Lazio – AS Roma 2:1

Dank Kloses Siegtreffer in der Nachspielzeit konnte Lazio ein gutes Römer Derby noch umdrehen.

Lazio ersetzte nach dem Sieg in Florenz in der Innenverteidigung Stankevicius durch Biava, die Roma musste auf Star-Kapitän Totti verzichten und trat diesmal in einem nominell klassischeren 4-3-1-2 an. Diese Paarung ist immer ein würdiger Abschluss des Spieltages, doch in den sechs Spielen am Mittag des Sonntages kam es fünfmal ein 0:0 und nur zwei Tore zu sehen – unfassbar.

Ein Klischee in der Anfangsphase

Wäre nicht der extrem frühe Treffer durch Osvaldo nach fünf Minuten mit der ersten Chance der Partie gewesen, hätte sich erneut ein solches 0:0 anbahnen können. Denn es sah wie eines der typisch engen Serie A-Spiele aus – zwei 4-3-1-2 duellieren sich, so dass das Spiel im engen Mittelfeld mit seinen vielen direkten Duellen versandet und nur die Außenverteidiger dieses aufbrechen können.

Weil zu Beginn vor allem José Angel dies sehr gut machte, kontrollierten die Gäste die Partie und konnten ihren Führungstreffer durchaus als verdient ansehen.

Nach dem Tor übernahmen auch die Hausherren öfters die Initiative, doch ihre wenigen Chancen ergaben sich nach Fehlern, die das enge Mittelfeld provozierte, oder durch schnelles Ausnutzen des Raumes hinter den aufgerückten Außenverteidigern durch Cisse anstatt durch durchdachtes und strukturiert vorgetragenes Angriffsspiel.

Bei der Roma rückte wie in dieser Spielzeit üblich de Rossi zurück in die Innenverteidigung, damit die Außenverteidiger weit aufrücken konnten, was zunächst den entscheidenden Vorteil darstellte, allerdings auch der Grund für jene Anfälligkeit bei schnellen Gegenstößen war, da man mit drei Spielern drei lauernde Angreifer verteidigte.

Die Rolle Alvaros

Auf der anderen Seite war es dann schließlich kein Außenverteidiger, sondern ein Mittelfeldspieler, der das enge und nervöse Spiel ein wenig auflockerte – Alvaro González agierte nicht als klassischer Halbspieler, sondern ging immer wieder für Breite auf den rechten Flügel, während sein Pendant Brocchi etwas tiefer stand. Bereits in der vergangenen Woche bei der Fiorentina hatte diese Asymmetrie nach einem frühen Rückstand die Dominanz über das Spiel und letztlich noch den Sieg gebracht – so war es auch hier, wenn man auch nicht so viele Chancen kreieren konnte.

Zumindest entstand durch Alvaros Position wieder die 4-2-2-2-ähnliche Struktur, doch Gago passte sich schnell an und konnte den Uruguayer abdecken. Zunächst waren es so die Gäste, welche profitierten, da Alvaro sehr hoch stand und hinter ihm noch mehr Raum für den offensiven José Angel preis gab, was nicht nur direkt, sondern auch indirekt schädlich war, denn jener konnte relativ ungehindert marschieren und Lazios Linien überlaufen, da die drei Offensiven vorne „zockten“. Erst sehr spät konnte er von ihrem Mittelfeld empfangen werden, da man lange zum Verschieben brauchte und so auch etwas die Ordnung verlor – die Keimzelle für die Angriffe des AS, selbst als man sich stark auf die Verteidigung konzentrieren sollte.

Roma kam über Angel und die linke Seite, Lazio über Alvaros rechte Flanke, ansonsten ging es durch das Zentrum.

Pressing

Ein weiterer Faktor des Spiels war das frühe Pressing der beiden Teams – vor allem von Lazio. Einmal in Rückstand geraten störten sie die gegnerischen Innenverteidiger sofort am gegnerischen Strafraum und gingen auch Torwart Stekelenburg an. Weil ihre Abwehr aber relativ tief stand, gab es nicht nur Ballverluste und Fehler durch das Pressing, sondern auch einen etwas hektischen Charakter von Tempo sowie Räume im Spiel. Dies wurde durch das bisweilen etwas zweigeteilte Mittelfeld Lazios verstärkt, an welches sich die Roma zumindest im Pressing anpasste. Allerdings wurde auch dies mit der Zeit zweigeteilter und ineffektiver und somit nicht mehr so stark betrieben.

Es war schon etwas problematisch, dass man bei den eigenen Angriffen zu wenig Spieler nach vorne brachte, denn so war es wirklich José Angel, der das eigene Offensivspiel zu großen Teilen am Leben hielt. Auch wenn Lazio weiterhin wenige Chancen erarbeiten konnte, was auch damit zusammenhing, dass Osvaldo und Bojan defensiv gut mitarbeiteten und auch ein Auge auf die gegnerischen Außenverteidiger hatten, musste man zumindest doch immer damit rechnen, dass sich aus einem der vielen Freistöße – ein gewohnt hitziges Derby mit sechs gelben Karten und einem Platzverweis – ein Tor ergeben könnte.

Zweite Halbzeit

Jener Platzverweis (50.) änderte in der zweiten Hälfte dann alles. Nicht nur, dass Hernanes den ebenso von Kjaer verursachten Strafstoß verwandelte, sondern auch, dass man nun in Unterzahl spielte und noch weniger Präsenz vorne haben würde. Luis Enrique brachte Burdisso und nahm mit Perotta einen Mittelfeldmann aus der Partie – anstelle eines 4-4-1 erlegte er seinen Mannen ein mutiges 4-3-2 auf, also die bisherige Formation ohne offensiven Verbindungsspieler.

Das machte sich auch bemerkbar, denn die beiden Offensivspieler mussten noch mehr defensiv arbeiten, während man zwar gelegentlich nach vorne kam, aber meistens nicht genug Support zustande brachte – kein einziger Abschlussversuch im zweiten Durchgang.

Lazio hingegen versuchte es zunächst mit einem 4-2-3-1-ähnlichen System, was aber an der schnellen verletzungsbedingten Auswechslung Alvaros scheiterte, und dann wieder mit ihrem 4-2-2-2, wobei Klose und Cisse nun deutlich zentraler standen, während Hernanes und der eingewechselte Mauri Hybride aus äußeren und zentral-offensiven Mittelfeldspielern darstellten. Konko und der sehr angriffslustige Lulic – ebenfalls eingewechselt – rückten zwar weit auf, doch zum einen fehlte es an Läufen zur Grundlinie, so dass man fast  nur aus dem Halbfeld flankte (36 Flanken), zum anderen konnte man mit dieser Struktur nicht die nötige Kreativität und Power im Mittelfeld aufbieten, um gegen die Roma die entscheidende Überzahl zu kreieren (nur 6 von 23 Abschlüssen gingen auf das Tor). Hernanes versuchte viel – 6 Schüsse und 6 gewonnene Dribblings zeugen von einer starken Leistung – doch alleine vermochte er das Spiel nicht zu gewinnen. So brauchte es einen Chip-Pass, ausgerechnet von der relativ unkreativ von Edy Reja gewählten, da stark positionsbezogenen Einwechsel-Option Matuzalem, der einmal aus der Tiefe in den Raum zwischen Mittelfeld und Angriff bei AS aufrückte, auf Klose, für den Siegtreffer in letzter Sekunde.

Fazit

Am Ende war es doch noch ein sehr interessantes und unterhaltsames Derby, welches Lazio glücklich, aber nicht unverdient gewann. Dennoch können sich die Gäste ärgern – die erste Halbzeit gehörte ihnen, nach der roten Karte war es schwer. Doppelt ärgerlich, da es das Derby war, dreifach ärgerlich, da man nicht zum ersten Mal nach guter (auch taktischer) Leistung Punkte abgab.

vastel 22. Oktober 2011 um 14:55

Danke für die Analyse!

Da ich die italienische Liga nicht verfolgen kann, wäre es sehr schön, wenn du in zukünftigen Spielberichten von Lazio eventuell ein (kurzes) Sonderkapitel zu Kloses Leistung im jeweiligen Spiel machst, da mich seine aktuellen Leistungen sehr interessieren im Hinblick auf die EM2012 und den „Vergleich“ mit Gomez.

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