SC Freiburg – Hamburger SV 1:2

Der HSV setzt auf Konter und gewinnt gegen spielstarke Freiburger auswärts mit 2:1. Die Freiburger gehen trotz spielerischer Dominanz als Verlierer vom Platz.

Es war ein Kuriosum in der Bundesliga: Der HSV-Sportchef Arnesen saß zum erstem und gleichzeitig letztem Mal auf der Trainerbank. Nächste Woche wird der aktuelle Basel-Coach Fink übernehmen, welcher bereits angekündigt hat, dass er einen proaktiven Fußballstil in Hamburg einführen will. Bis dahin lenkte jedoch der Däne zusammen mit Interimscoach Cardoso die Geschicke und erlegte der Mannschaft ein auf Konter ausgerichtetes 4-4-2 System auf.

HSV wartet ab, Freiburg agiert

Die Hamburger orientierten sich dabei an einer Strategie, die aktuell sehr in Mode zu sein scheint: Sie reihten sich in zwei Viererketten auf, die sie eng beieinander und weit vor dem eigenen Tor aufbauten. So sollte die Spielfeldmitte eng gemacht werden. Nach einem Ballgewinn wollten sie mit schnellen, diagonalen Pässen auf die Außen den Konter starten. Mit dieser abwartenden, reaktiven Taktik drängten sie die Freiburger in die spielmachende Rolle.

Die Freiburger nahmen den aktiven Part gerne an. Ihr Spiel setzt auf viele Kurzpässe und ein starkes Flügelspiel. Dies ist eine Freiburger Konstante, die Marcus Sorg von seinen Vorgängern Finke und Dutt vererbt bekommen hat. Mikrotaktisch bedeutet dies, dass Flum und Schuster auf der Doppelsechs sehr flexible Aufgaben zu verrichten haben. Einer der Beiden fällt stets zwischen die Innenverteidiger zurück, wodurch die Vierer- zur Dreierkette wird und die Außenverteidiger aufrücken können. In Situationen, in denen man die Viererkette nicht aufgeben wollte, ging Schuster auf die Rechtsverteidigerposition und Hinkel stieß nach vorne. Der andere zentrale Mittelfeldspieler schaltete sich mit in die Angriffe ein. Durch den einen aufrückenden Sechser und die stets nach vorne gehenden Außenverteidiger hatten sie so stets eine Überzahl im Mittelfeld, in dem teilweise sechs Freiburger Spieler zu finden waren.

Die Freiburger diktierten so zu Beginn der Partie das Tempo. Die Hamburger waren darauf bedacht, zuerst ihre eigene Ordnung zu finden. Dies taten sie sehr gut. Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen wurden gleichmäßig gehalten. Die beiden Sechser Tesche und Kacar zeigten eine gute Partie und gewannen viele Bälle – durch die Mitte war kein Durchkommen für die Freiburger. Diese konnten zwar den Ball gut in den eigenen Reihen laufen lassen, allerdings unterliefen ihnen im Spiel nach vorne zu viele Fehlpässe. Zu oft wurde ein vielversprechender Angriff durch einen ungenauen Pass zunichte gemacht.

Die Hamburger Führung

Obwohl die Freiburger das aktivere Team waren, hatten die Hamburger die ersten großen Gelegenheiten. Nachdem Petric einen Freistoß ans Lattenkreuz hämmerte, brachte der darauf folgende Eckball den Führungstreffer. Son brachte den Ball im zweiten Versuch im Tor unter (12.). Auch wenn der HSV aus dem Spiel heraus aktuell seine Schwächen hat, die Standardsituationen sind sehr gut. Ihnen kommt hier die Kopfballstärke der Innenverteidiger sowie Mittelfeldspieler zugute. Bereits das Match gegen Stuttgart wurde durch Eckbälle entschieden.

Das Tor änderte nur wenig am Spielgeschehen. Die Hamburger waren nun noch vorsichtiger und lauerten weiter auf Konter, während die Freiburger gegen die sattelfeste Defensive der Hamburger nicht durchkamen. Ihre Pässe ins Zentrum blieben erfolglos. Ab der 20. Minute sah man einen leichten Strategiewechsel bei den Freiburgern: In der Folge setzten sie die Außenspieler direkter ein. Nachdem sie vorher versuchten, erst durch die Mitte und dann auf Außen zu spielen, kamen die Pässe auf die aufrückenden Außenverteidiger nun früher, so dass diese aus dem Halbfeld flanken konnten.

Durch diese neue Strategie erarbeiteten sie sich vermehrt Torchancen. Hauptgrund war die schwache Verteidigung der Hamburger im eigenen Sechzehner. Die Aufteilung der Innen- und Außenverteidiger stimmte nicht. So stand Westermann mehr als einmal zu weit in der Mitte und ließ Cisse am langen Pfosten unbewacht. Außerdem gingen die Hamburger sehr früh von einer Raum- zu einer Manndeckung über. Aus diesem Grund ließen sie sich auch in der Folge weiter zurückfallen – sie versuchten sich durch einen tieferen Verbund gegen die Flanken des Gegners abzusichern, was aber ein taktischer Trugschluss war. Denn so eröffneten sie den Flügelspielern mehr Raum für ebendiese frühen Flanken.

Freiburg stark nach der Pause

Tore fielen für die Freiburger in der ersten Halbzeit trotz einiger guter Chancen nicht. Obwohl sie Oberwasser hatten, fehlte ihnen die letzte Genauigkeit zur totalen Dominanz. Ihre Passgenauigkeit war mit unter 80% unterdurchschnittlich, wenn man ihren Ballbesitzwert von 61% bedenkt. Erst nach der Pause legten sie nochmals eine Schippe drauf. Nun gesellte sich zu ihrem Kurzpassspiel ein das ganze Feld umspannende Pressing. Oftmals rückten die Außenstürmer und Makiadi vor, so dass in Pressingsituationen ein nominelles 4-2-4 entstand. Die Freiburger betrieben nun sehr viel Aufwand, damit die Hamburger den Ball gar nicht mehr bekamen.

Auch verbesserte sich ihr Passspiel. Waren sie in Hälfte eins in manchen Situationen noch zu lange am Ball, setzten sie nun auf Ein-Kontakt-Fußball. Der zurückfallende Cisse legte oft die Bälle nach außen ab, von wo die Flanken stets gefährlich wurden für den Hamburger Defensivverbund. So erzielte Cisse direkt nach Wiederanpfiff nach einer flachen Flanke den Ausgleichstreffer (47.). Aber auch in den darauffolgenden 20 Minuten liefen und kombinierten die Freiburger, dass es eine wahre Freude für die Heimfans war. Einzig die Chancenausbeute blieb schwach.

Der HSV hatte in dieser Phase schwer zu kämpfen. Im Angriff verloren sie sehr schnell den Ball. Konter konnten sie so gut wie keine setzen. Die Vertikalpässe, die noch in Halbzeit eins einige gute Gegenstöße initiierten, waren gegen die sofort angreifenden Freiburger nicht mehr möglich. Das Mittelfeld wurde auch schwächer und konnte gegen das Freiburger Direktpassspiel weniger Ballgewinne verbuchen. Gerade auf der Seite, an der Lam gerade spielte (er tauschte oft mit Töre die Flanken), wurden die Hanseaten anfällig für Flügelangriffe der Außenverteidiger.

HSV mit dem Siegtreffer

Frank Arnesen reagierte. Er nahm Lam vom Platz und brachte mit Ilicevic (66.) einen konterstarken Spielertyp. Ihm spielte auch in die Karten, dass die Breisgauer nach den anstrengenden Anfangsminuten der zweiten Halbzeit etwas müder wurden. Als Kacar in der 74. Minute erstmals seit langer Zeit wieder einige Sekunden ungestört am Ball verweilen konnte, spielte er einen tollen Vertikalball zu Töre. Dieser spielte einen doppelten Doppelpass mit Ilicevic, der den Ball im gegnerischen Tor versenkte (74.).

Der Führungstreffer kam überraschend, er spiegelte aber auch die Ermüdung der Hausherren wieder. In der Folge konnten sie nicht mehr die spielerisch leichten Angriffe fahren, die sie noch zu Beginn der zweiten Halbzeit auszeichneten. Sorg hatte noch einen taktischen Kniff: Die Umstellung auf ein 3-4-3 eröffnete Möglichkeiten, Bälle lang nach vorne zu schlagen und den Gegner daraufhin mit den drei Stürmern direkt unter Druck zu setzen. Bei einem dieser Duelle fiel der eingewechselte Reisinger, zu Fall gebracht von Bruma. Den fälligen Elfmeter verschoß Cisse jedoch (80.). Es blieb beim Hamburger Sieg.

Fazit

Erneut verschenken die Freiburger drei Punkte. Über fast die gesamte Spielzeit diktierten sie das Tempo der Partie. Nachdem sie in der Anfangsphase mit schlechten Zuspielen zu kämpfen hatten, wurde ihr Spiel nach und nach genauer und direkter. In ihrer besten Phase nach der Pause versäumten sie es jedoch, in Führung zu gehen. Am Ende ließen ihre Kräfte nach und sie mussten dank Hamburger Effektivität und eigener Ineffektivität den Gegentreffer zum 1:2 hinnehmen. Dennoch deutet ihre gute spielerische Leistung an, dass ihr Potenzial größer ist als es der Tabellenplatz aussagt.

Frank Arnesen kann sich in seinem ersten und einzigen Spiel als Interims-Coach glücklich schätzen, drei Punkte gewonnen zu haben. Nach einer defensiv starken Anfangsphase ließen sich die Hamburger etwas zu weit hinten reindrängen. In der zweiten Halbzeit überstanden sie die Freiburger Drangphase dank eines stark aufgelegten Jaroslav Drobny, um dann mit dem einzig guten Angriff der zweiten Hälfte in Führung zu gehen. Trotz eines etwas glücklichen Sieges bewiesen die Hamburger mit dieser Leistung, dass sie zu mehr fähig sind als unter der planlosen Oenning-Ägide. In den kommenden Wochen wird es spannend sein zu sehen, ob Neu-Coach Fink auf dem aktuellen Konterstil aufbaut oder eine neue Taktik beim Bundesliga-Dino implementiert.

 

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