Tottenham – Liverpool FC 4:0

Eines der beiden Topspiele dieses Premier-League-Spieltages war das Duell zwischen Tottenham und Liverpool. Die Scousers zeigten bislang überzeugende Leistungen, während den Spurs das Wechseltheater um Modric zu schaden schien, sie starteten eher schwach in die Saison. Dennoch sind diese beiden Teams neben den kriselnden Gunners die größten Favoriten auf den vierten Platz und konkurrieren um den Einzug in die Champions League. Dies war wohl der Hauptgrund, wieso dieses Spiel wegweisend für den Rest der Saison ist.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Beginn

Die Gäste von der Merseyside begannen mit einem stark asymmetrischen System, welches sowohl an ein 4-4-2 als auch an ein 4-3-3 erinnert. Mit Downing auf der rechten Seite und Suarez halblinks hatte man zwei unterstützende Spieler für den Wandstürmer Carroll, während sich drei Spieler hauptsächlich im Zentrum aufhielten. Charlie Adam und Jordan Henderson agierten auf den Halbpositionen und während Adam primär spielgestalterische Aufgaben hatte, versuchte Henderson Downing zu unterstützen und bei seinen Offensivläufen abzusichern. Statt dem verletzten Kelly trat Skrtel in der Position des Rechtsverteidigers an und sorgte für eine Asymmetrie, welche Jose Enrique mehr Raum gab, um den freien linken Raum vor sich auszufüllen. Während Henderson vermehrt mit Downing hätte Pärchen bilden sollen, fiel diese Aufgabe Adam im Bezug auf Enrique zuteil, für den er sich bei dessen Vorstößen als Anspielstation hätte anbieten sollen. Dies gelang jedoch nicht, da Kranjcar einerseits die Passwege zusperrte und andererseits das Pressing der Spurs die Reds im Spielaufbau sehr störte.

Tottenham spielte mit einem 4-4-1-1, wo Adebayor und Defoe das Sturmduo bildeten. Beide zeigten sich sehr agil und insbesondere bei Adebayor war es fast schon verwunderlich, wie oft er sich fallen ließ und wie effektiv er im Pressing agierte. Die beiden setzten die Innenverteidigung Liverpools unter Druck, insbesondere Carragher hatte damit seine Probleme. Öfter als dieses Angriffspressing ließ Redknapp ein Mittelfeldpressing spielen und setzte mit der dichten Viererkette im Mittelfeld die Schaltzentrale der Gäste unter Druck. Scott Parker und Luka Modric teilten sich die Aufgaben und koordinierten die Angriffsbemühungen, was sehr gut klappte. Rechts im Mittelfeld unterstützte Kranjcar diese Bemühungen, während links Gareth Bale agierte. Die Innenverteidigung der Spurs bildeten Kaboul und King, auf den Außenverteidigerpositionen spielten Walker und Assou-Ekotto, die beide relativ offensiv agierten.

Von Beginn an war Tottenham überlegen und hatte deutlich mehr Spielanteile, die man gekonnt in Torchancen umwandelte. Mit 62% Ballbesitz und extremer Überlegenheit bei den Torschüssen ließ man die gesamten 90 Minuten keinen Zweifel daran aufkommen, wer als Sieger aus dieser Partie gehen würde.

Tottenham defensiv: dichtes Zentrum und gutes Pressing

Mit stark mitarbeitenden Stürmern und einem laufstarken und spielintelligenten Zentrum agierte Tottenham sehr kompakt und ließ Liverpool kaum Räume im Spielaufbau. Adam litt darunter und sein Markenzeichen, die weiten präzisen Bälle, wurden weiter und weniger akkurat, was die Offensivbemühungen Liverpools ineffektiv machte. Carroll wurde ebenso wenig mit Bällen gefüttert wie die anderen Offensivspieler und trat im letzten Drittel auf der Stelle, da man sich nie aus dem Deckungsschatten der Mittelfeld-Viererkette der Spurs befreien konnte.

Parker und Modric warteten im Zentrum den richtigen Moment zum Attackieren ab, spielten relativ risikolos und gaben dem Sturmduo davor Zeit, sich fallen zu lassen und defensiv mitzuhelfen. Bale und Kranjcar auf den Seiten halfen ebenso beim Pressing mit und die Abwehrkette Tottenhams rückte etwas höher, um die Kompaktheit zu bewahren. So kam es, dass Liverpool entweder den Ball schon im Spielaufbau verlor oder im Mittelfeld keine Wege zum gegnerischen Tor fand und deshalb den Ball im ersten Drittel zirkulieren lassen musste.

Tottenham offensiv: genügend Breite und Ballkontrolle

Sobald Tottenham den Ball eroberte, suchte man Modric im Zentrum. Der kroatische Akteur, letzte Saison in Augen Dalglishs, Fergusons und Redknapps der beste Premier-League-Spieler, gestaltete das Spiel und dirigierte die Offensivbemühungen. Diagonalpässe auf die Außen, insbesondere den dynamischen Bale oder die vorpreschenden Außenverteidiger, machten das Spiel breit und sobald man konnte, versuchte man die Stürmer zu bedienen.

Gab es dazu keine Möglichkeit, wurde der Ball zu dem omnipräsenten Modric zurückgespielt, der sich überall auf dem Feld für Pässe anbot und selbst unter Bedrängnis einen Auweg fand: ob durch ein Dribbling oder einen Rückpass zu Parker, der das Spiel im Mittelfeld tiefer machte und den Offensivspielern eine sichere Anspielstation verschaffte.  Sowohl Parker als auch Modric verloren wenige Bälle und sorgten mit intelligentem Passspiel dafür, dass Liverpool tiefer agieren musste und kaum nach Ballgewinnen kontern konnte.

Einer der Fehler Liverpools: Martin Skrtel

Doch selbst im Ballbesitz wirkte Liverpool erschreckend einfallslos. Einer der Gründe dafür war die Rolle Skrtels, der sich offensiv viel zu stark zurückhielt und im Angriffsspiel nicht für die nötige Breite sorgte, die insbesondere im körperlich starken englischen Fußball von eminenter Wichtigkeit ist. Mit Adam im halblinken Mittelfeld und Suarez, der nicht ausreichend auf die Flügel rochierte, musste links Enrique den gesamten Raum beackern, während rechts Downing nach innen zog und sich mit Henderson auf den Füßen stand.

Dalglishs Idee hinter dieser Taktik war wohl, dass man mit Skrtel einerseits die offensiven Spieler vor ihm absicherte, während man gleichzeitig einen defensivstarken Spieler gegen Gareth Bale hatte. Auf links wollte man sich auf das Duell Enrique gegen Kranjcar einlassen, was kein Problem gewesen wäre, wenn Walker sich offensiv nicht so präsent gezeigt hätte. Kranjcar zog etwas nach innen und öffnete den Raum für Walker, während Adam im Mittelfeld mit der Defensivarbeit gegen Modric und Parker überfordert war und früh im Spiel die gelb-rote Karte sah. Spätestens danach war das Spiel endgültig gelaufen, obwohl es davor bereits 1:0 nach einem tollen Tor Modrics stand.

Zwei Ausschlüsse beeinflussen das Spielgeschehen mehr als jede Taktik

Zu zehnt hatte man kaum eine Chance gegen die spielstarken Londoner, doch Dalglish versuchte ein paar taktische Kniffe, die fehlschlugen. Einerseits versuchte er mit Downing auf halblinks und Suarez in vorderster statt hängender Position die Taktik so zu verändern, dass man etwas mehr Räume hatte. Henderson versuchte den Raum breit zu machen, hatte aber wie erwähnt aufgrund Skrtel und Bale Probleme damit, während Downing links auf sich allein gestellt war.

Suarez als Mittelstürmer sah wenige Bälle, während Carroll, der nun hängend und auf halblinks im Sturm agierte, Walkers offensive Vorstöße nicht behindern konnte. Auch weil Tottenham mit van der Vaart noch etwas höher agierte und mehr potentielle Gefahr entband, hatte Liverpool nie eine Chance und nach der roten Karte für Skrtel war das Spiel endgültig verloren.

Fazit

Mit einer sehr guten Leistung Tottenhams stieß Liverpool an seine Grenzen und konnte sich nicht beweisen. Sehr wenig Torchancen, individuelle und taktische Fehler wurden durch die roten Karten erweitert und sind sinnbildlich für die Leistung des ehemaligen Rekordmeisters. Tottenham hingegen zeigte sich mit seinen Neuzugängen stark verbessert und darf sich berechtigte Hoffnungen auf einen Lauf machen, auch, weil man ein paar der größeren Kaliber bereits hinter sich hat – unter anderem Liverpool.

YNWA 19. September 2011 um 19:13

Hallo,
danke für den Kommentar – hatte erst zu spät eingeschaltet und zum Glück nach dem zweiten Platzverweis schon wieder abgeschaltet, denn ich wollte mir nicht den ganzen Sonntag versauen – ein echter Alptraum als LFC-Fan.

Als Ergänzung: Skretl spielte in den vergangenen Jahren bei LFC NIE Außenverteidiger; früher gab es da bei Personalnot Ausflüge von Carragher drauf, da jetzt aber sowohl Kelly als auch Johnson fehlen, scheint Skretl erste Wahl zu sein – erst recht gegen Bale.

Und zum Abschluss leicht verstörte Fragen: Was hat den King geritten, Carroll zeitweise auf links zu stellen? Warum nicht Suarez? Warum kein Wechsel nach der ersten Roten?

Antworten

RM 19. September 2011 um 19:38

Nun, er stellte ihn nicht ganz nach links, sondern ließ ihn dorthin „roamen“. Einerseits wollte er wohl Walker hinten binden, andererseits Carroll Kopfballduelle erleichtern und dem Team eine Anspielstation in der Tiefe geben.

Kein Wechsel, da man bereits Agger ersetzen musste und sich die anderen aufheben wollte bzw. die Mannschaft intern anpassen konnte.

Antworten

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