Real Sociedad – FC Barcelona 2:2

Nach dem fulminanten Heimsieg im ersten Spiel gegen Villareal erwartete keiner, dass Barcelona Probleme mit dem baskischen Verein Real Sociedad haben würde. Die Mannschaft aus San Sebastian hatte allerdings einen Plan, der zu Beginn beeindruckend schief ging und später in einer sensationellen Aufholjagd mündete.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen von Real Sociedad und dem FC Barcelona zu Beginn des Spiels

Der baskische Gastgeber trat mit einem 4-3-3 an, welches von sehr interessanten Spielertypen ausgefüllt wurde. Mit Zurutuza trat ein eigentlicher Spielmacher gegen Barcelona auf der halbrechten Acht an, während Mariga halblinks im zentralen Mittelfeld spielte. Dies hatte einen wichtigen Grund, denn Xabi Prieto war der offensivere linkere Part und brauchte defensive Absicherung, während Griezmann auf rechts einen Partner zum Kombinieren und Pässe in den Raum stärker benötigte – deshalb agierte hinter ihm auch ein Spielmacher statt einem defensiveren Akteur. Als vorderster Spieler begann Agirretxe, welcher die Innenverteidiger Barcelonas an einer Beteiligung im Offensivspiel hindern sollte. Vor der sehr tiefen und defensiven Viererkette agierte man mit Illaramendi, welcher die Aufgabe übernahm, den Raum zu Fabregas zuzustellen oder ihn in Manndeckung übernahm, wenn er sich fallen ließ.

Bei Barcelona trat vor allem eines sofort ins Auge: die Abkehr von ihrem 3-4-3. Einige Spieler wurden geschont, unter anderem die Weltmeister Iniesta und Villa sowie Weltfußballer Lionel Messi. So trat man als im klassischen 4-3-3 an, wobei Adriano links in der Außenverteidigung zu Einsatz kam, während rechts Dani Alves spielte. Fontas und Busquets bildeten eine spielerisch extrem starke Innenverteidigung, während davor Keita abermals in seiner neuen Rolle als Sechser agierte. Xavi spielte seine klassische Position als Spielmacher, sein Partner war Thiago, der die eigentliche Rolle Iniestas 1-zu-1 übernahm. Auf den Flügelstürmerpositionen kamen wie erwartet Pedro auf links und Sanchez auf rechts zu ihren Chancen, doch die größte Überraschung in diesem Spiel war der zentrale Stürmer: Fabregas.

Cesc Fabregas, die falsche Neun

Mit dem ehemaligen Arsenalkapitän fiel die letzte Bastion jener Feldspieler-Positionen, die noch nie von einem Mittelfeldspieler besetzt wurden. Pep Guardiola machte sich einerseits die Torgefahr Fabregas‘ zunutze, der in den wenigen Spielen bei Barcelona bereits einige Scorerpunkte für sich verbuchen konnte, andererseits war es wieder einmal das Kollektiv, welches dafür sorgte, dass Torchancen produziert werden. Fabregas ließ sich naturgemäß ins Mittelfeld fallen und unterstützte seine Mannschaft beim Kombinationsspiel, sein Drang nach dem Spielen tödlicher Pässe konnte allerdings ebenso befriedigt bleiben, wie seine Vorstöße ins Sturmzentrum, die er bereits gegen Villareal zeigte.

Beim letzten Spiel geschah dies zwar im Wechselspielchen mit Messi, doch einen solchen Positionstausch benötigte Messi letzte Saison nicht, deshalb war Fabregas‘ Positionierung als falsche Neun in diesem Spiel nur eine logische Schlussfolgerung, egal, wie unwahrscheinlich sie auf den ersten Blick wirken mag. Näher betrachtet besitzt er nämlich einige Gemeinsamkeiten in seiner Spielweise mit Messi: gute Schusstechnik, Torriecher, abwechselnde Besetzung des Raumes im zweiten wie im letzten Drittel, Trend zu Vertikal- statt Horizontalpässen. Die Dynamik ist zwar nicht so ausgeprägt wie beim Argentinier, der Spielertyp bleibt dennoch relativ ähnlich und dies war Guardiolas Grundgedanke bei der Aufstellung. Eine weitere Sache spielte ihm stark in die Karten.

Die Abseitsfalle Real Sociedads

Real Sociedad versuchte dem ballbesitzorientierten Spiels und der Rolle Fabregas‘ durch einen klassischen taktischen Kniff entgegenzuwirken: der Abseitsfalle. Wenn sich Cesc fallen ließ, so rückte die Abwehr Real Sociedads nach und versuchte, die gegnerischen Flügelstürmer Abseits zu stellen. Ein weiterer geplanter positiver Nebeneffekt wäre gewesen, dass man den Raum im Mittelfeld effektiv verkleinern würde und dazu noch zwei Anspielstationen in der Offensive für Barcelona verloren gegangen wären – dies würde man nutzen, um Mittelfeldpressing zu betreiben und Barcelona den Ball abzujagen.

die Abseitsfalle Real Sociedads – und wie sie ausgehebelt wurde (am Beispiel Xavi)

Hier zeigte sich allerdings die Stärke Fabregas und Xavis ebenso wie die taktische Intelligenz der Flügelstürmer Sanchez und Pedro, welche sich leicht fallen ließen und beim Aufrücken der gegnerischen Viererkette mit dem Losstarten in die geöffneten Löcher hinter die Abwehr eine kurze Sekunde warteten – diese Sekunde war für Fabregas und Xavi genug, um einen präzisen weiten Ball Richtung gegnerischem Tor zu spielen, ob nun für die Flügelstürmer oder Thiago über links bzw. Dani Alves über rechts, welche mitliefen, falls sich der Pass wider Erwarten verzögert hätte – dann gäbe es die zweite Chance und einen Geschwindigkeitsvorteil.

Die Abseitsfalle wurde somit zum Selbstmörder und beide Tore für Barcelona (zehnte und elfte Minute) entstanden aufgrund dessen, einmal verwertete Fabregas sogar selbst, nachdem Pedro am Torwart scheiterte. Es dauerte lange, bis Real Sociedad diesen Fehler korrigierte, doch danach zeigten sich einige taktische Kniffe Real Sociedads, die nicht nur in der Theorie sehr gut aussahen.

Das kompakte Zentrum und die defensive Außenverteidigung

Die Mittelfeldspieler Sociedas orientierten sich stark Richtung Zentrum und versuchten die Räume eng zu machen, um das Kombinationsspiel Barcelonas effektiv behindern zu können. Dies gelang zwar nicht oft, denn Barcelona konnte dennoch 75% des Ballbesitzes für sich verbuchen, doch einige positive Effekte hatte es: einerseits verlor, auch wegen der Gewöhnung an die gegnerische Abseitsfalle, Barcelona seinen Rhythmus und spielte mit ungewöhnlich vielen hohen Bällen, andererseits stimmte das Timing bei den Außenverteidigern Barcelonas nicht mehr. Sie bekamen nicht mehr so viele Bälle und zeigten sich offensiv nicht mehr so präsent, wie man es in den letzten Saisons gewohnt war.

Sie gaben zwar weiterhin die gewohnte Breite und waren im zweiten wie im letzten Drittel als Anspielstationen präsent, doch sie liefen weder bis zur Grundlinie durch noch gab es viele Pässe in Diagonalläufe ins Zentrum, was man normalerweise bei Dani Alves mehrmals in jedem Spiel sieht. Eine Ursache dafür war das tiefe und enge Stehen der Viererkette von Real Sociedad, deren Außenverteidiger hielten sich im Offensivspiel stark zurück, lediglich Estrada schaltete sich sporadisch ein, da er auf der rechten Seite Griezmann zusammen mit Zurutuza bei schnellen Kontern unterstützen sollte.

Die eng stehenden Außenspieler im Mittelfeld bei Real Sociedad erfüllten nicht nur den Zweck, das Zentrum dicht zu machen, sie hatten weitere defensive Aufgaben. Sie verschoben am dynamischsten beim Verschieben auf die Außen und entlasteten das defensive Mittelfeld, außerdem versuchten sie die Passwege auf die Außenverteidiger Barcelonas und zurück ins Zentrum zu verschließen. Die positive Konsequenz davon war, dass sie nach Ballgewinn bereits auf Außen standen und die Löcher hinter den aufgerückten Außenverteidigern Barcelonas ausnutzen könnten, insbesondere die Dynamik Griezmanns war hier von eminenter Wichtigkeit und war ein weiterer Grund, wieso Barcelonas Außenverteidiger ihre offensive Dynamik und das richtige Timing vermissen ließen.

In einer spektakulären Aufholjagd konnte man das 2:1 und 2:2 erzielen, wobei Barcelona sogar Glück hatte, dass Busquets keine rote Karte für ein Handspiel erhielt. Selbst Lionel Messi, der umgehend nach dem Ausgleichstreffer ins Spiel kam, sowie David Villa, der früh in der ersten Halbzeit für den verletzten Sanchez eingewechselt wurde, konnten nichts mehr am Spielstand ändern und der argentinische Weltfußballer erhielt in der 93. Minute sogar noch die gelbe Karte für eine Schwalbe, während David Villa durch einen Rückpass aufgrund Bedrängnis das 2:2 indirekt vorbereitete.

Fazit

Nur zehn Fouls und ein Unentschieden zeigten die beeindruckende Leistung Real Sociedads, welche somit sieben Fouls weniger als Barcelona begingen. Obwohl sie nicht körperlich und aggressiv gegen Barcelona vorgingen, schafften sie es also, dass sie bei nur 25% Ballbesitz sechs Torchancen erspielten – Barcelona selbst schoss nur zwei Mal öfters auf das Tor von Keeper Bravo. Ob es Zufall, Tradition (auch in den letzten beiden Jahren hatte man im zweiten Saisonspiel Probleme), Überheblichkeit oder einfach nur eine starke Leistung Real Sociedads war, wird man nicht endgültig klären können, dennoch war auffällig, dass Barcelona ohne Iniesta und Messi viel mit langen Bällen und ohne die nötige Zielstrebigkeit agierte.  Man wird sich steigern müssen, wenn man an die letzten beiden Rekordsaisons anknüpfen möchte, doch im ersten Saisonspiel gegen Villareal deutete man bereits an, dass Spiele wie heute in dieser Saison wohl nur die Ausnahme bilden werden.

Bern 1989 12. September 2011 um 10:02

Sehr erhellende Analyse, vielen Dank! Inhaltlich habe ich nichts hinzuzufügen, ich muss nur ein wenig sprachlich klugscheißern, sorry:

Formulierungen wie „taktische Kniffe Sociedads“ hören sich für Leser mit Spanischkenntnissen sehr merkwürdig an. „Sociedad“ heißt nichts anderes als „Gesellschaft“. Mit vollem Namen heißt der Verein „Real Sociedad de Fútbol“, also „Königliche Fußballgesellschaft“ – übrigens ohne den in deutschen Medien gern hinzugefügten Stadtnamen San Sebastián (das bekannte „Arsenal-London“-Phänomen).

In Spanien wird der Verein üblicherweise als „la Real Sociedad“ oder auch nur „la Real“ bezeichnet, niemals aber nur als „la Sociedad“ und auch niemals ohne den Artikel „la“. Verwechlungen mit Real Madrid und anderen „königlichen“ Vereinen werden schon dadurch vermieden, dass die alle aufgrund des „Club“ im Namen männlich sind, also „el Real Madrid/Burgos/Zaragoza/etc.“, aber „la Real Sociedad“ eben weiblich.

Wie man nun in deutschen Texten damit am besten umgeht, kann man gerne unterschiedlich sehen. Einfach nur „Sociedad“ hört sich für mich, wie gesagt, sehr merkwürdig an, da es zum einen in Spanien völlig unüblich ist und zum anderen den Eindruck erweckt, man halte „Sociedad“ analog zu „Real Madrid“ für einen Stadtnamen. Einfach nur „Real“ geht im deutschen natürlich auch nicht, so dass ich empfehlen würde, konsequent „Real Sociedad“ zu schreiben, auch wenn es recht lang ist.

Das alles nur am Rande. Sehr guter Blog, weiter so!

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