SC Freiburg – Borussia M’Gladbach 1:0

Dieses Mal empfing der SC Freiburg die Gladbacher Borussia – in dieser Saison ein zweifelhaftes Vergnügen. Die Mannschaft vom Bökelberg etabliert sich immer stärker im oberen Tabellendrittel und dank Favre spielt man defensiv sicheren und offensiv effektiven Fußball, 1:0-Siege im klischeehaften „Stil großer Mannschaften“ sind keine Seltenheit mehr, die Mannschaft um Jungstars wie Neustädter, ter Stegen und Reus überzeugt taktisch wie spielerisch. Die Freiburger, welche erst vier Punkte aus den sieben Bundesligaspielen holten, standen also vor einer Mammutaufgabe, welche sie bemerkenswert gut lösten. Intelligente Konter, etwas Glück und eher schwache Gladbacher ermöglichten einen etwas überraschenden Heimsieg, den man einem abgefälschten Schuss Flums verdanken durfte.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Beginn

Die Freiburger traten mit einem 4-2-3-1-System an, in welchem Stürmerstar Cisse die Position des alleinigen Stürmers besetzte. Hinter ihm agierte eine Dreierreihe aus Abdessadki auf rechts, Putsila auf links und Makiadi auf der zentralen Position dazwischen. Interessant war, dass die Außenspieler minimal weniger  breit agierten und ähnlich wie die Dortmunder letzte Saison gegen die Bayern auftraten, was darin den Grund hatte, dass man die Außen doppeln und das Zentrum zugleich attackieren konnte. Der Nachteil an diesem System ist das verschlechterte Angriffspressing, doch mit Cisse hatte man ohnehin einen Alleinunterhalter vorne und der SC Freiburg konzentrierte sich lieber auf eine schematisch tiefe Position, Mittelfeld- und Abwehrpressing sowie eine Kompaktheit im Defensivverbund. Das Gegenpressing der Freiburger wurde etwas eingeschränkt, damit man sich nicht vom extrem dynamischen Offensivspiel der Gladbacher ausspielen ließ. Dafür war auch wichtig, dass man im Zentrum viel verschob und Flum erfüllte diese Aufgabe ebenso hervorragend wie Schuster, welcher sogar über 13 Kilometer rannte und eine eklatant wichtige Rolle einnahm. Dieses Verschieben der gesamten Mannschaft und insbesondere des Mittelfeldzentrums war einer der Schlüssel zum Sieg und half der Viererkette sehr, doch die Defensivreihe leistete ebenso gute Arbeit, Barth und Krmas agierten etwas tiefer, während Bastians seine klassisch offensive Rolle ausübte. Mujdza auf der rechten Außenverteidiger-Position war zwar nicht ganz so offensiv wie Bastians, doch er spielte ebenso etwas höher als die beiden Innenverteidiger.

Bei den Gladbachern gab es kaum große Veränderungen, für den verletzten Kapitän Daems kam Wendt als linker Außenverteidiger zum Einsatz, ansonsten veränderten sich nur die einzelnen Aufgaben der jeweiligen Spieler.  Wie üblich spielte die Viererkette sehr eng, agierte gemeinsam mit der Viererkette im Mittelfeld extrem kompakt und verengte den Raum sehr gut, man ließ kaum Abstände zum Vorder- bzw. Nebenmann und öffnete kaum Schnittstellen. Jantschke auf der rechten Seite und Wendt auf der linken Seite nahmen zwar am Offensivspiel teil, doch die Hauptpriorität genoss die Defensive und mit Stranzl sowie Dante hatte man eine sattelfeste Innenverteidigung, vor welcher das Stammduo Marx und Neustädter agierte. Allerdings hatten sie mit dem Freiburger Spiel ein paar Probleme, die Gastgeber wechselten Phasen aus Mittelfeldpressing mit einer tiefen kompakten Stellung mit Forechecking vereinzelter Spieler ab. Arango auf der linken und Reus auf der rechten Seite waren für das Ankurbeln des Offensivspiels hauptverantwortlich, insbesondere Reus erhält immer mehr Verantwortung im letzten Drittel. Bereits als hängender Stürmer trat er in dieser Saison auf und obwohl er keine schlechte Leistung ablieferte, merkte man, dass er mehr Raum benötigt – gegen Freiburg fand Favre einen Kompromiss, in dem Hanke oftmals defensiv den Raum hinter dem vorstoßenden Reus besetzte und gar mit ihm rochierte. De Camargo agierte an vorderster Front, aber beteiligte sich ebenso am Defensivspiel und zeigte eine gute läuferische Leistung.

In der Schlussphase des Spiels wurden die Gladbacher nach dem unglücklichen Rückstand offensiver, zuerst brachte Favre mit Bobadilla statt Hanke einen durchschlagskräftigeren Stürmer, in den letzten Minuten kam mit Herrmann sogar ein offensiver Mittelfeldspieler für Jantschke auf der Außenverteidigerposition.

Gladbachs Defensive

In der Abwehr agierte man wie üblich mit einer 4-4-1-1-Formation, doch eine der auffälligen Besonderheiten im Defensivverbund der Fohlen ist, wie genau die zwei Viererketten miteinander in Beziehung stehen. Es ist zwar hinlänglich ausgeführt worden, dass man mit sehr wenigen Abständen zwischen den Mannschaftsteilen auftritt, doch die Abstände zum Nebenmann sind sehr interessant, da sie etwas asymmetrisch sind. Der ballferne Außenverteidiger agiert nämlich unüblich breit, während die Viererkette im Mittelfeld zwar leicht versetzt nach innen spielt, aber sehr eng und mit möglichst gleichen Abständen zum Nebenmann agiert. Der Hintergrund dieses taktischen Mittels ist, dass der Gegner die ballferne Schnittstelle nicht ausnutzen kann, da man durch das dichte Zentrum dem Gegner nicht den nötigen Raum im Kombinationsspiel gibt, um dieses Loch auszunutzen. Schiebt die andere Mannschaft den Ball ins Zentrum, rückt der Außenverteidiger ein und man hat kaum einen Nachteil, allerdings gewisse Vorteile, unter anderem engt man den Gegner bei Spielverlagerungen ein, weil sie de facto kaum umzusetzen sind. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass der Gegner den Defensivverbund der Gladbacher nur über schnelles Kombinationsspiel löchrig spielen kann.

Die Rolle des Mike Hanke

Eine offensive Auffälligkeit bei den Gladbachern war die offensive Ausrichtung, insbesondere jene von Mike Hanke. Bereits seit seinem ersten Saisonspiel agiert er sehr tief und läuferisch stark, sorgt für eine Anspielstation zu Beginn des letzten Drittels und hilft defensiv sehr gut mit, nun hat er seine Rolle nochmals erweitert, wovon Reus profitiert.

Hanke lässt sich nicht nur fallen, bei Reus‘ Vorstößen wich er im Spiel gegen die Freiburger sogar auf den Flügel aus und besetzte dort den Raum, um Konter zu vermeiden. Reus hatte dadurch mehr Freiheiten, konnte teilweise gar ins Sturmzentrum vorrücken, ohne dem Gegner zu viel Platz zu überlassen. Indirekt könnte man dies als Rochade bezeichnen, doch da es schlichtweg eine defensive Sicherheitspraktik war, die man hin und wieder anwendete, wäre dies wohl übertrieben. Ein weiterer Vorteil dieser Taktik ist auch das erschwerte Doppeln Reus‘, da der Gegner ihm nicht folgen kann, ohne Hanke auf der Seite offen zu lassen. Deshalb müssen entweder die defensiven Mittelfeldspieler oder die Innenverteidiger aus ihren Positionen rücken, was oftmals entweder zu langsam geschieht oder zu viele Räume öffnet.  Freiburg fand allerdings zwei kreative Lösungen auf dieses Problem:

Freiburgs Isolation der gegnerischen Spieler

Eine der Ideen Sorgs war das Isolieren der gegnerischen Spieler voneinander. Abessadki und Putsila deckten die Passwege der defensiven Mittelfeldspieler zum jeweiligen Außenverteidiger zu, falls dieser den Ball doch erhielt, versuchte man seinen Passweg zum Außenmittelfeldspieler abzugrenzen. Dadurch bedrängt man den Gegner, den Ball wieder ins defensive Mittelfeld oder zu den Innenverteidigern zu spielen und die Ballzirkulation ineffektiv zu machen, da kein Raumgewinn gestaltet wird. Schuster und Flum im Zentrum der Freiburger versuchten, insbesondere den gesamten Angriffsverbund Gladbachs von deren Mittelfeld abzutrennen, was teilweise sehr gut gelang. Immer wieder versuchte man durch dynamisches Verschieben den Raum so zu besetzen, dass die Bälle gar nicht oder nur mit viel Risiko gespielt wurden und besonders de Camargo litt darunter, da er als vorderster Stürmer sich fallen lassen musste, wenn er am Offensivspiel teilnehmen wollte – ansonsten war er auf das Können seiner Mitspieler und Glück angewiesen. Dass die Freiburger neunzig Minuten ein solches Tempo gehen konnten, war eine herausragende Leistung und es war exakt diese Laufbereitschaft, die ihnen trotz Raum- und Ballunterlegenheit diesen Sieg verdienen ließ.

Freiburgs läuferische Leistung

Die Gastgeber verschoben ununterbrochen, schlossen die Schnittstellen und ließen kaum Räume für Lochpässe offen. Mit über 126 Kilometern war dies eine unglaublich starke kämpferische Leistung, welche europaweit ihresgleichen sucht und es verwundert wenig, dass diese unglaubliche Zahl in einem Spiel gegen Gladbach erzielt wird.

Der Grund hierfür ist klar, gegen den schnellen Fußball der Gladbacher in der Offensive und den risikolosen Spielaufbau mit dem technisch starken ter Stegen muss man einerseits bereits im Mittelfeld andauernd verschieben, während man defensiv bereits bei kleinsten Stellungsfehlern bestraft wird – hier ist ein unablässiges Justieren, Bewegen und Anpassen an neue Spielsituationen unabdingbar und es war phänomenal, wie die gesamte Verteidigung Freiburgs, sogar die Viererkette, bereits auf kürzeste Pässe im Gladbacher ersten Drittel reagierte. Diese Bewegung schloss entstehende Räume und zwang die Gladbacher ebenso zu einer starken Laufleistung von über 117 Kilometern, doch gegen die Freiburger war das dennoch nicht genug. Der Sportclub ließ nicht nach, war bissig und neben der läuferischen Stärke überzeugten sie auch kämpferisch – mit über 20 Fouls sorgte man taktisch für viele Unterbrechungen und eine Neutralisation des Gladbacher Offensivspiels.

Fazit

Ein taktisch hochwertiges Spiel zweier großer Trainer, welches Sorg zwar nicht wirklich für sich entschied, da seine Mannschaft Glück hatte, aber er dennoch nicht unterlegen war. Während seine Mannschaft mit 1:0 gewann, kann Sorg wohl nur ein Unentschieden gegen Favre verbuchen – doch bereits das ist ein gefühlter Sieg. Sorgs taktische Maßnahmen und die Laufbereitschaft seiner Mannschaft waren beeindruckend und obwohl man spielerisch unterlegen war, kaufte man den Borussen den Schneid ab und fügte ihnen eine knappe Niederlage zu. Man wird sehen, wie die Fohlen auf diese Niederlage reagieren, große Umstellungen sind aber aufgrund der starken Leistungen der letzten Woche weder zu erwarten noch zu erwünschen.

Flo 3. Oktober 2011 um 18:12

hanke sollte man meiner meinung nach nicht an seinen toren messen. er ist für mich der einzige spieler im kader, der diese position so ausfüllen kann. das einzige was hanke abgeht ist die schnelligkeit. vom spielverständnis her und auch technisch ist er vo großem wert für die mannschaft. quasi als bindeglied zwischen defensive und offensive. besonders zum ende der letzten saison war schon zu erkennen, wie gut hanke und reus auf dem platz harmonieren.

auch in freiburg war die 2. HZ absolut okay. es lag, mal wieder, an der schwachen chancenverwertung. wobei man auch sagen muss, das die freiburger das extrem diszipliniert, mit großer laufbereitschaft und leidenschaft runtergespielt haben.

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Zew 2. Oktober 2011 um 16:40

Das angedeutete Rochieren von Hanke und Reus gab es schon in vergangenen Spielen zu sehen, wahrscheinlich mit ein Grund wieso der torlose Stürmer Hanke bei Favre einen festen Stammplatz hat trotz der Unzufriedenheit mancher Fans.

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RM 2. Oktober 2011 um 17:22

In der Offensive ja bzw. auch ein Absichern auf der Halbposition, aber dieses extreme Absichern in der defensiven Grundformation habe ich in dieser Art noch nicht sehen dürfen, teilweise agierte Hanke als Rechtsaußen der Mittelfeldviererkette in der eigenen Hälfte.

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