualität in gewissen Bereichen dafür fehlt. „), Formationen und Effekte der Spielerwechsel gar nicht betrachtet. Ein kommentar zur leistung des Parteiischen hätte hier auch nicht geschadet^^ Btw: Toprak, nicht Töprak.

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ode 28. November 2011 um 02:54

Ich finde, diese ungenaue Analyse macht es sich ein wenig zu einfach. Ich hab das eher so gesehen, dass Leverkusen den Berlinern zwischen der 20. und 80. Minute nicht ansatzweise gestattete in irgendeiner Weise Zugriff auf das Spiel zu bekommen. Insofern war es schon folgerichtig, dass Bayer das Spiel gedreht hat. Allerdings schon sehr erstaunlich (vor allem, wenn man das Defensivverhalten von Bayer betrachtet), wie den Berlinern ein weiterer guter Spielzug gereicht hat, das Spiel noch augeglichen zu beenden.

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mik. 28. November 2011 um 02:19

Sicherlich das Spiel des Samstag Nachmittages.
Die Analyse lässt die zweite Halbzeit aber etwas aus, gerade, weil mir die Schlussfolgerungen dort etwas schwer fielen, hatte ich mir etwas mehr erhofft.

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Felix 28. November 2011 um 00:16

Mit welcher Formation trat Leverkusen an? Ihrem Hybridsytem aus 4-2-1-3 / 4-4-1-1?

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