Borussia Dortmund – Dynamo Dresden 2:0

Dynamo Dresden schaffte keine weitere Sensation im DFB Pokal und musste sich Borussia Dortmund mit 2:0 geschlagen geben. Trotz ungewöhnlicher Taktik der Gäste waren Tore und damit der Sieg kaum in Reichweite.

Die Borussia wurde in den letzten beiden Spielen mit sehr unterschiedlichen Gegnern konfrontiert. Piräus unterband den Spielaufbau der Dortmunder und ließ lange Pässe von Hummels und Subotic einfach an der eigenen Abwehr abprallen. Köln machte das Gegenteil, schob die eigene Abwehr nach vorne, ohne dabei Druck auf den Dortmunder Spielaufbau auszuüben und wurde dafür bestraft. Mit Dynamo Dresden wurde dem BVB innerhalb einer Woche das dritte taktische Konzept vor die Füße geworfen, eine Fünf-Mann-Verteidigung sollte Dortmunds Stürmer stoppen.

Startformationen

Formationen

Jürgen Klopp änderte die Startformation im Vergleich zum Spiel gegen Köln nur auf einer Position: Ersatztorwart Mitchell Langerak durfte im Pokal auflaufen.

Die Dresdener dachten sich etwas Besonderes aus und stellten sich in einem in Deutschland ungewohnten 3-4-3 / 5-4-1 auf. Ralf Looses Idee war sicher, mit den Flügelverteidigern schnell vorzustoßen, ohne dabei die Abwehr zu entblößen. Dafür stellte er Brégerie, Jungwirth und Stoll in die Innenverteidigung und ließ Gueye und Schnetzler aus der Abwehrkette viel Freiheit auf dem Weg nach vorne. Die Außenstürmer Koch und Trojan sollten sich bei Dortmunder Ballbesitz ins Mittelfeld fallen lassen. Dazu stand nicht, wie noch gegen Leverkusen, Eilhoff, sondern Hesl im Tor.

4-2-3-1 vs. 3-4-3

Der Einsatz von drei Innenverteidigern gegen nur einen zentralen Stürmer ist zunächst Personalverschwendung, aber Dresdens Trainer hatte nicht die Kontrolle des Spiels, sondern nur die Kontrolle des Raums vor dem eigenen Tor im Sinn. Eine 5er-Kette in der Abwehr mit einer 4er-Mittelfeldkette eignet sich dafür ganz gut, auch wenn man nominell in der Abwehr überbesetzt war. Der Vorteil von fünf Verteidigern ist, dass die Abstände zwischen ihnen sehr gering sind, sie sich daher wenig verschieben müssen und sich gut absichern können. Dresden hatte darum auch keine Probleme, den Außenverteidiger durch einen Mann abzusichern und im Zentrum weiterhin mehr Spieler als der BVB zu haben. Außerdem konnten Spieler aus der Innenverteidigung nach vorne stoßen und sich den Dortmundern entgegenstellen ohne die Abwehr extrem zu schwächen.

Das Risiko der Mannschaft in 3-4-3 Formation gegen ein Team mit offensiven Außen ist, dass die Wing-Backs permanent zurückgedrängt werden und damit zu weite Wege in die Offensive gehen müssen. Valencia schaffte genau das gegen Marseille im UEFA Cup Finale 2004 und isolierte damit Didier Drogba, und auch Brasilien traf bei der WM in Südafrika (mit ihrer Interpretation des 4-2-3-1) auf eine 5er-Kette gegen Nordkorea.

In beiden Spielen zeigte sich die Abwehr als große Hürde und Geduld ist für den Gegner eine Voraussetzung um zum Erfolg zu kommen. Um in Führung zu gehen, musste Valencia von einem Elfmeter mit Platzverweis profitieren und Brasilien zeigte einen tollen Spielzug mit Maicons Traumtor. Beide Spiele hatten aber auch gemein, dass über lange Phasen der Gegner mit der 5er-Kette völlig ungefährlich war und nur reagierte.

Eine 5er-Kette ermöglicht es Verteidigern aus der Kette vorzustoßen ohne die Abwehrreihe stark zu schwächen. In dieser Szene kann der Dortmunder Spieler zwar dem Innenverteidiger entgehen und in den roten Bereich dribbeln, die verbliebene Viererkette verhindert aber das Gegentor.

Das Spielgeschehen

Ein Mittel um so eine Abwehr zu knacken ist der schnelle Seitenwechsel. Tödliche Pässe über kurze Distanz hinter die Abwehr und Hereingaben von der Torauslinie sind ein weiteres Mittel.

Gerade in der Anfangsphase war Dresden aktiv und versuchte außen mit Dribblings und flachen Pässen schnell das Feld zu überbrücken. In den ersten zwanzig Minuten funktionierte das ganz gut, Dortmund dominierte zwar das Spiel, aber vereinzelt waren Angriffe möglich und brachten dann auch Standards ein. Richtig gefährlich wurde es für den BVB selten. Gueye in der 7. Minute aus kurzer Distanz und Solga in der 20. Minute aus fünfundzwanzig Metern hatten die größten Chancen für Dynamo im ersten Durchgang.

Dortmund hatte in der gegnerischen Hälfte mit dem Ball weitestgehend freie Hand. Oft belagerten die Dortmunder das letzte Spielfelddrittel ohne ihre Spielzüge zu überhasten. In einigen Phasen ließ Dynamo den Meister bis etwa fünfunddreißig Meter vor das eigene Tor, dort warteten neun bis zehn Feldspieler.

Mit direktem Spiel und vielen Rochaden in der Offensive versuchten die Dortmunder die Abwehr zu lockern. Sie taten sich aber schwer, weil Dresden einfach in Überzahl war. Allerdings ging der BVB auch leichtfertig mit seinen Chancen um. Kagawas Hereingabe (9.) wurde abgewehrt, ein Schuss von ihm ging übers Tor (28.) und Lewandowskis Schussversuch mit der Hacke, Sekunden zuvor, war die völlig falsche Wahl aus acht Metern.

In einem Spiel gegen eine so dichte Abwehr muss das erste Tor manchmal in einer Situation fallen, in der die eigentlichen Formationen nebensächlich sind. Standards haben ihre eigene Aufstellung und nach einem Eckball in der 30. Minute brachte Lewandowski seinen Club mit 1:0 in Führung. Dresden spielte Mann gegen Mann und konnte sich im Kopfballduell am langen Pfosten nicht durchsetzen.

Mit der Führung im Rücken spielt es sich viel einfacher gegen ein solches Abwehrbollwerk. Dresden musste jetzt mehr tun und der BVB wusste, dass sich nun Räume zum Kontern ergeben würden. Außerdem wurde es für die Wing-Backs der Gäste nach Angriffen zusehends schwerer, schnell in die Verteidigungslinie zurückzukehren. Dresden vermied das große Risiko mit noch 60 Minuten auf der Uhr.

Beim Angriff über den Flügel ist zu erkennen, wie der linke Innenverteidiger den Raum hinter dem Wing-Back absichert (blauer Kreis). Trotzdem kann der Mittelstürmer von zwei Innenverteidigern gedoppelt werden (grüner Kreis). Nur im Zentrum vor der Abwehr entsteht ein Loch (roter Kreis), weil sich die Spieler nach außen orientieren.

Nach der Pause versuchte Dynamo etwas aktiver zu werden, das System änderte sich nicht, aber einer der Außenverteidiger positionierte sich nun manchmal höher, ein permanenter Umstieg auf eine 4er-Kette war nicht zu erkennen. Dortmund versuchte mit direktem Spiel auf Außen jetzt konsequenter Chancen heraus zu spielen. Lewandowski setzte einen Kopfball aufs Tor (51.), Piszczek scheiterte an Hesl in der 54. Minute und auch Götze musste sich in der 56. Minute Hesl geschlagen geben.

In der 65. Miunte erhöhte Mario Götze auf 2:0. Bender schickte seinen Mitspieler bei einem Tempogegenstoß in den Strafraum, wo dieser Hesl keine Chance ließ. Ein Teil von Dresdens Innenverteidigung hatte wohl auf Abseits gespielt, als Lewandowski startete, und Götze im Rücken übersehen.

Dresden versuchte mit einer etwas höheren Abwehrlinie mehr Druck aufzubauen, aber die Dortmunder spielten gleich lange Pässe in den freien Raum um dies zu nutzen. Zu keiner Zeit konnte man von Dynamo eine Aufholjagd erwarten, wie sie noch gegen Leverkusen erfolgreich gewesen war. Dortmund hatte viel zu viel Zeit am Ball, konnte Kombinationen zeigen und die Uhr runter spielen. Loose gab nach dem Spiel zu, wenig Risiko eingegangen zu sein, auch am Ende, um eine höhere Niederlage zu vermeiden.

Fast wäre das 3:0 gefallen, aber Perisic scheiterte knapp an Hesel (70.). In der 78. Minute traf der eingewechselte Dedic eine direkt genommene Flanke nicht richtig und vergab damit wohl die letzte realistische Chance auf ein Anschlusstor und eine spannende Schlussphase. Solgas Freistoß aus etwa 23 Metern in der 90. Minute verfehlte das Tor und besiegelte damit die Niederlage.

Fazit

Nach der großen Überraschung in der ersten Runde gegen Leverkusen konnte Dynamo Dresden in diesem Spiel keine Akzente setzten. Der BVB dominierte Ball und Tempo, während Dresden sich auf die Verteidigung des eigenen Strafraums beschränkte und im Mittelfeld oft abgemeldet war. Nach einigen Spielzügen im ersten Durchgang war das Spiel nach dem 2:0 durch Götze beendet. Der BVB kann sich über eine solide und geduldige Leistung gegen einen defensiven Zweitligisten freuen.

Kommissarmartin 28. Oktober 2011 um 23:19

Ich hatte den Eindruck, dass nach dem doch recht flotten und aggressiven Beginn der Dresdner, die erste Spielunterbrechung durch den Schiedsrichter den Gästen nicht gut getan hat. Danach war irgendwie ein bisschen die Luft raus, Dortmund hat sich stabilisiert.

Die Dresdner Krawallmacher haben viel Schaden angerichtet, selbst bei der eigenen Mannschaft auf dem Spielfeld.

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fussballdiaspora 27. Oktober 2011 um 19:57

Wie immer eine sehr informative und gut geschriebene Nachbereitung des Spiels. Das ist nicht nur so dahingesagt. Denn im TV oder auch in guten Zeitung werden interessante taktische Aspekte meist nicht erwähnt oder bestenfalls mit Floskeln zugedeckt.

Die schematische Darstellung vor dem Spiel zeigte eine 5-4-1 -Aufstellung der Dresdner, welche taktische Idee dahintersteckt – oder zumindest vermutet werden könnte – bleibt völlig offen. Hier wäre zum Beispiel interessant gewesen, schon während des Spiels etwas über die offensiven Möglichkeiten des 3-4-3 zu erfahren.

Gewundert hat mich die augenscheinliche Harmlosigkeit in einem Pokalspiel schon.

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HW 27. Oktober 2011 um 20:33

Schon etwas seltsam, wenn der Trainer in einem Alles-oder-nichts-Spiel eine hohe Niederlage verhindern will und daher „nur“ 0:2 verliert.
Wäre Spekulation zu behaupten er wollte damit ein negatives Erlebnis verhindern, welches sich auf die Liga auswirken könnte.

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juwie 27. Oktober 2011 um 00:30

Sehr schöne Grafiken zur Funktionsweise der Fünferkette.

Vielen Dank! Ihr macht eine tolle Site. Freue mich auf jede Spielbesprechung.

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HW 27. Oktober 2011 um 12:45

Vielen Dank.
Sie basieren auf zwei Spielsituationen aus der ersten Halbzeit.

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