Manchester United – Arsenal 8:2

Das Topspiel der Runde stieg am Sonntag, als der Meister Manchester United Arsenal London im Old Trafford empfing. Arsene Wengers Mannschaft hatte einiges an Kritik abbekommen und war gewillt, sich trotz Ausfällen und dem Abgang Nasris nicht unter Wert verkaufen zu wollen, doch die Red Devils hatten etwas dagegen. In einer Partie, welche in die Geschichte eingeht, fügte man den Gunners die höchste Niederlage seit 115 Jahren zu.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen

Arsenal trat zwar nominell in einem 4-3-3 an, doch auf dem Spielfeld fehlte es an mikrotaktischen Aspekten wie den richtigen Laufwegen und der richtigen Zuordnung. Der inverse Winger auf links, Andrey Arshavin, arbeitete zwar nach hinten mit, doch war im Zweikampf entweder zu passiv oder zu aggressiv, während Theo Walcott auf der anderen Seite seinen Hintermann Jenkinson schlichtweg im Stich ließ. Sowohl Jenkinson als rechter Außenverteidiger als auch Traore auf der linken Seite hatten viel mit dem konstanten Raumschaffen Welbecks und Rooneys zu tun, ebenso wie die Flexilität der Flügelstürmer Manchester Uniteds sie vor Probleme stellte. Folgte man ihnen nicht, so bekamen sie Raum und fluteten das Zentrum mit Anderson und Cleverley, folgte man ihnen, öffnete man Raum auf außen für Welbeck und Rooney, was die Innenverteidiger vor einen Zwist stellte: nachrücken und die Mitte öffnen oder einen freien Mann auf außen in Kauf nehmen? Aus Sicherheitsgründen zeigte Arsenal zwei Antworten auf diese Fragen: entweder der Außenverteidiger verfolgte seinen Gegenspieler nicht oder, wenn er es tat, es blieb der Innenverteidiger im Zentrum und gewährte so Welbeck und Rooney viel Raum auf den Seiten. Diese Vielfalt im Angriffsspiel wurde zwar durch die Auswechslungs Welbecks etwas eingeschränkt, aber Chicharito ist durch seine unermüdliche taktische Arbeit ohne Ball ein ähnliches und fast ebenso effektives Mittel wie der junge Engländer.

Das Mittelfeld Arsenals, wo Rosicky und Ramsey vor dem unefahrenen Coquelin  agierten, war Manchester United zwar numerisch überlegen, aber Cleverley und Anderson wurden von ihren Außenverteidigern und den Stürmern sehr gut unterstützt.

Manchester United spielte abermals mit ihrem 4-2-3-1/4-2-4-0-Hybridsystem und zeigte einmal mehr die Vorteile einer variablen Formation. In der ersten Halbzeit gab es unzählige Positionswechsel im Sturm, meist durch Wayne Rooney initiiert, nach der Einwechslung Hernandez‘ konnte man eine passende asymmetrische Grundstellung einnehmen. Rooney wich dort auf links aus, während Chicharito Räume öffnete. Nani spielte dadurch zentraler, während Young links sehr nahe an der Außenlinie blieb und ein Pärchen mit Evra bildete, welcher seine Stärken, das Kombinationsspiel, dadurch in den Vordergrund rücken konnte. Smalling zeigte sich überraschend offensiv und war ein weiterer Faktor, wieso Manchester so viel Dominanz ausüben konnte: zum ersten Mal seit langer Zeit war man Arsenal in einem Spiel beim Ballbesitz überlegen, mit 56% sogar deutlich.

Spielverlauf

Von Beginn an hatte Manchester United mehr vom Spiel und zeigte sich deutlich zielorientierter. Der Ball wurde schneller durch die eigenen Reihen zirkuliert, man attackierte den Gegner früher und falls das Mittelfeldpressing fehlschlug, so bildete man in der Defensive eine 4-3-2-1-Grundformation, wo der ballnähere Außenspieler in einer Reihe mit den zentralen Mittelfeldspielern Cleverley und Anderson agierte. Der ballferne Außenspieler befand sich mit Rooney auf einer Höhe, zur gleichen Zeit versuchte Welbeck (und später Hernandez) mit Läufen ohne den Ball die gegnerische Verteidigung auf Trab zu halten. Den Führungstreffer erzielte Welbeck nach einem schönen Lupfer Andersons, verantwortlich war das Zögern Djourous, einem gelernten Sechser. Der zweite Treffer kam nach einem schönen Schlenzer Youngs, welcher einmal mehr die Vorteile zeigte, die ein klassisch wie invers agierender Flügelstürmer bringt. Nach einem tollen Freistoßtor Rooneys konnte Arsenal zwar das 3:1 erzielen, doch nach der Halbzeitpause brachen alle Dämme. Abermals ein Rooney-Freistoß sorgte für das 4:1, Nani bestrafte die klaffenden Schnittstellen Arsenals mit einem Lupfer zum 5:1. Den sechsten Treffer durfte Park machen, er wurde von den zentralen Mittelfeldspielern Arsenals frei laufen gelassen und obgleich Arsenal nach einem Konter das 6:2 machte, gab es keine Hoffnung und keine Gnade für sie. Rooney per Elfmeter und Young in der Nachspielzeit fixierten das 8:2, die höchste Niederlage Wengers und die höchste Niederlage Arsenals seit 1896.

Die Rolle der Außenverteidiger

Bereits oben wurde das Problem für Arsenal der rochierenden und kreuzenden Winger Uniteds erwähnt, doch der Wert einer starken Außenverteidigung und die Konsequenz einer schlechten kann nicht stark genug betont werden. In dieser GIF wird Evra jeweils mit Jenkinson und Traore verglichen:

Man kann erkennen, dass Evra mehr Ballkontakte in den richtigen Spielgebieten hatte und sich viel seltener weg von seiner Seite ziehen ließ. Jenkinson und Traore folgten viel zu oft den flexiblen Stürmern Manchesters und öffneten somit Lücken, doch es waren nicht nur die Löcher auf den außen, welches ein Problem darstellten, vielmehr war es die fehlende Orientation der gesamten Defensive Arsenals, welche die Hauptschuld an dieser blamablen Niederlage tragen. Ohne die Außenverteidiger fehlte der Viererkette der Fixpunkt auf außen und man stand beim Verschieben oftmals ein paar Meter falsch, desweiteren verlor das defensive Mittelfeld die Zuteilung und ihre Aufgabenbereiche durch das Verlassen der Position der Außenverteidiger. Oftmals versuchten sie raumdeckend, in einem bereits abgedeckten Raum zu organisieren oder traten in Zweikämpfen zu passiv auf, was den offensiv orientierten Cleverley und Anderson Zeit und Raum gab, von hinten das Spiel im letzten Drittel zu organisieren oder sich an vorderste Front zu begeben.

Fluidität im Angriff

Das Schönste an diesem Abend war neben den Toren und individuellen Aktionen die herausragende Fluidität im Angriffsspiel des Meisters. Young und Nani agierten sowohl klassisch als auch invers, sie rochierten mit den Stürmern oder überließen ihre Seite dem nachrückenden Außenverteidigern, wodurch man im Offensivspiel fast mit einer Fünferkette im Mittelfeld agierte. Vorne tauschten Rooney und Welbeck Gegenspieler, Positionen und Aufgabenbereiche, wobei Rooney seine Hauptaufgabe, die Bindung zum Spiel und viele eigene Ballkontakte, dennoch nie übersah und bei diesen Aufgaben sehr von Welbecks intelligenten Läufen profitierte. Evra, der eigentlich offensivere Außenverteidiger, spielte viel mehr kurze Pässe und musste nicht allzu oft bis zur Grundlinie durchlaufen, da Young ein herausragender Flankengeber mit beiden Füßen ist, hin und wieder jedoch Unterstützung benötigt, welche ihm Evra mit seiner Routine und technischen Stärke gab. Smalling, ein gelernter Innenverteidiger, zeigte auf rechts eine gute Vorstellung und hinterlief Nani sehr oft, welcher dadurch fast als halbrechter Außenstürmer fungieren konnte.

Besonders beeindruckend natürlich auch Cleverley und Anderson, beide letzte Saison keine Stammspieler bzw. der junge Cleverley war verliehen, doch sie haben einmal mehr eine starke Leistung gezeigt. Abwechselnd kümmert sich einer um das Absichern, der andere ums Attackieren, einer baut von hinten das Spiel auf, während der andere vorne im letzten Drittel am schnellen Kombinationsspiel teilnimmt – alles geschieht im richtigen Tempo, mit der richtigen Balance und kleine Fehler sind zwar da, doch für eine solch kurze Partnerschaft haben die beiden bereits ein tolles Gespür für die Laufwege des anderen entdeckt.

Arsenals Mentalitätsproblem

Neben den taktischen Problemen hatte diese Demontage eine weitere Ursache, welche die Psyche der Arsenal-Spieler betraf. Kaum einer hatte die richtige Motivation für das Spiel, es gab keine Reaktion auf die gegnerischen Tore und viele hinterließen einen schlechten Beigeschmack bei diesem Spiel. Van Persie bemühte sich bspw. sehr, doch Arshavin wirkte gefrustet und hätte bereits in der Anfangsphase gehen oder vom Schiedsrichter „gegangen“ werden müssen. Walcott ließ an Enthusiasmus vermissen, ebenso fehlte es an Teamgeist: er unterstützte den unerfahrenen Jenkinson selten in der Defensive und wenn der Rechtsverteidiger mehr Einsatz forderte, gab es einen bösen Blick und wohl noch bösere Worte als Antwort. Spielern wie Coquelin fehlte es an diesem Abend an Spielern, welche die Mannschaft wieder motivieren und aufheben, an dem man sich anhalten kann. Keine Organisation, kein Kampfeswillen, wenig Laufbereitschaft waren die Folge und insbesondere an Rosicky, der sich beim 3:0 Rooneys nicht einmal umdrehte, konnte man erkennen, dass nicht nur am Spielfeld, sondern sogar in der Umkleidekabine einiges im Argen liegt.

Fazit

Manchester United verbuchte einen tollen Sieg für sich und setzte ein Ausrufezeichen an Manchester City, welches mit 5:1 gewann. Mit einem 8:2 konnte man den Fans im Old Trafford ein tolles Geschenk machen, während Arsene Wenger  unbedingt reagieren muss. Die vielen Verletzten sind natürlich ein Grund für diese hohe Niederlage, doch man darf nicht vergessen, wie dieses Ergebnis zustande kam: durch eine taktisch und spielerisch schwache Leistung der gesamten Mannschaft, durch viele Mängel bei der Organisation und aufgrund vieler interner Zankereien. Arsenal fehlt es an guten Spielern und großen Persönlichkeiten.

44² 4. September 2011 um 15:01

Guter Artikel, der viele wichtige Punkte aufzeigt.

Was meiner Meinung nach zu kurz kommt, ist, wie Manchester Arsenals Offensivpressing komplett auswich. Ich denke, aus dieser Grundformation hatte Arsenal kaum Chance, gegen dieses ManU wirklich Druck zu erzeugen.

Auf meinem Blog hab ich Manchesters Maßnahmen näher analysiert. Ich bin der Meinung, dass Ferguson gerade den „spielmachenden Torwart“ einführt.

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RonnieBarca 1. September 2011 um 00:44

Sehr gute Analyse…Reschpekt…
Als Arsenal Supporter gesteh ichs nicht gern ein, aber sie haben tatsächlich ein Mentalitätsproblem…und zunhmend ein Trainerproblem…evt würd hier mal ein krasser Einschnitt gut tun…
DIe hilflose Art Wengers war offensichtlich, die Spieler trugen ihres dazu bei…

Man muss aber auch sagen, bei MU hat an diesem Tag einfach alles geklappt…

Cheerio

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MW 29. August 2011 um 15:08

Sehr, sehr gelungene Analyse! Vor allem das Mentalitätsproblem Arsenals wurde sehr gut herausgefiltert. Natürlich war die Qualität Uniteds an diesem Nachmittag weitaus höher, doch mit hohem taktischen Geschickt sowie Laufbbereitschaft und Kampf lässt sich vieles wettmachen. Arsenal, quo vadis?
Ps.: Ich bin sehr skeptisch, ob Djourou ein gerlernter Sechser ist.

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RM 29. August 2011 um 15:25

Soweit ich weiß, spielte er zwar als Innenverteidiger in den letzten Jahren, wurde aber in der Jugend und zu Beginn seiner Profikarriere vornehmlich als defensiver Mittelfeldspieler ausgebildet. Kann mich aber natürlich auch irren und danke für das Lob.

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