Preview der EM-Playoffs

Die letzten Tickets für die Euro im kommenden Sommer sind zu vergeben. Eine kleine Vorschau auf die vier Play-Offs und mögliche Schlüsselspieler.

Bosnien – Portugal

Die wohl interessanteste Partie steigt zwischen Bosnien und Portugal. Während die Portugiesen weiterhin mit einigen Problemen kämpfen, haben die Gastgeber um den blendend aufgelegten Weltklassemann Edin Dzeko noch eine Rechnung offen – bereits bei den entscheidenden Spielen zur letzten WM gab es dieses Duell, welches die Iberer glücklich für sich entschieden.

Extrem hohe Aggressivität, Motivation und Konzentration waren die Markenzeichen des bosnischen Spiels beim Remis gegen Frankreich, als sie in der Qualifikationsphase das direkte Ticket knapp verpassten. Es ist durchaus möglich, dass ein ähnlich frühes Pressing wie in jenem Spiel auch die Portugiesen überrumpeln wird, deren Mannschaft noch an einigen Stellen wie eine unsichere Baustelle wirkt.

Im Mittelfeld agieren meistens drei Spieler relativ ähnlich und es könnte genau die dadurch bedingte fehlende Verbindung zur Sturmreihe sein, die Portugal zu einem willkommenen Pressing-Opfer für Bosnien macht. Deren Formation ist auf dem Papier relativ offensiv angelegt und garantiert daher genügend Power für das aggressive Attackieren.

Besondere Bedeutung würde so der letzten Bastion im Mittelfeld zufallen – dem mittlerweile 35-jährigen Elvir Rahimic. Nicht nur offensiv müsste er die kreativen Köpfe vor ihm absichern, sondern auch in der Defensive dafür sorgen, den Raum hinter den aufrückenden Kollegen zu sichern, lose Bälle aufzusammeln und somit die gegnerischen Stürmer endgültig vom Rest der Mannschaft zu isolieren. Dies wäre bereits ein erster Schritt, Ronaldo aus dem Spiel zu nehmen, wenn sein direkter Gegenspieler auch einiges an Verantwortung tragen würde – der wahrscheinlichste Kandidat, derFreiburger Mudjza, der zuletzt gegen Frankreich überzeugen konnte, fällt hier verletztungsbedingt aus.

Offensiv würde man mit der Klasse der eigenen Spieler (Dzeko, Misimovic, Pjanic, Medunjanin, Lulic) die Portugiesen sicher in Schwierigkeiten bringen können, selbst wenn jenen die Wiedergenesung Pepes enorm hilft, doch defensiv wäre es eine sehr mutige, wenn auch löbliche Ausrichtung von Trainer Susic.

Türkei – Kroatien

Es ist die Neuauflage des Viertelfinals der EM 2008, dessen erster Akt am Freitag in Istanbul stattfindet. Seitdem hatten beide Mannschaften Probleme und verpassten unter anderem die Teilnahme an der Weltmeisterschaft.

Die Kroaten leiden besonders unter der Isolation ihrer Stürmer und einem häufig zu statisch wirkenden Spiel. Mit Luka Modric spielt das Aushängeschild der Mannschaft wie im Vereinsdress mittlerweile im zentralen Mittelfeld, doch für den Weltklassemann wurde noch kein passender Ersatz im offensiven Mittelfeld gefunden. Zwar dominiert der kleine Kreativkopf den Ryhthmus, spielt herausragende Pässe und Verlagerungen und stellt immer wieder seine herausragende Technik und Spielintelligenz unter Beweis, doch es fehlt die Beweglichkeit und Interaktion im letzten Drittel. Hier ruhen die Hoffnungen nun auf dem Wolfsburger Mandzukic, einer der wenigen Lichtblicke der Magath-Mannschaft, und seiner Athletik. Zwar ist er keinesfalls der Inbegriff der Beweglichkeit, doch dafür bringt er sie mit seinen unaufhörlichen Rochaden in die Mannschaft, glänzt mit einem immensen Aktionsradius und weicht von der Position der hängenden Spitze auch gerne auf außen aus – er könnte ein Mann für das Entscheidende sein.

Nichtsdestotrotz wird es auch vor allem auch auf die Außenverteidiger der Kroaten ankommen, die zur entscheidenden Waffe mutieren könnten. Unter Hiddink spielt die Türkei meistens ein 4-3-3 mit sehr engen Flügelspielern, wobei vor allem Arda seine Position sehr frei interpretiert und überall auf dem Feld auftaucht. In vielen Szenen ist er bei einem Ballverlust allerdings weit von seiner schematischen Position entfernt, so dass der gegnerische Außenverteidiger viel Raum hat, um sich in den Angriff einzuschalten. Mit Darijo Srna haben die Kroaten hier einen exzellenten Spieler, der häufig nicht wie ein Verteidiger wirkt. Zudem steht mit Vedran Corluka eine sehr gute und vielfach unterbewertete Alternative bereit und mit Danijel Pranjic auf der anderen Flanke ebenfalls ein sehr offensiver, spritziger und intelligenter Akteur mit dem Fuß auf dem Gaspedal.

Der Ankerpunkt des türkischen Offensivspiels liegt im Gegensatz dazu eher im Zentrum. Aufbauend auf der souveränen und verlässlichen Ballverteilung von Sechser Mehmet Aurelio respektive Mehmet Topal sind nicht nur die Flügelspieler wie erwähnt sehr zentral ausgerichtet, sondern die beiden anderen Mittelfeldspieler sehr offensiv. Vor allem Sabri, ein ebenfalls lobend zu erwähnender, da sehr solider und polyvalenter Spieler, sorgt mit seinen dynamisch-aggressiven Vorstößen immer wieder für Gefahr, Unruhe und Überzahl. Gegen eine derartige Wucht wird selbst der spielintelligente Modric aufpassen müssen, dass er die Zentrale nicht aus der Hand gibt und Löcher hinterlässt – besonders da er nach dem Karriereende des ehemaligen Bayern-Spielers Niko Kovac keinen primär über die Physis kommenden Spieler mehr als Partner hat, wie es bei Tottenham mit Scott Parker der Fall ist. Zuletzt spielte dort mit Ognjen Vukojevic ebenfalls ein Passspieler.

Für die Türken wird dieses kraftvolle Spiel durch das Zentrum ein sinnvoll zu beschreitender Weg sein, der durch den bulligen und häufig im entscheidenden Moment treffenden Mittelstürmer Burak auch in vorderster Front weitergeführt wird. Angesichts der offensiven Einstellung der kroatischen Verteidiger wird man aber auch auf die Außenbahnen schauen, wo sich speziell die Bank als nützlich erweisen könnte – mit Ekici, Kazim Kazim und Gökhan Töre hat man hier flexible Alternativen. Auch Nuri Sahin steht wieder zur Verfügung und sorgt für ein Luxusproblem im Zentrum.

Tschechien – Montenegro

Nach guten Ergebnissen zu Beginn der EM-Qualifikation ließen die Tschechen im weiteren Verlauf nach und wurden immer schwächer, was in einer Vorführung gegen Spanien endete. Wie so viele Mannschaften spielen auch sie das verbreitete 4-2-3-1, doch es mangelt ihnen vor allem an Kreativität im Spiel nach vorne und in der Spitze an einem verlässlichen Verwerter des Erarbeiteten. Milan Baros ist schon lange nicht mehr der Spieler von einst und traf nur einmal in sechs Spielen.

Selbst wenn er seit jeher eher ein moderner Stürmer war, der auswich und Räume schuf, so ist es doch doppelt problematisch, wenn der Stürmer nicht trifft und es zusätzlich niemanden gibt, der seine Arbeit nutzen kann. Die Manschaft besteht aus vielen Arbeitern, hat aber keine Verwerter. Einzig vom inkonstanten und verletzungsanfälligen Tomas Rosicky gehen die entscheidenden Ideen aus.

Umso wichtiger sind wie bei den Kroaten die beiden Außenverteidiger – die beiden Bundesliga-Legionäre Pospech und Kadlec, welche sich für eine offensive Auslegung ihrer Rolle gut eignen. Gegen einen defensiv kompakten und sicheren Gegner wie Montenegro, der eng steht und nur wenige Gegentore zulässt, ist vor allem angesichts der eigenen Probleme ein funktionierendes Flügelspiel wichtig – dass Kadlec mit vier Toren mit Abstand bester tschechischer Torschütze der Quali-Runde ist, unterstreicht dies in doppelter Hinsicht.

Das montenegrinische Prunkstück auf individueller Ebene sind ihre beiden Top-Stürmer Mirko Vucinic und Stevan Jovetic. Ersterer ist ein Hybrid aus zentralem und äußerem Stürmer und  mit seinen Vorstößen aus der Tiefe und Abschlüssen aus der Distanz für viele Abwehrreihen schwer zu fassen. Kombiniert mit den guten und weiträumigen Bewegungen Jovetic´ ergibt sich ein gefährliches Paar, dem die Tschechen vor allem aufgrund ihrer offensiven Außenverteidiger entgegen treten müssen. Die organisatorischen und absichernden Qualitäten von Tomas Hübschman werden mehr gefragt sein denn je.

Estland – Irland

Nach diesem Los herrschte in Irland große Zuversicht. Setzt man sich durch, hat man die Qualifikation geschafft, tut man dies nicht, hat man es nicht besser verdient – so der Tenor in und um Dublin. Die Mannschaft von Trainer Trappatoni spielt relativ klassischen Konterfußball mit schnellen und direkten Angriffen und einigen langen Bällen. Neben dem interessanten Sturmduo sind besonders die beiden Flügelspieler essentiell für das irische Spiel.

Wie bei einem 4-4-2 üblich laufen viele Angriffe über Aiden McGeady und Damien Duff, die  sowohl das direkte als auch das mehr auf Dribblings fokussierte Spiel bieten, sowohl einen klassischen wie einen inversen Außenspieler geben können. Im Spiel gegen Estland treffen die beiden direkt auf den wohl besten Spieler der Esten – Außenverteidiger Ragnar Klavan.

Der Mann von AZ Alkmaar ist ein sehr moderner und spielstarker Typ, der seine Rolle offensiv interpretiert und gerne – nicht selten mit Dribblings – weit mit nach vorne aufrückt. Somit könnte er die Gegner nach hinten drücken, aber auch Lücken entstehen lassen. Welcher Spieler in diesem Duell effektiver ist oder welcher Trainer hier welche Art der Anpassung vornehmen wird, könnte ein spielentscheidender Schlüssel werden.

Gespannt darf man auch sein, wie sich das Spiel verhält, wenn zwei eher reaktive Teams aufeinandertreffen. Auf der einen Seite kann so ein hin- und her wiegendes Spektakel entstehen, auf der anderen Seite uninspirierter und vorsichtiger Abtast-Fußball. Zwar sind die Iren als Favorit mehr gefragt, doch ihr größter Vorteil dürfte ihr Pressing sein, was sie durchaus gut beherrschen, wie im Spiel gegen die Armenen zu sehen.

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