Borussia M’Gladbach – SV Werder Bremen 5:0

Mit Werder Bremen empfingen die Gladbacher einen echten Prüfstein. Möchte man meinen, doch das Spiel sollte sich ganz anders entwickeln, als es die Vorzeichen suggerierten und die Borussen zeigten eine absolute Galavorstellung, welche sich auf einem taktisch herausragenden Fundament aufbaute. Mit Reus und Herrmann als entscheidende Spieler, welche die eigenen Verteidiger und deren Arbeit belohnte. Werder hingegen rutscht in der Tabelle weiter nach hinten und es fällt auf, dass sie in den Spielen gegen stärkere Mannschaften kaum Punkte erringen können – wie eben gegen die Gladbacher Borussia.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Beginn

Die Borussen traten abermals mit ihrem kompakten 4-4-2/4-2-3-1-Mischsystem an, wobei sich Hanke und Reus nun deutlich stärker auf einer Linie wiederfanden und extrem direkt von Herrmann unterstützt wurden. Herrmann trat als Pendant von Arango auf den Flügeln an und zeigte eine ungeheuer starke Leistung, immer wieder zog er in die Mitte und löste sich von seinem Gegenspieler, unter anderem bei seinem Kopfballtreffer zum 1:0, wo er in Mittelstürmermanier eine Flanke vor Tim Wiese erwischte und eiskalt einnickte. Mit Arango auf der anderen Seite stand man etwas tiefer, doch auch jener zeigte offensiv eine starke Leistung und beteiligte sich dynamisch am Kombinationsspiel nach vorne. Im defensiven Zentrum traten Nordtveit und Neustädter an, welche beide mit ihrer Defensivstärke und Laufleistung die Mitte verdichten, doch dieses Mal sorgten sie nicht nur für Kompaktheit in der Defensive, teilweise drückten sie die Bremer Mittelfeldreihe nach hinten und machten das Spiel bereits ab dem Mittelfeld dicht, nicht erst ab der eigenen Hälfte, wie es großteils unter Trainer Favre der Fall ist. Daems und Jantschke hielten sich wie zumeist offensiv zurück, nur vereinzelt rückten sie auf und gaben in den vorderen Spielfeldteilen die wichtige Breite oder eine neue Anspielstation. Es ist ein Merkmal dieser Gladbacher Mannschaft, dass sie im Normalfall auf den modernen Schlüsselpositionen, nämlich Außenverteidigung und defensives Zentrum, sehr defensivorientiert spielt, aber je nach Gegner und Spielsituation flexibel leichte Anpassungen vornimmt und dadurch das Spiel auch ohne Ball diktieren kann. Die Innenverteidigung dahinter sorgt natürlich nur für mehr Sicherheit und Absicherung, Stranzl, der später verletzungsbedingt für Brouwers ausgewechselt wurde, und Dante spielen sehr gute Partien und machen konstant wenige bis keine Fehler in den klassischen Bereichen des Abwehrspielers.

Die Gäste aus dem Norden begannen mit einer stark asymmetrischen Raute, in welcher Hunt sich immer extrem stark Richtung Sturmmitte positionierte und Arnautovic eine Freirolle genoss – links auf dem Flügel war es somit Ignjovski, der sehr weit nach vorne aufrücken musste und sich extrem ins Angriffsspiel einschaltete. Die Dreierkette der Bremer, die folglich übrig blieb, verschob etwas in Richtung dieses Loches, doch tat sich schwer, die Defensive kompakt zu halten. Bargfrede als alleiniger Sechser versuchte mit viel Laufarbeit und Kampfkraft dieses Loch zu schließen, doch es gelang ihm oftmals nicht, da Fritz nach seinen Vorstößen einige Zeit brauchte, um wieder die Position auf rechts zu übernehmen und hatte wenig Zeit, um eine effektive Doppelung aufzubauen. Ekici davor sollte als klassische Zehn fungieren, doch er zeigte keine gute Leistung und musste später Schmitz weichen, der dann mit Hunt Positionen tauschte, um defensiv mehr Sicherheit zu geben. Überraschend war ebenfalls, wie sehr sich Pizarro bewegte und nach Brouwers Einwechslung fast von jenem zu flüchten schien, sich oft fallen ließ, aber dennoch keinen großen Einfluss auf das Spiel ausüben konnte. Alles in allem blieben die Bremer, trotz Arnautovic und Co., deutlich unter ihren Möglichkeiten und beendeten das Spiel mit sehr schwachen zwei Torschüssen – acht Mal schloss man ab, ohne dass der Ball auf das Tor von Jungstar ter Stegen ging.

Bremens Löcher oder: Ignjovski vs. Herrmann

Links war das Loch in der Bremer Defensivreihe am größten, denn Herrmann konnte in Kombination mit dem oft halbrechts agierenden Reus das Loch auf der linken Seite hervorragend für sich nutzen, unter anderem bei Reus herausragendem Treffer, als die Gladbacher nach Ballgewinn in der eigenen Hälfte extrem schnell umschalteten und Reus sich mit einem Solo dreier Gegenspieler entledigen und alleine vor Tim Wiese vollenden konnte.

Generell spielte Herrmann eine starke Partie, tauchte auch oft etwas mittiger auf und rückte sehr stark ins letzte Drittel auf, ohne groß seine Defensivaufgaben zu vernachlässigen. Ignjovski hingegen stand als Paradebeispiel für die Bremer Philosophie: zuerst geht die Offensive vor. Man ließ sich viel zu leicht auskontern und obwohl die Gladbacher nicht mehr Ballbesitz oder individuelle Klasse besitzen, waren es diese dynamischen Gegenangriffe, welche simpel und effektiv die Bremer zur Verzweiflung und einer katastrophalen Niederlage brachten.

Gladbachs schnelle Konter – nicht nur taktisch, auch mental auf hohem Niveau

Unabhängig davon, in welchem Spiel und gegen welchen Gegner, es scheint, als könne niemand die Gladbacher Angriffsmaschinerie im Vorwärtsgang für die gesamten neunzig Minuten einhalten. Jeglicher unwichtig erscheinender Ballverlust in der Hälfte der Gladbacher scheint ein Problem für den Gegner zu werden, denn sobald der Ball einem der Gladbacher Spieler in die Füße gerät, so dreht sich das Zahnrad dieser Uhr und zählt die Zeit herunter, bis die Zeitbombe explodiert – im Normalfall sind es nur wenige Sekunden, bis man in Strafraumnähe auftaucht und in persona Patrick Herrmann, Marco Reus, Raul Bobadilla, Juan Arango, Mike Hanke oder Igor de Camargo eine gefährliche Aktion zu sehen bekommt.

Gefährlich nicht nur im Sinne von Torabschluss, sondern viel mehr in Bezug auf intelligentes Kombinationsspiel und Freilaufen, kaum eine Mannschaft in der Bundesliga besitzt dermaßen viele Spieler, deren größte Stärken im Bereich der Spielintelligenz und dem dynamischen Umschalten liegen, kein Wunder also, dass die Gladbacher selten mit zwei Ballberührungen spielen und One-Touch-Fußball vom feinsten zeigen. Diese Handlungsschnelligkeit bei Spielern, die weder bekannt noch zur Creme de la Creme zählen, lässt nicht nur auf eine herausragende Leistung Favres schließen, der Charakter und die Lernbereitschaft dieser Mannschaft reicht ihr zur Ehre und die Ergebnisse sind nur ein Lohn harter Arbeit.

Fazit

Eine herausragende Leistung des Shootingstars Marco Reus, der aber mehr ist als nur eine Eintagsfliege, sorgte für einen überraschend hohen Sieg der Gladbacher gegen schwache Bremer. Die gesamte Mannschaft des Gastgebers ließ keinen Zweifel an ihrer Motivation und Leistungsbereitschaft aufkommen, während die Bremer sich zu einfach ausspielen ließen. Langsam geht es für die Jungs von der Weser bergab, während Gladbach wieder an seinen Höhenflug anknüpfen kann und weiterhin zur Spitzengruppe der Bundesliga gehört.

maz hess 29. November 2011 um 23:17

In Hertha musste Favre die halbe Mannschaft auswechseln, weil sie sein System nicht verstanden. In Mönchengladbach verstanden alle Spieler bis auf Levels sein System, wobei Herrmann mehr Mühe bekundete als diese Artikel vermuten lässt. Der Dank über die Auswahl steht zweifelslos Eberl zu. Favre durfte sich in ein – in seinen eigenen Augen – gemachtes Bett setzen. Favre hat in der Regel gar kein Vertrauen in das fussballerische Verständnis seiner Sportchefs. Die vorgefundene Auswahl der Spieler als auch die Existenz des Vorstandsmitgliedes Meyer erleichtern die Vertrauensfindung zwischen Trainer und Sportchef zweifelslos erheblich.

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Fohlen/Favre-fan 26. November 2011 um 14:11

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Mich interessiert wie ein Trainer arbeitet, was für Systeme werden
gespielt etc. und da bin ich sehr froh eine derart gute Hilfe durch
https://spielverlagerung.de – zur „Hand“ zu haben. Selten gute
Spielanalysen ! Danke!

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Duelp 21. November 2011 um 13:16

Ein wichtiger Punkt kommt imho in der Analyse zu kurz: Schaaf hat insbesondere seine Stürmer extrem tief in der gegnerischen Hälfte Druck auf den Spieler im Ballbesitz ausüben lassen, selbst wenn das ter Stegen war. So gab es vor allem in der ersten Halbzeit zahlreiche Situationen, in denen Pizarro und Arnautovic gleichzeitig den Keeper versuchten zu attackieren. Aufgrund der Ballsicherheit ter Stegens und der Abwehrspielern wie Dante oder Jantschke resultierte daraus aber kein einziger Ballgewinn für Bremen, nicht einmal mittelbar z.B. durch einen Befreiungsschlag ins Aus. Stattdessen war der Ball ruckzuck an drei bis fünf Werderaner vorbei und Gladbach hatte jede Menge Raum zum Kontern. Die Höhe der Niederlage geht für mich deshalb ganz klar auf Schaafs Kappe. Er sollte bekannt sein, dass eine solche Taktik Gladbach sehr entgegenkommt und sie bisher nur gegen sehr defensive und kompakte Gegner Probleme hatten.

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tom24 21. November 2011 um 17:25

Als entscheidende Gründe sehe ich neben dem schwachen auftreten fast aller Bremer Spieler auch das taktisch falsche konzept von thomas schaaf.

Gut in dem Artikle oben auch das Erwähnen der Gladbacher Spieler: „in persona Patrick Herrmann, Raul Bobadilla, Juan Arango, Mike Hanke oder Igor de Camargo“ und eben nicht nur Marco Reus, der ohne frage überragende Fähigkeiten hat, aber auch Mitspieler und ein System braucht, in welchem er seine spielerischen fähigkeiten zeigen kann.

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meyerhans 22. November 2011 um 20:43

Es ist in der Tat so gewesen, dass ter Stegen als erster Ballverteiler ausgemacht worden war und dementsprechend früh attackiert wurde – hieraus ergab sich jedoch ein zentrales Problem: Die Mittelfeldspieler rückten nicht nach und gaben somit den beiden Gladbacher 6ern viel Platz um die Angriffe einzuleiten.

Umgekehrt machte es Gladbach jedoch sehr gut und stellte Fritz als alleinigen 6er durch Hanke oder Resu sehr gut zu. So musste Wolf, der fußballerisch nicht zur creme de la creme gehört, oft das Spiel eröffnen.

WIe bereits viele Mannschaften zuvor ließen sich die Bremer immer wieder locken und machten in ihrem Defensivverbund Löcher. Besonders gegen ein Team mit solch extrem schnellen Spielern tödlich.

Mal sehen wie es Köln am Freitag macht. Bekanntlich verfolgt Solbakken gerade im Defensivverhalten eine andere Taktik und stellt vorwiegend die Passwege zu.

Die Fehler im Bremer Defensivverhalten sind bereits aufgezeigt worden.

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bmg 20. November 2011 um 21:25

2 Fehler:
bei „Spielern, die weder bekannt noch zur Creme de la Creme zeigen“ : muss „zählen,“ eingefügt werden

„lässt nicht nur auf eine herausragende Leistung Favres zeigen,“ muss „schließen“ heißen, nicht zeigen.

Ansonsten ein toller Artikel, Danke

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Denis Diderot 20. November 2011 um 21:23

Danke für den eingehenden Bericht. Die breite Masse der Medien stellt immerzu allein auf Reus ab. Bei allen seinen Fähigkeiten, Spiele alleine zu entscheiden, bin ich fest davon überzeugt, dass Borussia (und er) es viel schwieriger hätte ohne Juan Arango. Der Junge ist ein Super-Kicker, jeder Pass hat Hand und Fuß und er leitet so viel ein. Unter Favre hat er sich noch einmal stark gesteigert. Bin gespannt, was von Gladbach noch kommt. Ich sehe im Moment noch nicht, wo sie in der Hinrunde noch Punkte abgeben sollten…

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