Dynamo Dresden – VfL Bochum 2:1

Im Montagsspiel der 2. Fußball-Bundesliga bezwang der Aufsteiger Dynamo Dresden den als Aufstiegskandidaten gehandelten VfL Bochum schlussendlich mit 2:1. Auch in taktischer Hinsicht bot das Spiel einige interessante Aspekte.

Die Vorteile des 4-3-3 (4-5-1) gegenüber dem 4-4-2…

Allgemeine Darstellung zur Verdeutlichung der Überzahl des 4-5-1 (bzw. 4-3-3) im zentralen Mittelfeld gegenüber dem 4-4-2

Schon häufig wurde erläutert, warum das 4-3-3 (und auch das 4-5-1) in der Theorie einen großen Vorteil gegenüber dem lange vorherrschenden 4-4-2 haben: Durch den zusätzlichen zentralen Mittelfeldspieler hat man im Zentrum des Spiels eine Überzahl ohne an anderer entscheidender Stelle eine Unterzahl zu haben. Lediglich der Stürmer muss sich gegen beide Innenverteidiger behaupten, wohingegen auf der anderen Seite des Platzes eine 2:2-Situation zwischen Innenverteidigern und Stürmern besteht.

Bei der WM 2010 in Südafrika bestätigte sich die schon vorher angehende Entwicklung nachhaltig, sodass viele Experten vom endgültigen Durchbruch des 4-2-3-1 sprachen, welches die Vormachtstellung des 4-4-2 gebrochen habe. Besonders deutlich wurden die Nachteile der drei Bänder anstelle von vier in den Spielen der deutschen Nationalmannschaft gegen Australien und England.

Und so musste man sich im Anschluss an die WM zwangsläufig fragen, warum trotz der allzu offensichtlichen Nachteile dennoch so viele Trainer weiterhin das 4-4-2 als System verwendeten. Doch nun ist der Fußball keine Mathematik, und Nachteile in einem System können ausgeglichen werden. So wird das moderne 4-4-2 nicht mehr mit zwei klassischen Stürmern ohne Bindung zum Mittelfeld gespielt, stattdessen lässt sich immer der ballferne Stürmer zurückfallen, um einen gegnerischen defensiven Mittelfeldspieler aufzunehmen oder Pässe auf diesen zu verhindern.

…und wie diese von Dresden zum eigenen Vorteil umgewandelt wurden

Dresden mit einer 5:3-Überzahl im Zentrum, der Flügel wird offen gelassen

Auf diese Weise glich auch das im 4-4-2 angetretene Dresden die nominelle Bochumer Überzahl im zentralen Mittelfeld aus. Doch eine Gleichzahl hätte für Dynamo wohl bedeutet, dass die individuell stärker besetzten Bochumer zwangsläufig das Spielgeschehen bestimmt hätten und so eine sehr hohe Siegchance gehabt hätten.

Das Ziel der Dresdner war es vielmehr, das komplette zentrale Mittelfeld der Gäste aus dem Spiel zu nehmen. Dafür spielte die Viererkette im Mittelfeld sehr eng, sodass auch der jeweils ballferne Außenspieler im zentralen Mittelfeld zu finden war, zudem schob der Stürmer sehr weit zurück, sodass fünf Spieler die Wege von den Außenpositionen sowie der Innenverteidigung ins zentrale Mittelfeld zustellten.

Der in dem Moment offensivere Stürmer lenkte den Ball gezielt zu den Außenverteidigern. Gerade der Bochumer Ostrzolek auf der linken Verteidigerposition hatte bemerkenswert viele Freiräume im Spiel nach vorne. Nun kann man dies als Unachtsamkeit des Dynamo-Kapitäns Koch werten, da Ostrzolek aber in jedem Angriff große Freiräume zur Verfügung hatte, lässt sich vielmehr eine Strategie dahinter erahnen:

Als Alternative zum Spiel über das zentrale Mittelfeld bieten die Gastgeber den Bochumern den Weg über die linke Außenbahn an. Der linke Verteidiger soll dort von den Mitspielern isoliert werden. Dazu riegelte der Stürmer den Rückweg ab, Rechtsverteidiger Gueye kam von vorne und auf der einzigen freien Seite waren die Dresdner in Überzahl, sodass eine Flanke aus dem Halbfeld die einzige Alternative zum risikoreichen Pass in die Zentrale darstellte.

Auf diese Weise schafften es die Dresdner auf beeindruckende Weise das Aufbauspiel und die Angriffsmechanismen der Gäste zu torpedieren und sie vom eigenen Tor fernzuhalten.

Die Dresdner Angriffsstrategie

Mit Ball wussten die Dresdner allerdings erschreckend wenig anzufangen. Auch bei ihnen war ein normales Aufbauspiel über die beiden defensiven Mittelfeldspieler kaum vorhanden, da bei ihnen – genau wie bei den Bochumern – Laufwege fehlten, die die gegnerische Defensive hätten durcheinander wirbeln können. Stattdessen verlegte man sich über weite Strecken des Spiels auf lange Bälle aus der Innenverteidigung, da die Außenverteidiger von Inui und Ginczek schnell unter Druck gesetzt wurden.

Dafür zogen auch die beiden Außenspieler sowie ein DM ins Zentrum vor dem gegnerischen Strafraum, sodass dort oftmals eine Überzahl Dynamos entstand. So gewann man in diesem für die Bochumer gefährlichen Bereich überdurchschnittlich viele Luftzweikämpfe, was zu einigen Chancen führte.

Wirkliche Torgefahr entstand aber auch daraus nur selten, stattdessen sorgten im ersten Durchgang lediglich die Standards der Gastgeber für wirkliche Torgefahr. So passte es auch, dass ein Freistoß aus dem Halbfeld schließlich zum 1:0 für die Hausherren durch Subasic führte, nachdem kurz zuvor Inui mit Gelb-Rot frühzeitig duschen geschickt wurde.

Spielverlauf

Grundaufstellungen

Trotz numerischer Überlegenheit spielte Dresden auch im zweiten Durchgang kaum konstruktiv nach vorne. Doch ihr Defensivkonzept war gegen dezimierte Gäste nun einfacher, sodass Bochumer Chancen beinahe komplett verhindert werden konnten. Doch anstatt entschiedener auf das 2:0 und die damit verbundene Entscheidung zu gehen begnügte sich Dresden mit der Torverhinderung.

Der VfL agierte trotz Unterzahl mutig, spielte auch in der zweiten Halbzeit offensiv, jedoch ohne den notwendigen Zug zum Tor. Die Entscheidung für die Dresdner fiel, natürlich, nach einem Standard. Und erneut war es Subasic, der für den Aufsteiger traf, diesmal jedoch mit dem Fuß. Der Linksverteidiger brachte einen Freistoß aus ca. 22 Metern mit dem linken Außenrist im gegnerischen Tor unter.

Der Anschlusstreffer durch den eingewechselten Aydin blieb letzten Endes ohne Bedeutung.

Fazit

Dresden-Trainer Loose hatte den VfL anscheinend gut analysiert und die richtigen Schlüsse aus den Beobachtungen gezogen. Durch die Überzahl im zentralen Mittelfeld wurde das Spiel auf die Flügel, vor allem auf die linke Seite gelenkt. Mit dem Ball allerdings fiel dem Aufsteiger erschreckend wenig ein, beide Tore resultierten aus Standards, trotz zahlreicher Ballgewinne blieben aus dem Spiel entstandene Torchancen Mangelware.

Aufstiegskandidat Bochum kommt auch am 7. Spieltag nicht aus dem Tabellenkeller. Erschreckend die Planlosigkeit im Spielaufbau, ernüchternd die fehlende Reaktion auf den Dresdner Schachzug und beängstigend die Schwäche bei gegnerischen Standards. Beim VfL muss sich schleunigst etwas ändern, sonst könnte diese Saison noch sehr unruhig werden.

Hans- Jürgen Hesse 20. September 2011 um 02:04

Klasse Analyse!
Sollten sich manch Andere mal ne„ Scheibe von abscheiden!
Habt weiterhin soviel Erfolg! Klasse!!!

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rene 14. September 2011 um 21:54

Die Bochumer Gelb Rote spielte bei dieser taktischen Konstelation natürlich ideal in die Dresdner Karten.

Man muss aber auch beachten, dass die Dynamos 16 Neuzugänge haben und dass Fiel, der eigentliche Spielgestalter, verletzt fehlte. Drei Spieler, die am Montag auf dem Platz standen, haben ihr erstes Spiel für Dynamo gemacht, nachdem sie in der SChlussphase der Transferperiode verpflichtet wurden. Die konstruktiven Angriffe, so denke ich, kommen sicher in 5 Spieltagen, wenn sich da eine Mannschaft geformt hat.

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juwie 13. September 2011 um 22:55

Ganz tolle Erklärung, wie die Überzahlsituationen bei gegnerischem Ballbesitz kreiert werden können. Vielen Dank!

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Louis 13. September 2011 um 14:06

Dass man den Bochumern eine Seite „angeboten“ hat, ist eine interessante These. Wäre zu wünschen, dass auch die anwesenden Sportreporter und „Experten“ taktische Fragen etwas kompetenter begleiten bzw. nach dem Spiel mal nachfragen, ob dies so geplant war. Stattdessen eklärt Herr Neururer die Beobachtung, dass Koch regelmäßig seinen Gegenspieler passieren lässt damit, dass er sich auf seinen Hintermann „verlässt“.

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