Doppelsieg für die DFB Frauen, aber noch Arbeit für Silvia Neid

Zwei Länderspiele brachte die deutsche Frauen-Nationalmannschaft in der letzten Woche hinter sich. Sie gewann in der EM-Qualifikation am Samstag mit 3:0 in Rumänien und spielte am Mittwochabend am Millerntor 1:0 gegen Schweden. Spielverlagerung.de gibt eine kurze Zusammenfassung beider Spiele mit einem Leistungscheck der Mannschaftsteile.

Rumänien – Deutschland 0:3

Im Vergleich zum Spiel gegen die Schweiz rückte Babett Peter für die angeschlagene Saskia Bartusiak (Achillessehne) in die Innenverteidigung und Verena Faißt startete als linke Außenverteidigerin. Dazu stand Inka Grings für Alexandra Popp im Sturm.

Deutschland versuchte vom Start weg der Favoritenrolle gerecht zu werden und bestimmte das Spiel. Im Aufbau lief alles über die Außen, vor allem die linke Seite mit Faißt, Behringer und Bajramaj. In der 21. Minute traf Lena Goeßling nach Vorarbeit von Simone Laudehr, die im Spiel zweimal den Pfosten traf, zum 1:0 per Kopf.

Rumänien beschränkte sich auf die Verteidigung und gelegentliche Konter, bei denen war die gute Ballbehandlung einiger Spielerinnen zu erkennen. Zur Pause kam Anja Mittag für Linda Bresonik. Bajramaj erhöhte auf 2:0 nach toller Vorlage von der freistehenden Inka Grings (56.). Das Spiel konzentrierte sich jetzt nicht mehr nur auf die linke Seite und Melanie Behringer konnte einen Foulelfmeter zum Endstand verwandeln (59.).

Deutschland – Schweden 1:0

Gegen den Dritten der WM änderte die Bundestrainerin das Team nur in zwei Punkten. Saskia Bartusiak kehrte in die Innenverteidigung zurück und Melanie Behringer tauschte zu Beginn der Partie mit Linda Bresonik die Seite.

Die Schwedinnen versuchten mit schnellen, flachen Pässen über Außen oder langen Pässe auf die Stürmerinnen das Spiel aufzubauen, Deutschland spielte Pressing und Kombinationen. Vor allem Lira Bajramaj war wieder mal auf der ganzen Breite des Feldes aktiv. Im Passspiel der Deutschen fehlte aber oft die Präzision.

Nadine Angerer musste in der 15. Minute einen gefährlichen Schuss von Göransson parieren, die an der Außenlinie Schmidt stehen gelassen hatte und durch einen Doppelpass in den Strafraum vorgestoßen war. In der 23. Minute wiederholte sich der Spaß, als Angerer aus kurzer Distanz gegen Schelin klären musst. Diese Aktionen, vorgetragen mit hoher Geschwindigkeit und Genauigkeit, machten Schweden zur gefährlicheren Mannschaft im ersten Durchgang.

Diesmal brachte Silvia Neid Alexandra Popp zur Pause für Inka Grings. Nach einer Stunde köpfte die Duisburgerin den Treffer des Tages, nachdem Simone Laudehr wieder mal den Pfosten getroffen hatte. Eine Minute später hätte Popp fast ein Tor nachgelegt, aber der Kopfball verfehlte knapp das Ziel.

Auch im zweiten Durchgang hatten die Schwedinnen ihre Chance als Schelin, nach Umrundung von Angerer, nur die Unterkante der Latte traf. Anja Mittag scheiterte kurz vor Schluss bei einem Konter durch Popp zunächst an Lindahl und ihr Nachschuss streifte das Lattenkreuz.

Die Mannschaftsteile in der Kritik

Torwart

Über die Torfrau braucht sich die Bundestrainerin kein Gedanken machen. Nadine Angerer hatte gegen Rumänien wenig Arbeit und vereitelte zweimal einen möglichen Rückstand gegen Schweden. Selbst als sie in der zweiten Halbzeit von Lotta Schelin umkurvt wurde, hatte sie die Gegnerin schon so weit abgedrängt, dass die Schwedin den Ball nicht mehr präzise aufs Tor bringen konnte.

Innenverteidigung

Defensiv gegen Rumänien kaum gefordert, enttäuschten Annike Krahn und Babett Peter im Spielaufbau gegen die Rumäninnen. Das Risiko scheuend, wurden lange Pässe in die Offensive selten gespielt und kamen noch seltener ans Ziel. Dazu kam fast jeder Ball ins defensive Mittelfeld gleich zurück, so dass fast nur noch Sicherheitspässe gespielt wurden, bis eine Außenverteidigerin auf der Seite das Spiel aufbaute. In der zweiten Halbzeit besserte sich das etwas.

Gegen Schweden zeigte sich die Abwehr im Aufbauspiel verbessert. Das lag mit Sicherheit daran, dass die Gegnerinnen selbst mehr fürs Angriffsspiel taten und nicht so lange Phasen mit Querpässen in der Abwehr  entstanden. Es gab mehr Balleroberungen und das Spiel ging hin und her. Dadurch konnten Annike Krahn auch mehr Pässe nach vorne spielen und Saskia Bartusiak fügte sich mit gutem Stellungsspiel und souveränem Auftreten ein.

Außenverteidigung

Verena Faißt war im Qualifikationsspiel Motor fast aller Angriffsbemühungen in den ersten 45. Minuten. Dabei leitete sie die Spielzüge mit Pässen auf Bajramaj und Behringer in der Regel ein und konnte auch selbst an der Linie nach vorne gehen. Ihre Dominanz war so stark, bzw. sie war aus der Abwehrkette die mutigste Spielerin, dass über den anderen Flügel wenig lief. Teilweise sah die Abwehr wie eine 3er-Kette, mit Schmidt, Krahn und Peter, aus. Wenn Bianca Schmidt aber mal das Spiel über rechts einleitete, dann wurde es auch gefährlich.

Nach der Pause mussten sich die Außenverteidigerinnen nicht mehr um die Einleitung in der eigenen Hälfte kümmern und konnten weiter vor rücken und den Ball öfter in den Lauf gespielt bekommen. Einer dieser Vorstöße von Schmidt führte zum Elfmeter.

Bianca Schmidt machte gegen Schweden Druck auf der rechten Seite. Sie bekam es aber auch mit der offensiveren Seite der Schweden zu tun und musste sich Göransson bei den Großchancen der ersten Halbzeit geschlagen geben. Die rechte Abwehrseite sah in diesen Szenen nicht gut aus. Auch Faißt war gegen Schweden mehr in der Defensive gefordert, was ihren Vorwärtsdrang ein wenig bremste. Das direkte und schnelle Angriffsspiel der Schweden war eine neue Herausforderung nach dem Spiel gegen Rumänien, es war also nicht zu erwarten den WM-Dritten permanent vom Tor fern halten zu können.

Defensives Mittelfeld

Im defensiven Mittelfeld kränkelt das deutsche Team. Seit der WM sind Goeßling und Laudehr in der Startelf gesetzt. Beide Spielerinnen sind laufstark, spielen aufopferungsvoll, zweikampfstark und gegen Rumänien waren beide an der Führung beteiligt.

Simone Laudehr traf in beiden Spielen zusammen dreimal den Pfosten und stieß immer wieder nach vorne, während Lena Goeßling die etwas defensivere Rolle übernahm. Leider kamen gegen Rumänien kaum Impulse aus dem Zentrum, weil beide Spielerinnen keine Strateginnen sind. Im Aufbau ließen sie den Ball oft nur zurück in die Abwehr prallen oder suchten den kurzen Pass auf die Außenverteidigung. Viola Odebrecht wurde in der Schlussphase gegen Rumänien eingewechselt. In etwa 15 Minuten agierte sie aus einer tiefen Position und nahm in ihrem ersten Länderspiel seit 2005 diese strategische Rolle ein.

Die strategische Schwäche des deutschen Teams im defensiven Mittelfeld muss behoben werden. Eine Kombination aus zwei laufstarken Spielerinnen ist nicht optimal und muss verändert werden (oder die Spielerinnen lernen diese Aufgabe zu übernehmen).

Vielleicht sollte die Bundestrainerin sogar eine Systemwechsel ins Auge fassen und ein 4-3-3 aufbieten. Eine Kombination aus einer zurückgezogenen Strategin, einer laufstarken Box-to-Box-Mittelfeldspielerin und einer offensiven Passgeberin in einer halb Position könnte das kreative Vakuum im Mittelfeld füllen.

Offensives Mittelfeld

Wie schon nach dem Spiel gegen die Schweiz bemerkt, finden kaum fließende Positionswechsel in der offensiven 3er-Reihe statt. Lira Bajramaj zeigte sich gewohnt aktiv und beweglich, agierte diesmal weniger als zweite Stürmerin und mehr auf Außen. Meiner Kritik, sie sei keine Spielmacherin, konnte sie u.a. mit einem tollen Pass auf Laudehr vor dem 1:0 gegen Rumänien entgegentreten. Leider verpufften ihre Bemühungen etwas, da das Kombinationsspiel im Angriff oft durch Fehlpässe und fehlende Abstimmung unterbrochen wurde.

Beide Flügelspielerinnen lieferten mittelmäßige Leistungen ab. Linda Bresonik war gegen Rumänien unsichtbar, auch weil fast jeder Angriff über links aufgebaut wurde und sie rechts verhungerte, zur Pause musste sie gehen. Gegen Schweden zeigte sie sich verbessert, sie hat die Fähigkeiten mit den anderen Angreiferinnen ein gutes Passspiel aufzuziehen. Wenn sie ihren Stammplatz aber behalten möchte, dann muss sie das Spiel mehr an sich ziehen.

Melanie Behringer nahm sich gegen Schweden ihre Pausen, leitete aber in beidem Spielen Torchancen ein und war auf den Flügeln an vielen Angriffen beteiligt. Ihre gelegentlichen Positionswechsel mit Lira Bajramaj ermöglichten ihr auch mal in der Mitte zu spielen. Es stellt sich die Frage, ob sie auf dem Flügel optimal eingesetzt wird, ihre diagonalen Bälle hinter die Abwehr und die Fähigkeit den Ball zu verteilen könnten sie in einer zentralen Rolle wertvoller werden lassen.

Anja Mittag wurde in beiden Spielen für Linda Bresonik eingewechselt, hatte die große Doppelchance gegen Schweden und fügte sich gut ins Team ein. Gleiches gilt für Svenja Huth, die viel Einsatz und Spielfreude zeigte und auch mal einen Platz in der Startelf verdient hätte, von der aber mit 20 Jahren noch nicht zu viel verlangt werden sollte.

Sturm

In beiden Spielen lief Inka Grings als alleinige Spitze auf, dabei hatte sie keinen leichten Job. In Bukarest lief das Spiel fast ausschließlich über die Flügel, Grings wurde ab und an bedient, suchte aber wie Bajramaj auch oft den Weg nach außen, um Bindung zum Spiel zu bekommen. Auch wenn Grings selber kein Tor schoss, so erarbeitete sie sich Möglichkeiten und bereitete das Tor von Bajramaj vor.

Konkurrenz bekommt Grings aber von Alexandra Popp, die nach den Einwechslungen (für Bajramaj gegen Rumänien (82.), für Grings gegen Schweden (46.)) immer aufdrehte. Eine Option für die Zukunft könnte der Einsatz beider Spielerinnen, im oben schon angesprochenen 4-3-3, sein. Lira Bajramaj kennt die Rolle als Stürmerin aus Potsdam, sie, Grings und Popp könnten in einem solchen System mehr Positionswechsel in vorderster Linie vornehmen als es ihnen jetzt möglich ist. Dazu könnte auch den Ersatzspielerinnen, Mittag und Huth, dieses System liegen.

Fazit

Drei Spiele nach der WM und drei Siege sind ein guter Start der deutschen Elf in die Umbruchphase. Dass die Spielerinnen sich noch finden müssen, konnten sie dabei aber nicht verheimlichen. Fehlpässe und fehlende Abstimmung bei Offensivaktionen sind noch zu häufig zu beobachten.

Silvia Neid legte im Interview nach dem Spiel gegen Schweden gleich den Finger in die Wunde, als sie die notwendige Arbeit am Pass- und Aufbauspiel ansprach. Sie hat einen guten Stamm zusammen, das strategische Loch im defensiven Mittelfeld und die Wackler in der Abwehr müssen dringend behoben werden.

Im November stehen die nächsten EM-Qualifikationsspiele gegen Kasachstan (4. der Gruppe mit 4 Punkten aus 4 Spielen) und Spanien (3 Siege aus 3 Spielen) an. Zumindest im ersten Spiel sollte die Bundestrainerin eine Alternative für das Mittelfeld präsentieren.

ob 30. Oktober 2011 um 16:35

Die Botschaft hoer‘ ich wohl…

Bisher fallen die Bemuehungen zur Verbesserung der Spielkultur doch ziemlich mager aus. Bajramaj und zeitweise Behringer sollen die Rolle von Prinz uebernehmen, viel mehr scheint Neid nicht im Koecher zu haben.

Wann will sie denn endlich die offensichtliche Spielschwaeche in der Zentrale angehen ? Darueber zu lamentieren hilft nicht.

Antworten

HW 30. Oktober 2011 um 18:52

An wen geht der Vorwurf bezüglich des Lamentierens?

Angesichts der Verletzungen von ein paar Spielerinnen, auf die man in der Zukunft wohl setzen kann, wird es in diesem Jahr noch keinen „großen Umbruch“ geben. Solange man die Quali-Spiele erfolgreich hinter sich bringt ist das auch vertretbar. 2012 sollten dann auch Verbesserungen im spielerischen Bereich (Passspiel, Spielkontrolle, Abwehrarbeit und 100%-Torchancen) gezeigt werden.

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu HW Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*